Barcelona/Madrid. Nun wird es ernst im Katalonien-Konflikt. Nach Tagen des politischen Geschützfeuers geht Madrid zum Großangriff über: Spaniens Regierung beschloss in einer Sondersitzung am Samstag, dass die katalanische Separatistenführung abgesetzt wird. Der spanische Regierungschef Mariano Rajoy kündigte die Absetzung mit ruhiger, aber resoluter Stimme an. „Das war weder unser Wunsch noch unsere Absicht, aber wir wurden dazu gezwungen“, sagte Rajoy. Die Gegenseite habe das „wohl so gewollt“. Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont sprach von einem „Putsch“.
Nun wird es ernst im Katalonien-Konflikt. Nach Tagen des politischen Geschützfeuers geht Madrid zum Großangriff über: Spaniens Regierung beschloss in einer Sondersitzung am Samstag, dass die katalanische Separatistenführung abgesetzt wird. Der spanische Regierungschef Mariano Rajoy kündigte die Absetzung mit ruhiger, aber resoluter Stimme an. „Das war weder unser Wunsch noch unsere Absicht, aber wir wurden dazu gezwungen“, sagte Rajoy. Die Gegenseite habe das „wohl so gewollt“. Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont sprach von einem „Putsch“.
Der Plan der Zentralregierung sieht Neuwahlen innerhalb von sechs Monaten vor. Das katalanische Parlament wird noch nicht aufgelöst. Aber ihm werden Kompetenzen entzogen, vor allem damit die Kammer nicht weiterhin Unabhängigkeitsbeschlüsse fasst, die gegen Spaniens Verfassung verstoßen.
Kataloniens Ministerpräsident Puigdemont reagierte am Abend in einer Fernsehansprache auf die Pläne aus Madrid. Er bezeichnete die beschlossenen Maßnahmen zur Beendigung der Unabhängigkeitsbestrebungen in der Region als „Putsch“ und als „inakzeptablen Angriff auf die Demokratie“. Es sei die „schlimmste Attacke“ gegen Katalonien seit der Diktatur von Francisco Franco. „Die Absetzung einer demokratisch gewählten Regierung ist mit einem Rechtsstaat unvereinbar“, sagt Puigdemont weiter. Man werde aber „weiter kämpfen“, beteuerte der Katalane ohne konkret zu werden. Am Donnerstag hatte er damit gedroht, dass in den nächsten Tagen definitiv Kataloniens Unabhängigkeit ausgerufen werde, wenn die Zentralregierung Zwangsmaßnahmen beschließen sollte.
Bereits unmittelbar nach der Ankündigung der spanischen Zentralregierung setzte in Barcelonas Straßen die erste Protestaktion ein: Tausende Unabhängigkeitsbefürworter starteten mit Töpfen, Deckeln und Löffeln ein Lärmkonzert auf Balkonen und an geöffneten Fenstern. Am Abend waren rund 450 000 Menschen auf den Straßen.
Die von Rajoy verkündeten Schritte treten nicht sofort in Kraft, sondern vermutlich erst Ende Oktober. Zunächst muss noch der Senat, das spanische Oberhaus, mit absoluter Mehrheit zustimmen. Die Abstimmung im Senat ist für kommenden Freitag vorgesehen, es wird eine Mehrheit von rund 80 Prozent erwartet. Die in Spanien regierende konservative Volkspartei wird in ihrem Krisenplan für Katalonien von der größten Oppositionspartei, den Sozialisten, und auch von der kleineren liberalen Partei Ciudadanos gestützt.
Ein Technokraten-Kabinett für die wichtigsten Schaltstellen
Die spanische Verfassung erlaubt in Artikel 155 die Anordnung von Zwang gegenüber einer Region, wenn diese „ihre gesetzlichen Verpflichtungen nicht erfüllt oder wenn sie massiv gegen das Gemeinwohl Spaniens handelt“. Beides sieht Madrid als erfüllt an, nachdem die katalanische Führung deutlich machte, dass sie ihren Unabhängigkeitskurs nicht stoppen will. Die Abspaltung einer Region ist nicht in Spaniens Verfassung vorgesehen. Zwei ultimative Aufforderungen der Zentralregierung und mehrere Verbote des Verfassungsgerichts wurden von den Separatisten in Barcelona ignoriert.
Die Aufgaben der katalanischen Regierung dürften somit demnächst von Madrid übernommen werden. Vermutlich wird ein von Madrid bestimmtes Technokraten-Kabinett die wichtigsten Schaltstellen besetzen. Das dürfte zum Beispiel für Kataloniens autonome Polizei gelten, gegen deren Chef bereits wegen Rebellion ermittelt wird. Und auch für den öffentlichen katalanischen Rundfunk, dem von Madrid separatistische Propaganda vorgeworfen wird.
Alle katalanischen Behörden „werden wie bisher funktionieren“, sagte Rajoy, aber eben unter Kontrolle der Zentralregierung. Der Ministerpräsident betonte, „dass die Autonomie Kataloniens nicht ausgesetzt wird, sondern es werden jene Personen abgesetzt, die diese Region in eine Situation außerhalb des Rechts brachten“.
Die Unabhängigkeitsbestrebungen hätten zudem der wirtschaftlichen Stabilität Kataloniens geschadet und unter der Bevölkerung der Region Zwietracht gesät, sagte Rajoy. In der Tat haben seit 1. Oktober, dem Tag des illegalen Abspaltungsreferendums, mehr als 1000 katalanische Unternehmen, darunter die wichtigsten der Region, ihren Firmensitz in politisch stabilere Territorien Spaniens verlegt. Die Bevölkerung Kataloniens ist in der Frage der Unabhängigkeit tief gespalten, die Separatisten haben im Volk keine klare Mehrheit für ihren unilateralen Abspaltungsplan. Im katalanischen Parlament in Barcelona hatte die aus drei Parteien bestehende Unabhängigkeitsfront vor zwei Jahren mit 47,8 Prozent der Stimmen die knappe absolute Mehrheit der Mandate gewonnen.
Dass die Separatisten kaum behaupten können, für ganz Katalonien zu sprechen, spiegelt sich auch in einer neuen Umfrage der in Barcelona erscheinenden Tageszeitung „El Periódico“. Danach sind 56 Prozent der Katalanen der Meinung, dass die Unabhängigkeitsabstimmung Anfang Oktober, die vom Verfassungsgericht verboten worden war, keine ausreichende Grundlage ist, um Katalonien von Spanien abzutrennen. 69 Prozent bekräftigten, dass eine Neuwahl der beste Weg sei, um aus der derzeitigen politischen Sackgasse zu kommen. Freilich sprachen sich auch zwei von drei Katalanen gegen das nun von Madrid verkündete Eingreifen aus.