Paris. . Cara Delevingne über ihren Wechsel vom Modeln zur Schauspielerei, Frauenpower und den Umgang mit Kritik.

Hellblonder Bubikopf, die Arme bedeckt von Tätowierungen, große Augen, die das Gegenüber unentwegt fokussieren – Wenn Cara Delevingne in den Filmstudios der Pariser Cité du Cinema zum Interview bittet, strahlt sie vor Selbstbewusstsein. Und das verkörpert die 25-Jährige auch in ihrem aktuellen Science-Fiction-Film (seit 20. Juli im Kino). Aber dabei wirkt sie niemals hart oder aggressiv, sondern steht eher für kindhaften Idealismus und Neugier. So gesehen ist sie als Schauspielerin viel besser aufgehoben als in der Rolle des Models, in der sie zur Ikone wurde.

In Ihrem Film „Valerian und die Stadt der 1000 Planeten“ tauchen Sie in fantastische Universen ein. Finden Sie eigentlich solche Wunder auch in unserer irdischen Realität?

Aber natürlich. Das ganze Leben ist wundervoll, einfach atemberaubend.

An welchen Faktoren machen Sie das fest? Sie haben früher doch auch gegen Depressionen gekämpft.

Aber die habe ich überwunden, weil ich die Unterstützung anderer Menschen hatte. Ich meine, die Tatsache, dass wir am Leben sind und diese, unsere Welt erfahren können, ist absolut aberwitzig. Was machen wir hier in diesem Universum? Woher kommen wir? Ich höre nie auf, mich zu wundern.

Und welche Erfahrungen speziell bescheren Ihnen ein Gefühl glückvollen Staunens?

Vor allem wenn ich in der Natur bin. In den Alpen zum Beispiel. Diese Stille – das ist unbeschreiblich schön. Da bin ich ganz bei mir selbst.

Im Film spielt ja auch eine paradiesische Welt eine wichtige Rolle ...

Oh bitte, lasst uns da hinreisen. Ich würde nur zu gern in einer großen Muschel am Strand leben wie die Aliens dort.

Andererseits lebt Ihre Figur in der bewussten Stadt der 1000 Planeten, also einer futuristischen Supermetropole. Wäre das nicht viel spannender als ein Naturidyll?

Das eine muss doch das andere nicht ausschließen. Ich möchte beides haben. Oder am besten eine Welt, in der es die verschiedensten Landschaften und Kulturen gibt, und natürlich noch mit Aliens, so wie wir sie im Film haben.

Vor denen würden Sie sich nicht fürchten?

Nein, ich hoffe sehr, dass es welche gibt. Der Film zeigt ja auch, dass zu Angst kein Anlass besteht. Deshalb ist mit dem Konzept dieser Planetenstadt auch eine wunderbare Botschaft verbunden. Nicht dass wir mit „Valerian“ groß predigen wollen, dieser Film soll Spaß machen, aber gleichzeitig bietet er eine Philosophie, wie unsere Welt sie derzeit unbedingt braucht. Und weil er sie auf sehr unterhaltsame und leichte Weise aufbereitet, eignet er sich auch besonders gut für Kinder.

Worin besteht diese Philosophie?

In der Stadt der 1000 Planeten kommen die verschiedensten Länder und Spezies aus den einzelnen Teilen des Universums zusammen. Sie lernen voneinander und arbeiten harmonisch miteinander, um für alle eine schönere Welt zu schaffen und einander besser zu machen. Der Film zeigt also, wie man die Mauern zwischen den einzelnen Gesellschaften einreißt und dass die Liebe die beste Lösung für alles ist. Das sind alles Punkte, die mit der Flüchtlingsthematik zu tun haben. Der Film ist einerseits ein Spiegelbild unser aktuellen Realität, aber er zeigt eben auch, dass wir alle miteinander klarkommen und in Frieden leben können, selbst wenn unser gemeinsamer Lebensraum begrenzt ist. Wenn unsere Zukunft so aussehen würde, dann wären wir alle sehr glücklich. Das ist alles sehr subtil aufbereitet, aber wenn du aus dem Kino kommst, dann hält die Wirkung des Films aus dem Grund weiter an.

Aber brauchen Sie selbst nicht Schutzmauern um Ihre Person, wenn Sie von Fans belagert werden? Speziell für jüngere Generationen sind Sie eine richtige Ikone.

Das hat ja auch seine Vorteile. Denn wenn ich mit gutem Beispiel vorangehe, dann kann ich jungen Menschen helfen, Selbstbewusstsein zu entwickeln. Das war ja auch einer der Gründe, weshalb ich die Rolle in „Valerian“ angenommen habe – weil diese junge Frau sehr stark und unabhängig ist. Sie braucht nicht die ständige Unterstützung ihres Partners, der sich ihr aufdrängen will. Am liebsten hätte ich ein paar Szenen gehabt, in denen ich gegen ihn kämpfe, aber soweit ging’s dann doch nicht. Meine Figur kriegt jedenfalls ihren Job auch alleine gebacken. Frauenpower ist ein Thema, das mir sehr viel bedeutet. Und gerade wegen meines Bekanntheitsgrads habe ich die Verantwortung, positive Werte zu vertreten.

Sie sind also auch stark und emanzipiert?

Absolut, wenn auch nicht ganz so stark wie meine Figur in dem Film. Von der kann ich mir noch eine Scheibe abschneiden.

