Düsseldorf. . „Privat vor Staat“, „Kein Kind zurücklassen“ – Das Leid mit dem Leitmotiv: Ansprüche und Aussprüche von Laschets Vorgängern erwiesen sich oft als politischer Bumerang.

Es ist die längste und wichtigste Rede eines Ministerpräsidenten in NRW. Die traditionell rund einstündige Regierungserklärung zu Beginn jeder Amtszeit gibt Programm, Motto und Tonlage für die folgenden fünf Jahre vor. Armin Laschet (CDU) tritt am kommenden Mittwoch, also erst elf Wochen nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten, ans Rednerpult. Die jüngere Geschichte lehrt: Ansprüche und Aussprüche der Regierungserklärung können leicht zum politischen Bumerang werden.


Johannes Rau, SPD

Regierungserklärung: 1995

Wichtigstes Zitat der Regierungserklärung: „Nordrhein-Westfalen wird das soziale Gewissen der Bundesrepublik Deutschland sein.“

Erinnerungswert: Hoch, wird bis heute zitiert.

Problem: NRW klebt das Bittsteller-Image als Strukturwandel-Land an, das den Niedergang von Kohle und Stahl sozial abfedern muss. Bayerns „Laptop und Lederhose“ oder Baden-Württembergs „Wir können alles außer Hochdeutsch“ stehen viel stärker für das Selbstverständnis kraftstrotzender Innovationskraft.


Wolfgang Clement, SPD

Regierungserklärung: 1998, (damals SPD)

Wichtigstes Zitat: „Ich habe das Justiz- und Innenministerium zu einem Ressort zusammengefasst. Das ist einzigartig in Deutschland. Es wird das starke Ressort für die Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen.“

Erinnerungswert: Niedrig.

Problem: Der Verfassungsgerichtshof untersagte ein halbes Jahr später die Fusion wegen einer unzulässigen Vermischung der Staatsgewalten. Die Pleite wirkte prägend für Clements späteres Image in der Landespolitik: Kraftvolle Ankündigungen, viele Baugruben, selten Richtfest.


Peer Steinbrück, SPD

Regierungserklärung: 2002

Wichtigstes Zitat: „Der Weg zu Lösungen wird nicht konfliktlos und nicht kostenlos sein.“

Erinnerungswert: Niedrig.

Problem: Der angekündigte steinige Weg erwies sich als prophetisch: Wochenlang stritten 2003 die rot-grünen Koalitionspartner und verständigten sich nur mit Mühe auf ein „Düsseldorfer Signal“ der Zusammenarbeit. Die aus Berlin hereinbrechenden Konflikte um die „Agenda 2010“ verdüsterten die Stimmung weiter bis zu Abwahl 2005.


Jürgen Rüttgers, CDU

Regierungserklärung: 2005

Wichtigstes Zitat: „Freiheit vor Gleichheit, Privat vor Staat, Erarbeiten vor Verteilen.“

Erinnerungswert: Hoch, gilt bis heute als schwarz-gelbes Motto.

Problem: Die Reformagenda „Privat vor Staat“ wurde von Kritikern als herzloser Neoliberalismus bekämpft. Zudem stand das Motto ab 2006 im krassen Widerspruch zum Bemühen von Ministerpräsident Rüttgers, sich als sozialer „Arbeiterführer“ und legitimer Nachfolger Johannes Raus in Szene zu setzen.

Hannelore Kraft, SPD

Regierungserklärungen: 2010 und 2012

Wichtigste Zitate: „Wir wollen kein Kind zurücklassen“; „Wir werden deutlich machen, welche Präventionsrendite dem Landeshaushalt zufließen wird.“

Erinnerungswert: Hoch.

Problem: Das Motto „Kein Kind zurücklassen“ wurde nie mit Regierungsergebnissen unterlegt. Die Kinder- und Bildungsarmut stiegen in den sieben rot-grünen Jahren weiter an. Die versprochene „Präventionsrendite“ führte im Landeshaushalt zu keinen nennenswerten Einsparungen.

Armin Laschet, CDU

Regierungserklärung: 2017

Mögliches Zitat: Laschets Wahlkampf-Credo „Unser Land, unser Anspruch: Nordrhein-Westfalen soll wieder Nummer eins werden.“

Erinnerungswert: Vermutlich hoch.

Problem: Schon jetzt zeigt sich, dass CDU und FDP mit ihrem „Schlusslicht-Wahlkampf“ hohe Erwartungen geweckt haben. Bei der Senkung von Neuverschuldung, dem Kampf gegen die Kriminalität oder dem Abbau der Staulängen auf den NRW-Autobahnen wird es schwer genug, messbare Verbesserungen zu erreichen. Laschet dürfte in seiner Regierungserklärung daher kaum mit konkreten Versprechen die Messlatte noch höher legen.