Berlin. . Experten sehen den Diesel als Auslaufmodell und warnen vor dem Kauf neuer Modelle. Doch auch bei Benzinern müssen Kunden achtgeben.

Die Nachrichten im Abgas-Skandal überschlagen sich. Was Dieselfahrer und Autokäufer jetzt wissen müssen.


Was bedeutet das Urteil von Stuttgart für Diesel-Fahrer – und für die Automobilindustrie?
„Diesel-Fahrer haben den Schwarzen Peter gezogen“, sagt Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des „Center Automotive Research“ an der Universität Duisburg-Essen. Vor allem in Städten könnten sie ausgebremst werden. Wer oberhalb der NOx-Grenzwerte unterwegs sei, werde „perspektivisch nicht mehr in Umweltzonen einfahren dürfen, die Zufahrtsbeschränkungen für schadstoffintensive Fahrzeuge verhängt haben“, glaubt Gregor Kolbe, Verkehrsexperte bei der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Die Industrie gerate „noch mehr in Zugzwang, für verkaufte Fahrzeuge eine wirksame Nachrüstung anzubieten, die tatsächlich zu geringeren Emissionen führt und nicht nur placebohaft wirkt“.

Drohen jetzt auch in NRW-Städten Fahrverbote?
Fahrverbote werden in keinem Rathaus im Ruhrgebiet für eine gute Idee gehalten. Neue Pläne, möglichen Gerichtsentscheiden vorzubeugen, gibt es derzeit aber auch nicht. In Duisburg etwa sieht Umweltdezernent Ralf Krumholz aktuell „keine Notwendigkeit“ für Fahrverbote. Gleichwohl verweist er darauf, dass er an einigen Straßenabschnitten der Stadt die „Gefahr von Grenzwertüberschreitungen“ bei Schadstoffen sieht. Oberhausen verweist auf die Landesregierung, die die Rechtsgrundlage für Fahrverbote beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig überprüfen lässt.

Auch die Mülheimer Verwaltungsspitze gibt sich zurückhaltend. „Wir sehen die Feinstaubbelastung als dramatisch an, haben uns aber nicht ernsthaft mit einem Fahrverbot auseinandergesetzt“, sagt Mülheims Oberbürgermeister Ulrich Scholten. Er warnt davor, dass die Folgen der Abgas-Manipulationen der Autobauer „auf die Bürger, deren Gesundheit und Lebensqualität abgewälzt“ werde. Scholten: „Fahrverbote hätten auch immense wirtschaftliche Folgen – insbesondere für das Taxigewerbe.“

Ernst könnte es zuerst in der Landeshauptstadt werden, der das Verwaltungsgericht bereits im Januar auftrug, für bessere Luft zu sorgen und dafür konkret Fahrverbote anregte. Gestern hieß es aus Düsseldorf dazu nur lapidar, die Fortschreibung des Luftreinhalteplans liege in den Händen der Bezirksregierung.


Sollte man noch einen Diesel kaufen?
„Ein klares Nein“ kommt von Ferdinand Dudenhöffer. Er warnt vor dem „großen Risiko des Wertverfalls“. Die Diesel-Ära neige sich dem Ende zu. „Mehr solcher Urteile werden kommen – und dann die entsprechenden Fahrverbote“, prophezeit Dudenhöffer. Der ADAC rät nicht grundsätzlich ab vom Diesel. Kaufinteressierte sollten sich vergewissern, dass ein Neuwagen auch im realen Betrieb niedrige Stickoxid-Emissionen (NOx) aufweist. „Das ist bei Einhaltung der ab September für neue Modelle vorgeschriebenen neuen Euro-6d-TEMP-Norm oder der ab 2020 gültigen Euro-6d-Norm der Fall“, sagt ein ADAC-Sprecher.

Verbraucherschützer sehen das anders. Einen Dieselkauf könne man „derzeit nicht mit ruhigem Gewissen empfehlen“, meint Gregor Kolbe von der Verbraucherzentrale – weil es mehr offene Fragen als Antworten gebe.


Warum stehen Benziner derzeit nicht in der Kritik?
Weil Stickoxide in den Städten zum überwiegenden Teil von Dieselmotoren ausgestoßen werden – und da insbesondere von Diesel-Pkw. Benziner geben im Vergleich nur sehr wenige Stickstoffe ab. Allerdings haben Benzin-Fahrzeuge ein anderes Problem: Sie produzieren gesundheitsschädliche Feinstäube, die ebenfalls die Luft belasten. Beim Kauf sollte man daher unbedingt darauf achten, dass der neue Benziner einen Partikelfilter hat.


Wie stelle ich fest, ob ich einen „Schummel-Diesel“ fahre?
Durch einen Blick ins Internet. Laut VW steckt die Manipulations-Software in Dieselmotoren mit der Typenbezeichnung EA 189. Der Motor nach Euro-5-Norm wurde von 2009 bis 2014 verbaut. Auf einer VW-Webseite können Halter überprüfen, ob ihr Fahrzeug betroffen ist. Unter „info.volkswagen.de“ prüft ein System anhand der Fahrgestellnummer bzw. der Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) den Status. Die FIN steht im Service-Handbuch oder an der Windschutzscheibe. Audi, Skoda und Seat haben entsprechende Webseiten eingerichtet. Daimler will betroffene Kunden in den nächsten Wochen anschreiben.


Wenn mein Auto durch den Skandal an Wert verliert: Kann ich meinen Hersteller verklagen?

Grundsätzlich haben Kunden das Recht auf Nachbesserung des Fahrzeugs zur Einhaltung der versprochenen Abgasgrenzwerte, auf die sogenannte Nachrüstung also. „Wenn dieses Recht nicht gewährleistet werden kann oder die Hersteller keine Garantie auf die Nachrüstung geben wollen, können die Halter eine Rückabwicklung des Kaufes einklagen“, sagt Verbraucherschützer Kolbe.