Washington. Rückzieher vom Rückzieher: US-Präsident Donald Trump verwirrt in der brisanten Rassismus-Debatte sogar seine eigenen Parteifreunde.
- Donald Trump relativiert seine Distanzierung von Rassisten
- Linke und Rechte hätten gleichermaßen Schuld an der Gewalt beim Neonazi-Aufmarsch in Charlottesville, so der US-Präsident
- Parteifreunde sind irritiert
Einen Tag nach seiner von vielen Amerikanern als unaufrichtig, halbherzig und gezwungen empfundenen Distanzierung von Rechtsextremisten und Rassisten wie dem Ku-Klux-Klan hat US-Präsident Donald Trump am Dienstagabend einen Rückzieher gemacht. Damit stehen nach den tödlichen Ereignissen von Charlottesville bis in die republikanische Partei die Zeichen auf Sturm.
Bei einer aus dem Ruder gelaufenen Pressekonferenz in New York sagte Trump wie schon am Wochenende, Linke und rechte Gewalttäter hätten gleichermaßen Schuld am Vorfeld der Tragödie, bei der eine linke Demonstrantin von einem Neonazi mit dem Auto überfahren wurde und zwei Polizisten in einem zur Überwachung eingeteilten Hubschrauber abstürzten. Führende TV-Sender wie NBC widmeten dem Schlagabtausch 15 Minuten am Stück in der wichtigsten Nachrichtensendung.
Trump löst Befremden aus
Dass Trump seine Kritik an den gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Universitätsstadt in Virginia plötzlich wieder auf „beide Seiten“ verteilte, nachdem er am Montag noch auf öffentlichen Druck Neonazis und Vertreter der Theorie vom weißen Herrenmenschen in den Fokus nahm, löste in Washingtoner Politik-Zirkeln Befremden aus. Zumal Trump sein langes Zögern vor einer klaren Stellungnahme nach der tödlichen Amokfahrt des Neonazis James Alex Fields plötzlich mit Wahrheitsliebe zu erklären versuchte. „Ich wollte sicher sein, dass das, was ich sage, korrekt ist“, sagte er, und fügte hinzu, bis heute seien immer noch nicht alle Fakten bekannt.
Bis in die eigenen Reihen, wo sich prominente Republikaner wie Senator Marco Rubio oder der Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, gegen Relativierung oder Verharmlosung der Ultrarechten wandten, traf die Erklärung auf zynischen Spott: „Trump - und korrekt, das wäre ja ganz neu.“
„Trump misst mit zweierlei Maß“
Trump hatte in den vergangenen Jahren bei Attentaten weltweit via Twitter in Windeseile regelmäßig radikale Muslime vorverurteilt, auch wenn die Fakten noch nicht klar waren oder sich später anders herausstellten. „Der Präsident misst mit zweierlei Maß“, sagen mehrere Republikaner.
Sie drücken insbesondere ihr Unwohlsein darüber aus, dass sich mit David Duke (Ex-Ku-Klux-Klan-Führer) und Richard Spencer (Sprachrohr der ethno-nationalistischen Altright-Bewegung) zwei prominente Rechtsextremisten prompt bei Trump für dessen Linken-Bashing ausdrücklich bedankten und die Szene noch mehr im Aufwind sehen. Der Präsident erfand dafür sogar einen neuen Terminus: „Alt-Left“, eine radikale alternative Linke.
Trump beleidigt Journalisten
Trump wirkte bei seinem Auftritt, der seinen am Rande stehenden neuen Stabschef John Kelly erkennbar fassungslos machte, sehr gereizt. Er beleidigte Journalisten als „unwissend“, redete sich in Rage und bewegte sich dabei in der Sache auf dünnem Eis.
Entsetzen und Trauer in Charlottesville
So will Trump bei der von der Polizei aus Gründen der öffentlichen Sicherheit kurzfristig abgesagten Demo in Charlottesville auch „feine Menschen“ gesehen haben, die gegen den Abbau der umstrittenen Bürgerkriegs-Reiterstatue des Südstaatengenerals Robert E. Lee protestiert hätten – und nicht nur gewaltbereite Rassisten und Nationalisten. US-Medienvertreter, die am vergangenen Samstag vor Ort waren, bezeichneten die Darstellung als „kompletten Unsinn“. 95 Prozent der Rechten, sagten auch Polizeivertreter vor Ort, seien von auswärts in der klaren Erwartung auf Gewaltexzesse mit der Antifa angereist.
Streit um Denkmäler
Trump äußerte zudem viel Verständnis für die Pro-Denkmal-Fraktion. Wo ende es, wenn künftig überall Relikte aus einer prägenden Epoche des Landes einfach entsorgt würden, fragte Trump sinngemäß mit Blick auf rund 700 Denkmäler der im Bürgerkrieg sieglosen Konföderierten.
Dass nach dem neunfachen Mordanschlag des bekennenden Nationalisten und Rechtsradikalen Dylan Roof in einer schwarzen Kirche in Charleston 2015 rund 70 Städte in den USA besagte Denkmäler entfernten, weil sie Magneten für Neonazis sind und ganze Stadtgesellschaften spalten, ließ Trump unerwähnt.
Ebenso die Tatsache, dass der Stadtrat von Charlottesville auf demokratischem Weg den Verkauf der Statue längst beschlossen hat. Auch der Umstand, dass Rechtsextremisten laut Polizei gegen Auflagen verstießen und somit den Abbruch der Solidaritätsbekundung für das Lee-Denkmal in Charlottesville selbst verschuldeten, war Trump keine Erwähnung wert.
Blutige Proteste in Charlottesville