Berlin. . Den entscheidenden Satz sagt Hubertus Heil zum Schluss. Fast scheint es so, als würde er dem SPD-Generalsekretär nur so herausrutschen. Es ist der ehrlichste Satz bei dieser Veranstaltung in der SPD-Parteizentrale, weil er das Dilemma der Sozialdemokraten, in dem sie stecken, am besten beschreibt: „Es gibt keine Wechselstimmung“, sagt Heil. Und fügt schnell hinzu: „Das wäre auch komisch, wir regieren ja noch mit.“

Den entscheidenden Satz sagt Hubertus Heil zum Schluss. Fast scheint es so, als würde er dem SPD-Generalsekretär nur so herausrutschen. Es ist der ehrlichste Satz bei dieser Veranstaltung in der SPD-Parteizentrale, weil er das Dilemma der Sozialdemokraten, in dem sie stecken, am besten beschreibt: „Es gibt keine Wechselstimmung“, sagt Heil. Und fügt schnell hinzu: „Das wäre auch komisch, wir regieren ja noch mit.“

Keine Wechselstimmung, das bedeutet, dass die Wähler eigentlich keine andere Bundesregierung haben wollen, jedenfalls keine andere Bundeskanzlerin. Für einen SPD-Generalsekretär macht das den Bundestagswahlkampf zu einer fast unlösbaren Aufgabe. Wie soll er den Spitzenkandidaten Martin Schulz aus der großen Koalition heraus dorthin bringen, wo jetzt noch Angela Merkel regiert: ins Kanzleramt?

Hubertus Heil gibt sich jedenfalls alle Mühe, dass diese Aufgabe doch noch gelingt. Er steht am Dienstag auf einer Bühne im Willy-Brandt-Haus und soll die Plakate präsentieren, mit denen die SPD die Wähler in den nächsten Wochen begeistern will. Der Generalsekretär ist wie ein Showmaster ausgestattet und drückt einen Knopf, damit ein Plakatmotiv nach dem anderen erscheint.

Am Leitmotiv Gerechtigkeit will die SPD festhalten

Für die SPD ist der Termin der offizielle Start in den Wahlkampf. Die SPD und ihr Kandidat Martin Schulz seien stark und bereit, das Kanzleramt zu erobern, sagt Heil, und das entscheidende Thema dafür sei das der Gerechtigkeit. „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ steht auf den Bannern, die im Lichthof des Willy-Brandt-Hauses hängen. An diesem Leitmotiv will die SPD bis zur Bundestagswahl festhalten.

Vom Kandidaten selbst ist an diesem Tag nichts zu sehen, jedenfalls nicht live und im Willy-Brandt-Haus. Schulz taucht nur als Silhouette auf Flugblättern und Werbematerial auf. Er sei „im Wahlkampf unterwegs“, antwortet Heil auf Fragen der Journalisten. Und es sei unüblich, dass der Kandidat seine eigenen Plakate vorstelle.

Also ist es Heil, der vorführt, wie die SPD in den kommenden Wochen Stimmung für sich machen will. Die Motive, die er zeigt, sind recht konventionell, sie zeigen eine Montagearbeiterin, eine weitere Frau und ihre Mutter sowie ein Mädchen, das Hausaufgaben macht. Sie sollen Lohngerechtigkeit, Generationengerechtigkeit und Bildungsgerechtigkeit verkörpern. Zwei schreiende Kinder sollen die Familienpolitik symbolisieren, die auch gerecht sein soll. Ein Mann, der in die Luft guckt, soll für die Innovationspolitik stehen, aber was daran gerecht sein soll, kann auch Heil nicht richtig erklären. Auf jeden Fall wolle man den Bürgern ein positives Gefühl von der Zukunft vermitteln: „Wir machen keine Kampagne, die den Menschen Angst macht oder die Stimmung verdüstert.“

Nun hat Schulz in der vergangenen Woche auch die Flüchtlingspolitik zum Wahlkampfthema erklärt. Die Lage sei „hochbrisant“, hatte Schulz gesagt und Kanzlerin Merkel dafür kritisiert, wie sie die Grenze für Flüchtlinge geöffnet hat. Das klang wenig zukunftsfroh und ein bisschen nach AfD.

Die SPD will auf Plakate zu diesem Thema verzichten. Der Generalsekretär versucht, um das Thema herumzureden. Heil betont aber noch einmal, dass die Flüchtlingspolitik „seit Jahren in Europa nicht gelöst“ sei. Es drohe der Zerfall Europas. Auch der Diesel-Skandal soll erst einmal kein Thema im Wahlkampf werden, jedenfalls nicht auf den großen Plakaten.

Die Umfrageinstitute sehen die Partei wie einbetoniert bei 24 Prozent, vom Schulz-Hype Anfang des Jahres ist nichts mehr übrig. Heil glaubt trotzdem, die gute Stimmung vom Januar sei noch zu spüren und verweist auf die 22 000 neuen Mitglieder, die seit der Nominierung von Martin Schulz in die SPD eingetreten seien. Wahlen würden im Endspurt gewonnen. Und auf den sei man vorbereitet. Das habe die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz 2016 gezeigt. Auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo im vergangenen September gewählt wurde, habe die SPD lange bei 22 Prozent gelegen und habe „mit 30 Prozent die Wahl gewonnen“. Nimmt man Heil an dieser Stelle beim Wort, dann hat er das Wahlziel der SPD für die Bundestagswahl mit diesem Satz nicht nur gesenkt, sondern peilt erneut eine große Koalition an – in Schwerin regiert die SPD mit der CDU.

Damit die SPD im Bund noch ein paar Prozentpunkte zulegt, wird sich Spitzenkandidat Schulz auf Deutschlandreise begeben. Über 30 Tage lang soll er an 60 Orten auftreten. Mehr als 20 000 Kilometer werde er bei seiner „Live-Tour“ zurücklegen, wie Bundesgeschäftsführerin Juliane Seifert es formuliert und lässt auf der Leuchtwand auf einer Deutschlandkarte 60 Punkte aufleuchten – die meisten davon in NRW. Der Start sei am 8. August in Dresden, das Ende am 22. September in Berlin. Am 23. September, einen Tag vor der Bundestagswahl, werde Schulz als „Bonus-Track“ in Aachen auftreten, nahe seinem Heimatort Würselen: der Kandidat als Popstar.

24 Millionen Euro lässt sich die SPD ihre Wahlkampagne kosten, vier Millionen mehr als die CDU.