Duisburg/Essen. . 2018 muss die Mehrheit der Pflegebedürftigen in Einzelzimmern leben. Träger haben Millionen in Umbauten investiert – doch vielerorts reicht das nicht.

Das Duisburger Altenzentrum Ruhrort wird von ei­nem ehrwürdigen Gebäude beherbergt. Vor knapp 130 Jahren errichtet, zog erst das Königliche Landratsamt in dieses villenartige Haus mit Blicknähe zum Rhein, später die Industrie- und Handelskammer. 1992 kam das Evangelische Christophoruswerk und baute das Gebäude für damals mehrere Millionen Mark zum Altenzentrum um – für 50 Senioren mit 18 Doppel- und 14 Einzelzimmern.

In den 90er-Jahren mag das noch Standard gewesen sein – heute gelten so viele Doppelzimmer als veraltet und sind künftig vom Gesetzgeber sogar untersagt: Ab 2018 müssen Altenheime in NRW für die Mehrheit ihrer Bewohner Einzelzimmer anbieten. Zum 31. Juli treten höhere verbindliche Standards in Kraft, nach denen Bäder umgebaut, Gemeinschaftsflächen vergrößert sein müssen – und nur noch jedes fünfte Zimmer, also maximal 20 Prozent, mit zwei Pflegebedürftigen belegt sein darf.

Mindestens 300 Einrichtungen müssen Plätze abbauen

In Ruhrort weiß Wilfried Stoll vom Christophoruswerk schon jetzt: „Wir werden diese Einzelzimmerquote nicht rechtzeitig erfüllen können.“ Wie ihm geht es landesweit zahlreichen Heimbetreibern: Jedes zehnte der rund 870 privaten Pflegeheime ist nach Angaben der Interessenverbände noch nicht so modernisiert, dass es bei gleichbleibender Pflegeplatzanzahl die Einzelzimmerquote erfüllt. Unter den 1750 städtisch oder von Sozialverbänden betriebenen Zentren sind es sogar bis zu 20 Prozent. Hochgerechnet müssten Mitte 2018 mindestens 300 Einrichtungen Plätze und Personal abbauen, schätzt Wilfried Kehrbach von der Diakonie NRW. „Sie bekommen damit wirtschaftliche Probleme.“ Denn langjährig angelegte Finanzierungen werden durchkreuzt.

Die Quote geht zwar bereits auf das Landespflegegesetz von 2003 zurück. Weil bis 2014 aber nur 60 Prozent der Heime erneuert waren, besserte die damalige rot-grüne NRW-Regierung nach: Mit dem 2014 verabschiedeten Alten- und Pflegegesetz konnten Heimbetreiber ihre Investitionskosten doppelt so schnell wie bisher über den Pflegesatz refinanzieren – mit vier statt zwei Prozent jährlich. Das sollte den Investitionsstau auflösen.

Träger fordern dreijährigen Aufschub vom Land

Die Zeit seitdem sei zu knapp bemessen gewesen, kritisiert Otto Ludorff vom Verband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen. „Es ist viel investiert worden und die Mehrheit der Heime schafft die Quote, die wir ja auch begrüßen“, so Ludorff. Nötig sei aber ein dreijähriger Aufschub für jene Träger, die nicht nachkommen. Oft fehlten ihnen Baugründstücke, auch sei es seit der Gesetzesnovelle von 2014 komplizierter geworden, Modernisierungskosten über den Pflegesatz auf die Bewohner umzurechnen. Das verzögere Investitionen.

© Miriam Fischer

Hans Peter Knips vom NRW-Verband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) rechnet damit, dass bis zu 10 000 der knapp 177 000 Pflegeplätze wegfallen, wenn die Einzelzimmerquote konsequent umgesetzt würde. „Der Bau eines Pflegeheims muss in NRW insgesamt einfacher werden.“ Knips setzt auf den von Schwarz-Gelb angekündigten Bürokratieabbau.

Gesundheitsministerium lehnt Aufschub ab

Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) lehnt einen Aufschub ab. Sein Ministerium verweist zudem auf eine Umfrage unter 650 ins Straucheln geratenen Altenheimen. Von 516 hätten nur 72 angegeben, dass sie die Quote wohl nicht fristgerecht umsetzen. Derweil würde dort niemand „auf die Straße gesetzt“. Freiwerdende Plätze in Doppelzimmern dürfen aber solange nicht neu belegt werden, bis die Vorgaben erfüllt ist.

In Duisburg-Ruhrort hofft Wilfried Stoll indes auf eine Ausnahme: Das Christophoruswerk baut bereits an einem neuen Heim, weil sich die Sanierung des alten nicht mehr rechnet. Fertig wird der Neubau mit dann 80 Plätzen und ausreichend Einzelzimmern aber erst 2019. „Wir wollen unser altes Haus so lange betreiben, bis das neue fertig ist“, so Stoll. „Da kann doch keiner etwas gegen haben, oder?“