Essen. . Essen und Mülheim verschmelzen ihre Nahverkehrsbetriebe zu einem einzigen Unternehmen. Kritiker warnen vor zu großen Erwartungen an die Ruhrbahn.

Die Erwartungen an das neue Unternehmen sind groß. Wenn am kommenden Freitag die Ruhrbahn GmbH offiziell Fahrt aufnimmt, schaut die gesamte Region zu. Denn die laut Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) „erste Fusion zweier Verkehrsbetriebe seit 100 Jahren“ setzt auch ein Zeichen gegen die oft beklagte kommunale Kleinstaaterei im Ruhrgebiet. Kritiker glauben freilich, dass der Weg zu einem Revier-ÖPNV aus einem Guss kompliziert bleibt. Ein Überblick.

Eine Frage der Größe

Die „Ruhrbahn“ entsteht aus der Verschmelzung der beiden kommunalen Nahverkehrsbetriebe in Essen und in Mülheim. Offizieller Start ist der 1. September. Die altbekannten Namen EVAG (Essen) und MVG (Mülheim) verschwinden. Mit jährlich rund 151 Millionen Personenbeförderungen setzt sich die Ruhrbahn GmbH auf ei­nen Schlag an die Spitze der dann noch neun Nahverkehrsunternehmen im Revier und überholt den bisherigen Marktführer Bogestra (146 Millionen Fahrten) und die Dortmunder Stadtwerke (134 Millionen Fahrten).

Im dritten Versuch

Es ist bereits der dritte Anlauf für eine Kooperation des Nahverkehrs im westlichen Ruhrgebiet. Anfang des Jahrtausends scheiterte der Plan, die Verkehrsbetriebe der MEO-Region (Mülheim, Essen und Oberhausen) unter einen Hut zu bekommen. Mit großen Hoffnungen versehen ging 2004 dann das Projekt VIA an den Start. Doch der gemeinsamen Dachgesellschaft der Verkehrsbetriebe Essen, Mülheim und Duisburg zogen die Duisburger 2016 den Stecker. Offiziell machte die Stadt dafür rechtliche Probleme bei der Querfinanzierung des ÖPNV durch den örtlichen Energieversorger geltend. Inoffiziell war auch von atmosphärischen Störungen die Rede.

Chancen und Risiken

Die Gründung der Ruhrbahn wird allgemein begrüßt. Der Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR) sieht die Fusion positiv. Der Zusammenschluss sei eine Chance für den ÖPNV in beiden Städten, teilte der VRR am Montag auf Anfrage dieser Zeitung mit. Durch die Nutzung von Synergien zwischen den beiden Verkehrsunternehmen könne mit der Ruhrbahn GmbH eine leistungsstarke Verkehrsgesellschaft entstehen. „Dies ist umso wichtiger, als die Bedeutung des ÖPNV in der Region in den kommenden Jahren eher zu- als abnimmt“, so der VRR. Auch der Fahrgastverband Pro Bahn NRW begrüßt die Fusion, warnt jedoch vor zu hohen Erwartungen. „Syn­ergieeffekte allein reichen nicht, um das erhoffte Sparvolumen zu erreichen, das dann auch den Fahrgästen zugute kommt“, sagte Pro-Bahn-Sprecher Lothar Ebbers. Mit rund 2500 Mitarbeitern habe die Ruhrbahn GmbH aktuell deutlich mehr Personal als die Dortmunder Stadtwerke mit fast vergleichbarem Leistungsangebot, betonte Ebbers.

Ein Modell fürs Revier?

Obwohl die Ruhrbahn selbst nur eine abgespeckte Version des ursprünglichen VIA-Dreibundes mit Duisburg ist, hatten Essens Oberbürgermeister Kufen und sein Mülheimer Amtskollege Ulrich Scholten (SPD) bei der Vorstellung der Pläne vor einem Jahr kühn auch eine einheitliche Verkehrsgesellschaft für das Ruhrgebiet als Fernziel ins Gespräch gebracht. Andernorts im Revier stoßen derlei Gedankenspiele freilich regelmäßig auf Zurückhaltung. Bochum und Dortmund verweisen stets auf bereits bestehende Kooperationsmodelle etwa bei der Fahrzeugbeschaffung. Auch für Pro-Bahn-Sprecher Ebbers ist ein zentrales Verkehrsunternehmen nicht zielführend. Besser sei es, die von den Kommunen verabschiedeten Nahverkehrspläne zu synchronisieren.

>> IM ZEICHEN DES FÖRDERTURMS

Mit 237 Bussen, 184 Bahnen, drei U-Bahnlinien, elf Tramlinien und 84 Buslinien ist die Ruhrbahn einer der größten Nahverkehrsbetriebe in Deutschland. Fahrzeuge, Ticketautomaten und Haltestellen in Essen und Mülheim werden nach und nach umgeflaggt. Im Internet ist das fusionierte Unternehmen ab 1. September präsent.

Fahrgäste merken von der Fusion ansonsten wenig. Tickets aus dem Automaten zeigen ab Freitag das neue Ruhrbahn-Logo mit dem stilisierten Doppelbock-Förderturm der Essener Zeche Zollverein. Alle bereits gekauften Tickets und sämtliche Zeitkarten behalten ihre Gültigkeit. „Abo-Kunden wurden aber informiert“, so eine EVAG-Sprecherin.