Düsseldorf. . Rechtsradikale, Linksextreme, Reichsbürger und Salafisten: Der NRW-Verfassungsschutzbericht zeichnet ein düsteres Bild der Bedrohungen.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) gab sich gar keine Mühe, die Lage schön zu reden. Der Verfassungsschutzbericht des Landes sei für ihn „außerordentlich beunruhigend“. Die Zahl politisch motivierter Straftaten in NRW blieb 2016 mit 7445 auf gleichbleibend hohem Niveau wie im Jahr zuvor (7532) – obwohl 2015 der Sondereffekt der Ausschreitungen im Braunkohlerevier „Hambacher Forst“ zu Buche schlug und eine Gewaltwelle gegen Flüchtlingsunterkünfte zu verzeichnen war. Im Zehn-Jahres-Vergleich stieg die politisch motivierte Kriminalität sogar um 73 Prozent. Der Extremismus im Einzelnen:
Rechtsradikale:
Die Zahl der rechtsradikal motivierten Straftaten hat im vergangenen Jahr ein Rekordhoch erreicht. 4700 Taten wurden registriert, noch einmal sechs Prozent mehr als 2015. Die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte blieb auf dem hohen Niveau des Vorjahres.
Die hohe Zahl von Asylbewerbern und die Abgrenzung gegenüber dem Islam blieben weiterhin ein wichtiger „Türöffner“ des Rechtsradikalismus zur Mitte der Gesellschaft, erklärte Verfassungsschutz-Chef Burkhard Freier. Alarmierend: Rund zwei Drittel der Tatverdächtigen bei rechten Übergriffen seien vorher nie als rechtsextremistisch aktiv bekannt gewesen.
Reichsbürger:
Erstmals hat der NRW-Verfassungsschutz die sogenannten Reichsbürger ins Visier genommen. Sie bestreiten die Existenz der Bundesrepublik, akzeptieren die Behörden nicht und leben mit Fantasie-Ausweisen des Deutschen Reichs. Viele von ihnen sind bewaffnet. Ihre Zahl wird in NRW auf gut 2000 beziffert. „Sie versuchen, unsere Behörden lahm zu legen. Viele sind äußerst gewaltbereit“, warnte Reul.
Das Innenministerium hat einen 15-seitigen Leitfaden an alle Kommunen mit Tipps zum Umgang mit Reichsbürgern geschickt. Ziel der Behörden ist die strafrechtliche Verfolgung oder zumindest die Sammlung von Fakten, um Waffenerlaubnisse gerichtsfest entziehen zu können.
Alternative für Deutschland:
Die Alternative für Deutschland (AfD) wird weiterhin nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Man sehe allerdings „mit Sorge“ den wachsenden Einfluss der „Patriotischen Plattform“ und deren Verbindungen zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“, sagte Verfassungsschutz-Chef Freier.
Bislang könne man einzelne Äußerungen von Rechtsradikalen jedoch nicht der AfD als Ganzes zuordnen, weshalb keine Beobachtung der Partei erfolge. Die als hochproblematisch angesehene „Patriotische Plattform“ wiederum sei keine Untergliederung der AfD.
Salafisten:
Die Beobachtung der islamistischen Szene bleibt eine Schwerpunktaufgabe des Verfassungsschutzes. Insgesamt gibt es in NRW 2900 Salafisten, von denen 870 als gewaltorientiert gelten. Von den landesweit 850 Moscheen werden 70 als salafistisch beeinflusst eingestuft.
Oft dienten diese Moscheevereine jedoch nur als Treffpunkte und könnte daher nicht als solche verboten werden. Die Zahl der salafistischen „Gefährder“, also der potenziellen islamistischen Terroristen, ist 2016 noch einmal von 230 auf 240 angestiegen.
Linksextreme:
Die Zahl der linksradikal motivierten Taten ging 2016 gegenüber dem Vorjahr um 27 Prozent auf 1580 deutlich zurück. Im Zehn-Jahres-Vergleich hat sie sich jedoch verdoppelt. Die Gewaltbereitschaft im Linksextremismus zeige sich etwa bei den Braunkohle-Protesten.
Die Linkspartei wird weiterhin vom Verfassungsschutz beobachtet, weil sich deren Gliederung „Kommunistische Plattform“ gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung wende.