Düsseldorf. . Die neue NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) will den Unterrichtsausfall an den Schulen digital erfassen und die Inklusion stärker steuern.
Ihre erste Pressekonferenz als Schulministerin wollte Yvonne Gebauer ausdrücklich nicht im Düsseldorfer Landtag geben, sondern im „Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung“. Klassenzimmer, Tafel, Schul-Atmosphäre – die FDP-Politikerin braucht solche Bilder. Anders als alle ihre Amtsvorgängerinnen der vergangenen 20 Jahre ist Gebauer selbst nie Studienrätin gewesen. Die 51-jährige Kölnerin ist gelernte Kauffrau, die Management-Fähigkeiten auf drei schulpolitischen Großbaustellen unter Beweis stellen muss.
Gebauer baute jedoch zunächst vor: „Angesichts der Größe der Herausforderungen und Probleme, die uns die Vorgängerregierung hinterlassen hat, werden wir über Nacht keine Wunder vollbringen können.“
Inklusion
CDU und FDP wollen die chaotischen Zustände bei der Integration von behinderten Kindern in den Regelunterricht beenden. Mehr als 43 Prozent der Schüler mit Handicap besuchen heute eine Regelschule, vor zehn Jahren waren es nicht einmal zwölf. Die Zahl der Förderschulen in NRW hat sich durch den Rechtsanspruch auf Inklusion binnen zehn Jahren fast halbiert. „Es haben sich viel zu viele Schulen auf den Weg gemacht, inklusiv zu unterrichten“, sagte Gebauer. Es fehlt an Ausstattung und sonderpädagogischem Personal. Die Qualität der Betreuung müsse wieder „Taktgeber“ der Inklusion werden, nicht der politische Wille, sagte die Schulministerin.
In einem ersten Schritt hat die neue Landesregierung die Mindestgrößen für Förderschulen abgesenkt. Von 17 Förderschulen, die in diesem Sommer auslaufen sollten, konnten jedoch nur eine in Münster sowie zwei Teilstandorte in Duisburg und Köln gehalten werden. Das letzte Wort haben eben die Kommunen. Laut Lehrergewerkschaft GEW fehlen landesweit 7000 Sonderpädagogen, so dass kleine Förderschulen oft gar nicht einfach weiterbetrieben werden können.
Gebauer will mit einem Fragebogen den Überblick gewinnen, wie und wo inklusiv unterrichtet wird. Das Ziel: Ressourcen bündeln, Schwerpunktschulen bilden, Förderschulen als wichtige Spezialangebote erhalten. Das Instrument: Das Stellenkontingent an Sonderpädagogen und Sozialarbeitern soll vom üblichen Lehrerpool abgekoppelt werden. So kann das Land besser steuern, wo Inklusionsschwerpunkte entstehen.
Turbo-Abitur
Ab dem Schuljahr 2019/2020 wird aufwachsend ab Klasse 5 das Abitur nach neun Gymnasialjahren (G9) in NRW wieder die Regel. Gymnasien können jedoch bei G8 bleiben, wenn die jeweilige Schulkonferenz (Vertretung der Lehrer, Eltern, Schüler) mit Zwei-Drittel-Mehrheit dafür votiert. Spätestens nach den Sommerferien 2018 soll klar sein, welches Gymnasium welchen Weg (G8 oder G9) zum Abitur anbietet.
Die heutigen Viertklässler, die bereits im Sommer 2018 und damit ein Jahr vor der Gesetzesänderung ans Gymnasium wechseln, stellen einen Sonderfall dar. Sie sollen ab Klasse 6 in den G9-Zweig gleiten und damit auch kein „Turbo-Abitur“ mehr machen müssen. Gebauers Problem: Die Eltern dieser Kinder können bei der Anmeldung am Gymnasium im Herbst 2017 noch gar nicht wissen, ob ihr Gymnasium 2019 zu G9 zurückkehrt oder nicht. Das neue Schulgesetz und die schulinterne Entscheidung liegen da noch nicht vor.
Die für die G9-Rückkehr benötigten rund 2000 Lehrer extra und die zusätzlichen Klassenräume werden laut Gebauer erst im Schuljahr 2026/27 fällig, wenn der erste G9-Jahrgang ins 13. Schuljahr wechselt. Deshalb bleibe ausreichend Zeit, sich vorzubereiten.
Unterrichtsausfall
Im Schuljahr 2017/18 soll der Unterrichtsausfall noch einmal mit der Methode der rot-grünen Vorgängerregierung gemessen werden – einer zehntägigen Erfassung in einem landesweit rollierenden System. Gebauer vertraut dieser Methode jedoch ebenso wenig wie der bisher gemessenen Stundenausfall-Quote von nur 1,8 Prozent. „Ich habe immer große Zweifel an dieser Zahl gehabt“, sagte sie.
Die neue Ministerin will eine digitale Erfassung jeder ausgefallenen Stunden an jeder Schule. Verbindliche Kriterien für Unterrichtsausfall lässt sie nun erarbeiten. Zudem fehlt es an Technik: Die Software zur Erfassung von Unterrichtsausfall auf Knopfdruck ist bislang erst an 1000 von 6000 NRW-Schulen im Einsatz.
>> DAS NEUE SCHULJAHR IN ZAHLEN
1,96
Millionen Schüler starten laut Schulministerium ab kommender Woche an den allgemeinbildenden Schulen ins neue Schuljahr, darunter 640 000 Grundschüler. Hinzu kommen 570 000 Berufsschüler.
6000 Schulen gibt es in NRW. Unterrichtet werden die Schüler von insgesamt 200 000 Lehrern.
530 000
Gymnasiasten machen das Gymnasium zur beliebtesten weiterführenden Schulform.
310 000 Schüler besuchen Gesamtschulen. Auf Realschulen gehen 220 000, auf Haupt- und Förderschulen jeweils 75 000 Schüler. Zudem gibt es 50 000 Schüler an Sekundarschulen sowie 19 000 Waldorfschüler.