Und Sie würden sich gerne mit Männern anlegen so wie Ihre Protagonistin?

Nein, denn effektiv brauchen ja beide Helden einander. Sie machen sich gegenseitig besser, ergänzen sich. Während er sich kopfüber in Gefahrensituationen hineinstürzt, macht sie die strategische Planung im Hintergrund. Sie funktionieren als Team, und auf diese Weise kann jeder den anderen in kritischen Momenten retten.

Aber wie gehen Sie nun damit um, dass Sie von der Öffentlichkeit bedrängt werden?

Es passiert natürlich immer seltener, dass ich Leuten begegne, die mich nicht kennen und die völlig unbefangen und ehrlich auf mich reagieren. Aber noch ist es möglich. Es hängt auch vom Ort ab. Im Januar war ich im Rahmen einer UN-Kampagne für Mädchenrechte in Afrika, und da kannte mich keiner. Und ich schaffe es schon, unbehelligt die Straße hinunterzugehen. Alter und Geschlecht spielen auch eine Rolle. Männer kennen mich in der Regel weniger, und wenn, dann weil ihre Partnerin ein Fan von mir ist. Und die stärksten Reaktionen bekomme ich von Teenagern.

Sie führen selbstbewusst einen unkonventionellen Lebensstil, bekennen sich auch offen zu Ihrer Bisexualität. Wie kommen Sie damit klar, dass sich die Öffentlichkeit ein Urteil über Sie erlaubt? Oder schotten Sie sich gegen solche Stimmen ab?

Das ist unmöglich. Die Meinung der Öffentlichkeit bedeutet mir schon etwas. Mir ist klar, dass sich Leute ein Urteil erlauben. Das wird immer so sein. Und wenn das in konstruktiver Kritik mündet, ist das auch gesund und positiv. Aber der entscheidende Punkt ist: Diese Meinung darf mir nicht zu viel bedeuten. Denn die Leute wissen ja nicht, wer und wie ich wirklich bin. Abgesehen davon bin ich letzten Endes immer noch die beste und härteste Kritikerin meiner selbst. Die Leute können’s versuchen, noch härter mit mir umzuspringen, aber sie werden das wohl nicht schaffen.

Es war Ihnen also auch klar, dass Sie besonders kritisch beäugt werden, seit Sie vom Modeln zur Schauspielerei wechselten?

Ich habe das Eine nicht für das Andere getauscht, modele also noch weiter. Aber ich wollte immer schon Schauspielerin werden. Das gibt mir einen ganz besonderen Kick. Ich liebe es, aus meiner eigenen Welt zu entkommen und in die Haut einer anderen Person zu schlüpfen und diese verstehen zu lernen. Das war ein Traum. Und dass ich dann auch noch in so eine fantastische Welt wie in „Valerian“ eintauchen konnte, lässt sich nicht mehr überbieten.

Ihre Patentante ist Joan Collins. War die ein Vorbild für Sie?

Natürlich. Als ich mit der Schauspielerei anfing, hat sie mich unter ihre Fittiche genommen, was toll war. Ich habe aber auch noch andere große Vorbilder. Judy Dench zum Beispiel oder Helen Mirren oder Meryl Streep. Die Zahl von Frauen ist endlos. Speziell für „Valerian“ habe ich mich an Uma Thurman in „Kill Bill“ und Sigourney Weaver in den „Alien“-Filmen orientiert.

Letztere wissen sich ja ihrer Haut mit Waffengewalt zu wehren. Hat das auch eine Faszination für Sie?

Na ja, als Kind habe ich mich immer als Cowboy gesehen. Und das zu spielen, hat großen Spaß gemacht. Auch in Filmen bin ich gut im Herumballern. In der Realität allerdings habe ich zu Waffen nicht gerade ein positives Verhältnis. Wie gesagt, ich bin für Frieden und Verständigung. Aber ich mag Abenteuer. Ich würde zum Beispiel am liebsten ins Weltall reisen, wenn das bloß möglich wäre.

Welchen Lebensweg sehen Sie dann mit Ihrer Abenteuerlust weiter vor sich?

Wenn Sie mich vor fünf Jahren nach meinen Zielpunkten im Leben gefragt hätten, dann hätte ich mit den Prognosen völlig falsch gelegen. Ich hatte keine Ahnung, dass ich in einem Film wie „Valerian“ landen würde. Als ich seinerzeit den Anruf bekam, dass Regisseur Luc Besson mich treffen wollte, hielt ich das für einen Scherz. Deshalb male ich mir nicht großartig meine Zukunft aus, erwarte auch nichts, denn es kommt sowieso anders, als man denkt. Letztlich will ich einfach hart an dem weiter arbeiten, was ich gerade mache – nämlich der Schauspielerei. Nichts macht mich glücklicher.

Aber angeblich brauchen Sie dafür auch östliche Techniken wie Yoga.

Ja, Yoga ist extrem wichtig für mich. Aber ich bin letztlich für alle Methoden und Techniken offen, mit denen man etwas Gutes für sich tun kann. Manche Leute fremdeln mit bestimmten Methoden, ich dagegen gehöre zu der Sorte von Menschen, die das Leben in seiner ganzen Bandbreite erfahren und alles ausprobieren wollen. Doch letztlich kommt es einfach darauf an, dass du dir fünf bis zehn Minuten am Tag für dich selbst nimmst: Atme einfach und krieg deinen Kopf frei. Das ist überlebenswichtig