Düsseldorf. NRW-Schulministerin Gebauer sieht den Testlauf für freiwillige Feriensprachkurse als geglückt an. 2018 sollen davon 9000 Kinder profitieren.
Die Landesregierung will die Feriensprachkurse für Flüchtlingskinder deutlich ausweiten. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) kündigte am Freitag an, dass im Jahr 2018 mehr als 9000 Mädchen und Jungen das von Gebauer angestoßene „Ferien-Intensiv-Training – Fit in Deutsch“ besuchen könnten. Zum Start des Projekts in diesen Herbstferien waren es rund 300 Kinder in acht Städten. 35 von ihnen „trainierten“ an der Katharina-Henoth-Gesamtschule in Köln.
Bunte Gruppe: Analphabeten und Fortgeschrittene
Fatima (11) aus Syrien findet den Ferienkurs „cool“ und kann nach zwei Jahren in ihrer neuen Heimat Köln schon recht gut Deutsch sprechen. Aber als die Ministerin neben ihr am Herd auftaucht, und „Was ist das in dem Topf?“ fragt, fällt Fatima, weil sie aufgeregt ist, nicht das richtige Wort ein. „Pilze“ sagt sie zu den weißen Gemüsestückchen, die in Olivenöl schmurgeln. Yvonne Gebauer hilft nach und sagt „Zw...“. Da weiß das Mädchen wieder, was es sagen sollte.
Es ist eine extrem bunte Gruppe, die da freiwillig büffelt. Zehn- bis 15-Jährige aus Irak, Syrien und anderen Krisenländern. Manche sind praktisch Analphabeten, andere schon fortgeschrittene Deutsch-Schüler.
„Einige kommen mit schlimmen Erfahrungen hier in Deutschland an, können nachts nicht schlafen, sind unkonzentriert“, erzählt ihr Lehrer Tobias Schalla, ein Student kurz vorm Staatsexamen, der das Angebot der Landesregierung angenommen hat, mit Flüchtlingskindern in den Herbstferien zu arbeiten.
Rund 2000 Euro für zwei Wochen
Drei weitere Experten für „Deutsch als Fremdsprache“ sind hier im Ferieneinsatz. Der Lohn ist großzügig – rund 2000 Euro für zwei Wochen –, die Lerntage lang (9 bis 16 Uhr), und die Kennenlernphase, die sonst in Sprachkursen tagelang dauert, hat hier nur wenige Stunden. „Alles geschieht im Zeitraffer“, sagt Tobias Schalla.
Alles ist eng getaktet: Lektionen am Computer, praktische Übungen auf dem Markt oder im Zoo, Kochen mit Vokabeln von Ananas bis Zwiebel. Die vier Lehrer werden von Ganztagsschul-Profis der Katholischen Jugendagentur (KJA) Köln unterstützt. Alle „Trainer“ hier stehen bei der KJA unter Vertrag. Die Kinder besuchen in der regulären Schulzeit Vorbereitungsklassen in Kölner Schulen.
Kritik an Ausbildung der Pädagogen
„Die Idee ist gut.“ Das sagen alle, die an dem Projekt „Intensivtraining“ beteiligt sind. Die Ministerin schaut zufrieden auf das „erste große Projekt“, das sie angestoßen hat. Bewerber, die in den Ferien unterrichten möchten, gibt es offenbar reichlich. Allerdings ist die Schar dieser Pädagogen etwa so bunt wie die Schülergruppen. Erfahrene Lehrer sind dabei, Referendare, Lehramtsstudenten. Nicht überall sind Fachleute für Deutsch als Fremdsprache im Einsatz.
„Das Ministerium sollte für die angekündigte Sprachoffensive im kommenden Jahr Lehrkräfte einsetzen, die speziell für solche Kurse ausgebildet sind“, fordert Udo Beckmann, Chef des Pädagogen-Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Und zwei Tage Vorbereitung auf die Arbeit mit solch schwierigen Lerngruppen reichten für die Lehrer nicht, sagt der VBE.
Kein Kontakt zu deutschen Muttersprachlern
Dass man die „gute Idee“ weiterentwickeln sollte, meint auch Martin Süsterhenn, Leiter der Henoth-Gesamtschule in Köln. Das pädagogische Fundament sollte noch solider sein. Schön wäre es, wenn die jungen Flüchtlinge in diesen Kursen Kontakt zu jungen deutschen Muttersprachlern hätten, sagt der Rektor. Aber er weiß selbst, warum das schwierig ist. Welches Kind, das keinen Extra-Deutschunterricht benötigt, setzt sich während der Ferien freiwillig in die Schule?
Das gemeinsame Kochen könnte ein Argument zum Mitmachen sein. Die elfjährige Fatima hat die Zwiebeln in Öl fertig angeschwitzt. Später wird sie Nudeln mit Tomatensauce servieren, ein global-gutes Kindergericht. Weiter oben, im Computerraum, ringen der 14-jährige Mohammed aus Damaskus und ein Dutzend andere Jugendliche mit besitzanzeigenden Fürwörtern. „Mein Kuli, dein Kuli, sein Kuli“ steht auf Mohammeds Bildschirm. Er zögert, ist sich nicht sicher. „Man erkennt nicht immer sofort, ob der Unterricht wirkt“, erzählt ein Lehrer. „Aber irgendwann sprudelt das neue Wissen regelrecht aus den Kindern heraus.“
>> Rund zwei Millionen Euro für 2018 eingeplant
Für das zweiwöchige Pilotprojekt hat das Land rund 100 000 Euro aufgewendet. Um die Ausweitung der freiwilligen Intensivkurse 2018 zu ermöglichen, sind rund 2,1 Millionen Euro im Landeshaushalt eingestellt worden. Damit werden rund 450 für die Schüler kostenlose Kurse in den Oster-, Sommer- und Herbstferien stattfinden.