Istanbul/Berlin. . Am Mittwochmorgen wird Mesale Tolu aus ihrer Zelle im Istanbuler Frauengefängnis Bakirköy in die 80 Kilometer entfernte Strafvollzugsanstalt Silivri gebracht. Türkische Prozessbeobachter werden später sagen, sie habe gefestigt gewirkt, selbstbewusst – als wäre sie froh, sich endlich selbst äußern zu können. Seit mehr als fünf Monaten sitzt die 32 Jahre alte Journalistin in Istanbul in Untersuchungshaft – mit ihrem zweijährigen Sohn Serkan.

Am Mittwochmorgen wird Mesale Tolu aus ihrer Zelle im Istanbuler Frauengefängnis Bakirköy in die 80 Kilometer entfernte Strafvollzugsanstalt Silivri gebracht. Türkische Prozessbeobachter werden später sagen, sie habe gefestigt gewirkt, selbstbewusst – als wäre sie froh, sich endlich selbst äußern zu können. Seit mehr als fünf Monaten sitzt die 32 Jahre alte Journalistin in Istanbul in Untersuchungshaft – mit ihrem zweijährigen Sohn Serkan.

Gleich zu Beginn des Prozesses weist Tolu die gegen sie erhobenen Terrorvorwürfe zurück. „Ich fordere meine Freilassung und meinen Freispruch“, sagt sie. „Ich habe keine der genannten Straftaten begangen und habe keine Verbindung zu illegalen Organisationen.“ Doch das Gericht folgt dem Antrag von Tolus Anwälten, ihre Mandantin bis zu einem Urteil auf freien Fuß zu setzen, am Mittwochabend nicht. Sie muss weiterhin in Untersuchungshaft bleiben.

Es ist der erste Prozess gegen eine der mindestens elf Deutschen, die aus politischen Gründen in türkischer Haft sitzen. Es ist ein Tag, der die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland belastet. Nach dem Satirestreit über das Gedicht von Jan Böhmermann, der Verabschiedung der Armenien-Resolution im Bundestag und den Einschüchterungsversuchen von Staatschef Recep Tayyip Erdogan während des Bundestagswahlkampfes – die deutsch-türkischen Beziehungen verschlechtern sich seit Jahren.

Was wird Mesale Tolu vorgeworfen?

Sie ist eine von 18 Angeklagten, die wegen Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) vor Gericht stehen. Die Staatsanwaltschaft fordert 15 Jahre Haft. Die Begründung: Tolu habe an einer Demonstration der MLKP teilgenommen und sei bei Beerdigungen von getöteten Kämpfern der linksextremen Organisation gesehen worden. Tolu sagt, sie sei dort als Journalistin gewesen. Am 30. April ist sie festgenommen worden. Damals war ihr Mann Suat Corlu bereits seit zwei Wochen in Haft.

Wie geht es Tolu und ihrem zweijährigen Sohn in der Haft?

Mesale Tolu spricht im Gerichtssaal auch über ihr Kind. „Die Untersuchungshaft ist nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie und für meinen Sohn zur Bestrafung geworden.“ Serkan verbrachte die meiste Zeit der vergangenen fünf Monate mit der Mutter in der Haft. „Am Montag wurde der Sohn von Verwandten abgeholt“, sagt Baki Selcuk, ein Freund der Familie. Sie wollten ihm ersparen, dass er mit in den Gerichtssaal muss. Mesale Tolu teilt sich ihre Zelle mit zeitweise bis zu 24 anderen weiblichen Gefangenen. Sie darf Post bekommen. „Mittlerweile haben sie über 500 Briefe und Postkarten erreicht“, erzählt Selcuk. Sie freue sich darüber sehr.

Was tut die Bundesregierung für Tolus Freilassung?

Tolus Vater fordert mehr Einsatz der Bundesregierung. Seit der Bundestagswahl sei wenig passiert. Christian Mihr von der Organisation Reporter ohne Grenzen sieht das etwas anders: „Auf der praktischen Ebene, was konsularische Betreuung betrifft, tut die Regierung ihr Bestes.“ Er habe vor Ort erfahren, wie sich Regierungsvertreter für die Gefangenen einsetzten. Die Entspannungssignale, die der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu zuletzt gesendet hatte, habe er so interpretiert, „dass sie Fälle wie von Mesale Tolu schnell abwickeln wollen“, sagt Mihr.

Welche Deutschen sind noch in türkischer Haft?

Von mindestens elf Deutschen ist offiziell die Rede. Der bekannteste Fall ist der des „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel. Genau wie der Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner wartet der Journalist auf seinen Prozess. Bekannt wurde zudem noch der Fall des 55-jährigen David B. aus Schwerin, der auf einer Pilgerreise nach Jerusalem festgenommen worden war.

Welches Ziel verfolgt Erdogan?

In der deutschen Politik verstärkt sich der Verdacht, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die deutschen Staatsangehörigen als Geiseln festhält. Grünen-Chef Cem Özdemir, der als möglicher Außenminister in einer Jamaika-Koalition gilt, nennt Erdogan offen einen „Geiselnehmer“. Umgekehrt dringt Erdogan darauf, dass Deutschland türkische Staatsbürger ausliefert – etwa Generäle, die nach dem Putschversuch vom Sommer 2016 geflüchtet sind. Oder den früheren Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“, Can Dündar. Möglicherweise zielt Erdogan auf einen Austausch. Doch die Haltung der Bundesregierung ist klar: Solche Geschäfte kommen für Deutschland nicht infrage.