Berlin. . An diesem Montag trifft sich Christian Lindner wieder mit den Unterhändlern von Union und Grünen. Doch die Zuversicht des FDP-Chefs, ob ein Jamaika-Bündnis zustande kommt, scheint abzunehmen.
An diesem Montag trifft sich Christian Lindner wieder mit den Unterhändlern von Union und Grünen. Doch die Zuversicht des FDP-Chefs, ob ein Jamaika-Bündnis zustande kommt, scheint abzunehmen.
Die erste Runde der Sondierungen ist vorbei – und es hakt gewaltig. Wird das noch was mit Jamaika, Herr Lindner?
Christian Lindner: Das kann man gegenwärtig noch gar nicht sagen. Es hakt auch nicht sonderlich. Die erste Phase der Sondierungen war so angelegt, dass wir die Dinge, die uns trennen, nur sortieren und notieren. Es gab noch keine Versuche, größere Konsenspakete zu schnüren. Das steht jetzt an.
Sie haben den Grünen vorgeworfen, ihre Flüchtlingspolitik sei ein „Konjunkturprogramm für die AfD“. Ist das der vorherrschende Ton am Verhandlungstisch?
Ich halte nichts von diplomatischen Nebelkerzen. Die Bundestagswahl hat eine deutliche Sprache gesprochen. Wer verhindern will, dass die politische Landschaft sich auf Dauer ändert, muss Ordnung in der Einwanderungspolitik schaffen. Die Grünen hatten uns zuvor übrigens in die Nähe von Donald Trump gerückt, ohne dass wir in Tränen ausgebrochen wären. Wir werden nämlich trotzdem weiter Zweifel anmelden an der physikalischen Machbarkeit grüner Energiepolitik. Denn es ist nichts gewonnen, wenn wir Kohlekraftwerke in Deutschland abschalten, um anschließend Kohlestrom aus Polen zu importieren oder Kernenergie aus Frankreich. Wir erwarten kommende Woche von den Grünen Vorschläge, die in der Praxis umsetzbar sind.
Erleben Sie Unterhändler, die eher zum Scheitern als zum Gelingen dieser Koalition beitragen wollen?
Nein, so jemanden sehe ich nicht. Aber es gibt unterschiedliche Rollen. Peter Altmaier, dem Chef des Bundeskanzleramts, merkt man an, dass er sich schon lange mit den Grünen beschäftigt hat. Als stark nehme ich Alexander Dobrindt wahr. Er hat als Vorsitzender der CSU-Landesgruppe enorm an politischem Gewicht gewonnen. Ich habe großen Respekt vor Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt. Sie haben vielleicht die schwierigste Aufgabe von allen, denn sie verhandeln einerseits mit Union und FDP, andererseits mit den Flügeln ihrer eigenen Partei. Bemerkenswert ist, dass der öffentlich als moderat geltende Robert Habeck den eigenen Verhandlungsführern dabei oft in die Parade fährt.
Der FDP scheint es besonders wichtig zu sein, das Finanzministerium zu übernehmen ...
Wir haben das Finanzministerium nicht für uns reklamiert. Ich hebe allerdings die Bedeutung dieses Ministeriums hervor und fordere eine andere Finanzpolitik.
Verteidigen Sie die schwarze Null, den ausgeglichenen Staatshaushalt?
Die schwarze Null ist unverzichtbar. Alles andere wäre vernichtend für die Reputation Deutschlands in Europa. Deshalb gibt es für alle Ausgabenwünsche eine Grenze. Sie müssen sich aus den steigenden Einnahmen des Staates speisen, mit denen wir allerdings auch den Solidaritätszuschlag kompensieren müssen. Auf der anderen Seite sind für uns die Gesetze und Subventionen der großen Koalition nicht unberührbar. Die müssen alle zurück in die Montagehalle gezogen werden. Die Subvention für Elektroautos zum Beispiel ist unwirksam und sozial unausgewogen.
Was soll aus der Mehrwertsteuer werden?
Daran hat sich in den letzten Jahren kaum jemand gewagt. Ich halte es für eine lohnende Aufgabe, eine überparteiliche Kommission zur Reform der Mehrwertsteuer einzurichten. Daran sollten sich Vertreter aller Parteien, der Gewerkschaften und Sozialverbände sowie kluge Ökonomen beteiligen. Sie sollten einen Vorschlag machen für ein faires Mehrwertsteuersystem, das von seinen Widersprüchen befreit ist. Diese Steuervereinfachung darf nicht zu einer stärkeren Belastung führen, sondern muss aufkommensneutral erfolgen.
Von Neuwahlen würde vor allem die AfD profitieren. Sind die Jamaika-Verhandler allein deswegen zum Erfolg verdammt?
Wieso würde die AfD profitieren? Das glaube ich überhaupt gar nicht. Wir haben jedenfalls keine Angst vor Neuwahlen. Wir könnten in diesem Fall schließlich sagen, dass uns unsere Überzeugungen wichtiger sind als Dienstwagen.
Der amtierende SPD-Chef Martin Schulz hat vor Neuwahlen auch keine Angst. Er sagt, die Verantwortung „müssten Frau Merkel, Herr Seehofer, Herr Lindner und Herr Özdemir tragen“.
Ich übernehme Verantwortung für die Regierung, wenn die Inhalte stimmen – und Verantwortung für die Opposition, wenn ich meine Zusagen nicht hinreichend durchsetzen kann. Und wenn es notwendig wird, ziehe ich auch wieder über die Marktplätze und mache Wahlkampf. Ob ausgerechnet Herr Schulz mit seiner Partei von Neuwahlen profitiert, würde sich herausstellen. Eines jedenfalls mache ich nicht ...
... das wäre?
Ich habe auf den ganzen Plakaten hier gehangen. Ich bin vier Jahre herumgereist. Ich habe die FDP nicht zurück ins Parlament geführt, um in einer Regierung ohne eigene Akzente zu arbeiten. Wofür wir eingetreten sind, muss sich spürbar im Programm wiederfinden. Wenn das nicht möglich ist, gehen wir in die Opposition. Dafür nehme ich jeden Shitstorm in Kauf.