Berlin. Der Bund unterstützt mit dem Geld den Ausbau der E-Mobilität und den öffentlichen Nahverkehr. Fahrverbote sind damit nicht vom Tisch.
Wenige Wochen vor der Bundestagswahl ging es am Montag beim zweiten Diesel-Gipfel auch darum, ein Zeichen zu setzen: Die Politik krempelt die Ärmel hoch, löst das Problem der starken Luftverschmutzung in vielen deutschen Innenstädten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Oberbürgermeister von 23 Kommunen, die Ministerpräsidenten von neun Bundesländern ins Kanzleramt geladen. Der Gipfel sollte vor allem auch die drohenden Fahrverbote für Diesel-Pkw abwenden. 500 Millionen Euro stellt der Bund nun den Kommunen zur Verfügung, damit Städte beispielsweise schnell Elektro-Busse kaufen können. Ob die Maßnahmen ausreichen, ist umstritten.
Wie viel Geld steht nun zur Verfügung?
Insgesamt eine Milliarde Euro: Jeweils 250 Millionen sagten der Bund und die Autoindustrie bereits beim Diesel-Gipfel am 2. August zu. Nun legt die Bundesregierung nochmal 500 Millionen drauf. Merkel will außerdem die Autohersteller um weitere Mittel angehen. Das Geld dient dazu, dass Stadtverwaltungen die Belastung der Bürger mit Luftschadstoffen verringern. Vor allem geht es darum, abgasreduzierte Fahrzeuge für öffentliche Fuhrparks anzuschaffen und beispielsweise die Straßenbahn auszubauen.
Welche Maßnahmen wurden beschlossen?
Welche Projekte konkret gefördert werden, ist noch offen. Klären soll das eine neue Koordinierungsstelle von Bund, Ländern und Städten. Es könnten etwa bessere Angebote im öffentlichen Nahverkehr geschaffen werden, eine schnellere Umstellung auf Elektro-Fahrzeuge, bessere Ladeinfrastruktur, Leitsysteme gegen Staus oder neue Radwege. Als Beispiel nannte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), Diesel-Busse mit besseren Filtern auszustatten. Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) kann sich vorstellen, zusätzliche Elektro-Fahrzeuge für die Stadtverwaltung oder Busse mit Wasserstoff-Antrieb zu erwerben. Er wies allerdings darauf hin, dass es bisher kaum einsatzfähige Elektro-Busse zu kaufen gäbe.
Warum war der Gipfel notwendig?
In vielen deutschen Kommunen ist die Luft stark mit gesundheitsschädlichem Stickoxid (NOx) aus Diesel-Auspuffen belastet. Deutschland hat deshalb schon Ärger mit der EU. Anwohner und Umweltorganisationen haben außerdem in einigen Städten Klagen eingereicht. Die Deutsche Umwelthilfe kündigt an, solche Verfahren in rund 60 Kommunen voranzutreiben. Autofahrern könnten gerichtlich erzwungene Fahrverbote in Städten drohen – wenn Grenzwerte anders nicht einzuhalten sind. Dies käme einer „Enteignung“ der Autofahrer gleich, sagte Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Mit den nun beschlossenen Maßnahmen hoffen die Stadtverwaltungen, die Gerichte milde zu stimmen.
Reichen die beschlossenen Maßnahmen aus?
Der grüne Umweltpolitiker Oliver Krischer hat ausgerechnet, dass eine Milliarde Euro für den Bau von höchstens 100 Kilometern neuer Straßenbahnen reichten – zu wenig, um in den 70 besonders betroffenen Städten wirklich etwas zu ändern. „Meine Hoffnung, dass die Maßnahmen etwas bringen, ist gering“, sagte auch Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD), „das eigentliche Problem liegt im Individualverkehr.“ Die Autoindustrie müsse den Stickoxidausstoß der Diesel-Pkw verringern. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) forderte die Einführung der „blauen Plakette“, damit nur noch emissionsarme Fahrzeuge in die Innenstädte fahren dürften.
Was sagt die Berliner Politik?
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) bezeichnet das Treffen zwar als „wichtigen Schritt“, sieht aber noch einen „weiten Weg für Politik und Industrie“. Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) hingegen sieht die Abgasprobleme der Städte nicht gelöst. Es dürfe nicht aus dem Blick geraten, dass die Grenzwerte kurzfristig eingehalten werden müssten. Sowohl Müller als auch Günther fordern, dass weitere Bundesmittel regelmäßig fließen, Günther will Diesel-Fahrverbote künftig nicht ausschließen.
Welche Kommunen haben bereits Maßnahmen ergriffen?
Unter anderem unternimmt Dortmund besondere Anstrengungen, um den elektrischen Verkehr auszubauen. Die Stadt hat beschlossen, 20 Prozent des städtischen Fuhrparks zu elektrifizieren. Derzeit fahren bereits 27 öffentliche E-Autos, acht weitere kommen bald. In Regensburg gibt es ein Programm, das sich auf elektrische Taxis und ein umfangreiches Netz von Ladesäulen für Pkw konzentriert.
Welche Städte sind besonders betroffen?
Das beschlossene Eine-Milliarde-Euro-Programm gilt grundsätzlich für alle Städte, in denen die Grenzwerte überschritten werden, kündigte Kanzlerin Merkel an. Derzeit sind das rund 70 Städte – darunter fallen: Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln, München und Frankfurt/Main.