Berlin. An deutschen Gerichten laufen zurzeit mehr als 320.000 Asyl-Prozesse. Die Zahl hat sich zuletzt vervierfacht. Richter schlagen Alarm.
Die Verwaltungsgerichte sind offensichtlich noch stärker mit Asylverfahren belastet als angenommen. Nach einem Bericht der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ verzeichneten die Gerichte zum Stichtag 30. Juni diesen Jahres insgesamt mehr als 320.000 Verfahren.
Ein Jahr zuvor waren es demnach noch knapp 69.000. Das ist eine Zunahme um das Viereinhalbfache. Die Zeitung beruft sich dabei auf eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken.
Verdoppelung der Klagen schon von 2015 bis 2016
Im Sommer hatte der Bund Deutscher Verwaltungsrichter (BDVR) bereits Alarm geschlagen. Allerdings ging der Vorsitzende Robert Seegmüller damals noch von schätzungsweise 200.000 Asylverfahren für das gesamte Jahr 2017 aus.
Diese Zahl ist dem Bericht zufolge aber längst schon deutlich überschritten. Bereits im vergangenen Jahr hatte es bei den Klagen von Flüchtlingen eine Verdopplung gegeben: von 50.000 (2015) auf 100.000 (2016).
Zahl der Schutzsuchenden hat sich binnen zwei Jahren verdoppelt
Das Vorstandsmitglied beim Verwaltungsrichter-Bund, Erich Müller-Fritzsche, sagte der Zeitung: „Die Verwaltungsgerichte sind so stark belastet, dass sich die Arbeit mit dem gegenwärtigen Personal nicht zeitnah bewältigen lässt. Auch die von der Politik angekündigte Aufstockung beim Personal wird dafür nicht reichen.“
Wie das Statistische Bundesamt unterdessen mitteilte, hat sich die Zahl der Schutzsuchenden in Deutschland binnen zwei Jahren mehr als verdoppelt. Ende 2016 waren 1,6 Millionen Personen registriert – 851.000 oder 113 Prozent mehr als Ende 2014. „Das waren 16 Prozent der ausländischen Bevölkerung“, erklärte das Amt am Donnerstag unter Verweis auf das Ausländerzentralregister.
872.000 Menschen mit humanitärem Aufenthaltstitel
Als Schutzsuchende gelten Ausländer, die sich unter Berufung auf humanitäre Gründe in Deutschland aufhalten. Dazu zählen Personen, die sich im Asylverfahren befinden, anerkannte Flüchtlinge nach der Genfer Konvention, subsidiär Schutzberechtigte sowie abgelehnte Asylbewerber, die sich aber noch hier aufhalten. 392.000 Ausländer seien unberücksichtigt, da sich nicht eindeutig bestimmen lasse, ob es sich um Schutzsuchende handele oder nicht, erklärte das Statistikamt.
872.000 Schutzsuchende (54 Prozent) verfügten den Angaben nach über einen humanitären Aufenthaltstitel und damit über einen anerkannten Schutzstatus. Überwiegend war diese Anerkennung jedoch nur befristet. Bei 158.000 Personen wurde der Antrag auf Asyl abgelehnt. Diese seien grundsätzlich ausreisepflichtig.
573.000 Schutzsuchende warten noch auf ihren Asylbescheid
Bei 75 Prozent sei die Ausreisepflicht aber aufgrund einer Duldung vorübergehend ausgesetzt. Außerdem gibt es 573.000 Schutzsuchende, über deren Asylantrag noch nicht entschieden wurde. (dpa/rtr)