Berlin. Das TV-Duell Merkel-Schulz ist gelaufen. Wer überzeugte wo? Wer hatte das beste Argument, wer den stärksten Spruch? Der Duell-Check.
Fast 100 Minuten lieferten sich Kanzlerin Angela Merkel und ihr Herausforderer Martin Schulz ein Duell mit Worten – live im Fernsehen, auf vier Sendern parallel. Wahlkampf total. Wir haben die Kontrahenten einem Check unterzogen. Wer konnte wo überzeugen? Wer kaufte dem anderen den Schneid ab? Und wie schlugen sich die vier Moderatoren? Der Überblick:
• Das Outfit:
Angela Merkel: Himmelblaues Sakko, schwarze Hose. Die Kanzlerin wie man sie kennt. Auf ein optisches Statement wie mit ihrer „Deutschlandkette“ beim Duell gegen Peer Steinbrück vor vier Jahren verzichtete Merkel diesmal.
Martin Schulz: Blauer Anzug, blaue Krawatte, die gewohnte Brille – der Herausforderer ging auf Nummer sicher. Modische Extravaganzen waren von dem Mann aus Würselen ohnehin nicht zu erwarten. Schulz blieb Schulz.
• Der beste Spruch:
Angela Merkel: „Ich habe nicht die Absicht, die diplomatischen Beziehungen zur Türkei abzubrechen, nur weil wir im Wahlkampf sind und zeigen müssen, wer ist der Härtere.“ (Ihre Reaktion auf Schulz’ Forderung, gegenüber dem türkischen Präsidenten Erdogan „klare Kante“ zu zeigen)
Martin Schulz: „Wahrscheinlich haben wir im stillen Kämmerlein beide gebetet heute.“ (Auf die Moderatoren-Frage an beide, ob sie am Sonntag in der Kirche gewesen wären)
• So punktete Angela Merkel:
Merkel, die Teflon-Kanzlerin. Sie wandte sich beim Thema Zuwanderung „an die vielen“, die dazu beigetragen hätten, dass die Integration gelinge, „die Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen“. Merkel umarmte die Zuschauer. Die Fragen der Moderatoren tropften meist von ihr ab. Beim Thema Zuwanderung blieb sie souverän, auch als Schulz sie direkt ansprach und ihr vorwarf, die Nachbarn in der EU „nicht früh genug einbezogen zu haben“. In Sachen Erdogan fand sie deutliche Worte. Als es kurz um die Pkw-Maut ging, wirkte Merkel ungewohnt unsouverän. Auffallend: Merkel gab sich offen, oft lächelnd, zugewandt. Ein Kontrast zum bisweilen fast griesgrämig dreinblickenden Schulz.
• So punktete Martin Schulz:
Schulz, der Herausforderer, der attackieren wollte, legte zunächst einmal den Rückwärtsgang ein. Den Satz, Merkel habe einen „Anschlag auf die Demokratie“ begangen, erklärte Schulz ganz am Anfang, würde er heute „in dieser Schärfe nicht nochmal sagen“. Respektabel – aber defensiv. Mit seinem Angriff auf Merkel in Sachen Zuwanderung („Sie haben die Nachbarn in der EU vor vollendete Tatsachen gestellt“) verfing nicht richtig. Dagegen wirkte er beim Thema Türkei-Konflikt mit seinem Plädoyer für einen Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen entschlossener als Merkel. Sein spektakulärster Verbal-Angriff bezog sich auf die Pkw-Maut – sicher, ein wunder Punkt Merkels, aber viele Autofahrer haben heute (siehe drohende Fahrverbote) ganz andere Probleme.
• Der Versprecher des Abends:
„Ich bin verliebt ins Gelingen, nicht ins Scheitern“, sagte Martin Schulz. Damit zitierte der SPD-Chef einen Satz seines Vorgängers als Merkel-Herausforderer, Peer Steinbrück. Der war vor vier Jahren dramatisch gescheitert – nach einem katastrophalen Wahlkampf. Kein gutes Vorbild also als Motto-Geber. Da grinste Merkel und – Schulz musste selbst schmunzeln.
Merkel und Schulz im Fernsehduell
• Die Moderatoren:
ARD-Talkerin Sandra Maischberger landete einen Überraschungscoup, als sie fragte: „Ist einer von Ihnen in der Kirche gewesen heute?“ Da kamen beide Kontrahenten ins Stottern. Das saß! Sat.1-Mann Claus Strunz hakte bei Martin Schulz einmal hartnäckig nach. Insgesamt lieferte das von Peter Kloeppel (RTL) und Maybrit Illner (ZDF) komplettierte Quartett eine routinierte Vorstellung. Es bliebt die schon vor vier Jahren oft gestellte Frage, ob es unbedingt vier Fragesteller sein müssen. Zwei Moderatoren mit etwas mehr „Beinfreiheit“ täten es auch.
• Die Schlussworte:
Angela Merkel: „Die Neugier auf das Neue. Ich möchte arbeiten für Sie. Und einen schönen Abend noch.“ Merkel, die Kanzlerin von nebenan.
Martin Schulz: „Das beste Mittel ist der Mut zum Aufbruch. Gerechtigkeit, Zusammenhalt, Sicherheit und Frieden in der Welt.“ Schulz selbst hatte keinen Mut zur Attacke.
• Das Fazit:
Der große Showdown, wie manche ihn vorausgesehen hatten, war es nicht. Die Maxime auf beiden Seiten: nur keine Fehler machen. Merkel war ganz die Kanzlerin, bisweilen sogar fast präsidial. Schulz verbuchte den einen oder anderen Punkt, doch den großen Umschwung dürfte das Duell für ihn nicht gebracht haben. Insgesamt waren die Unterschiede zwischen den jeweiligen Positionen kaum erkennbar. Unsere Prognose: Die beiden sehen sich wieder – in einer großen Koalition.