Düsseldorf/Berlin. Vor dem zweiten „Diesel-Gipfel“ steigt die Nervosität in Städten mit hoher Schadstoff-Belastung. NRW fordert eine schnelle Umrüstung von Bussen.
Das Ringen um saubere Luft in den Innenstädten und um das Verhindern von Fahrverboten geht weiter. Einen Monat nach dem ersten „Diesel-Gipfel“ mit der Autoindustrie lädt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag mehrere Ministerpräsidenten, Bundesminister und 30 Oberbürgermeister zu einem kommunalen Autogipfel nach Berlin. Das Land NRW und Revierstädte wie Essen, Gelsenkirchen, und Oberhausen schauen diesem Termin mit Bangen entgegen. Denn die Deutsche Umwelthilfe geht in NRW inzwischen juristisch gegen mehr als 20 Städte vor, in denen die Grenzwerte für Luftschadstoffe deutlich überschritten werden.
Im und am Landtag war die Diesel-Krise am Freitag ständig präsent. Vor dem Parlament demonstrierten grüne Politiker aus Land und Bund und forderten „Saubere Luft statt dreckige Deals“. Innen stellte sich Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) vor die Presse und kündigte einen raschen Ausbau der Elektromobilität an.
Am Nachmittag schließlich versammelte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) das Spitzenpersonal zahlreicher Städte um sich, in denen Fahrverbote drohen: Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Köln, Wuppertal, Düren und Oberhausen.
Streit um die Blaue Plakette
Hinter verschlossener Tür bereiteten sie sich stundenlang auf den Termin bei der Kanzlerin vor. Dabei kam offenbar ein Plan auf den Tisch, den NRW schon lange verfolgt: Schon kurz vor dem ersten „Diesel-Gipfel“ Anfang August hatte Laschet ein von Bund und Autoindustrie finanziertes Förderprogramm zur Umrüstung von Nahverkehrsbussen ins Gespräch gebracht: Mit 300 Millionen Euro könnten bundesweit 24 000 Diesel-Busse umgerüstet werden. „Das hätte eine schnelle Wirkung“, findet der Ministerpräsident.
Wirtschaftsminister Pinkwart setzt voll auf freiwillige Anreize, um die Elektromobilität zu fördern und Fahrverbote abzuwenden. Für Modellvorhaben und Wettbewerbe für mehr „emissionsfreie Mobilität“ stünden 80 Millionen Euro zur Verfügung. Außerdem werde im Herbst ein 20-Millionen-Sofortprogramm „Elektromobilität“ für Städte, Handwerker, Unternehmen und Privatleute aufgelegt. Damit sollen Ladestationen und die Umrüstung der Fahrzeugflotten auf Elektroantriebe unterstützt werden. 1600 öffentliche E-Ladestationen gebe es derzeit in NRW. Das Land strebt eine Verdoppelung der Zahl in drei Jahren an. Mit Bundesmitteln, sagte Pinkwart, sei sogar eine Verdreifachung bis zum Jahr 2020 möglich.
Von 89 Krisen-Städten liegen 31 in NRW - vorwiegend im Revier
Mit gelben Ortseingangsschildern im Dunst einer Nebelmaschine positionierten sich die Grünen am Freitag vor dem Landtag, um kurz vor dem zweiten Dieselgipfel auf die Stickstoffbelastung der NRW-Kommunen hinzuweisen: Von den 89 deutschen Städten, in denen die Grenzwerte überschritten werden, liegen 31 in NRW – vorwiegend an Rhein und Ruhr. „Es kann nicht sein, dass das Tricksen der Automobilindustrie jetzt bei den Kommunen abgeladen wird“, sagte Oliver Krischer, Vize-Vorsitzender der Grünen-Bundestagsfraktion. Um gerichtlich angeordnete Fahrverbote zu verhindern, müssten die Autofirmen in die Verantwortung genommen werden und die Diesel-Fahrzeuge nachrüsten. Auf Landes- und Bundesebene fordern die Grünen eine echte „Mobilitätswende“: „Wir brauchen eine ganz neue Verkehrspolitik, die wegkommt von schmutzigen Dieseln, hin zur nachhaltigen Mobilität“, so Krischer. Dazu gehört für die Grünen der weitere Ausbau der Radschnellwege, die Umstellung der Busflotten auf emissionsfreie Fahrzeuge sowie die Einführung der Blauen Plakette durch die Bundesregierung.
Um diese Kennzeichnung für besonders saubere Fahrzeuge tobt vor dem Treffen in Berlin ein heftiger Streit. Grüne und Deutsche Umwelthilfe fordern die Blaue Plakette. Für Minister Pinkwart ist sie schlicht unakzeptabel: „Wir brauchen keinen Zwang, keine Verbote, keine neuen Plaketten“, sagte er. Der Deutsche Städtetag hingegen wünscht sich die Einführung dieser neuen Kennzeichnung: „Wir brauchen die Blaue Plakette, damit wir im Fall der Fälle die guten von den schlechten Dieselautos unterscheiden können“, erklärte Geschäftsführer Helmut Dedy.