Essen/Bottrop. . Bottroper belieferte über Jahre viele krebskranke Patienten. Staatsanwaltschaft geht von einem Schaden von 56 Millionen Euro aus.

61 980 Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz wirft die Staatsanwaltschaft Essen dem im November 2016 verhafteten Bottroper Apotheker Peter S. vor. Über Jahre soll er krebskranke Menschen mit gestreckten und verdreckten Medikamenten beliefert haben. Viele Patienten oder Angehörige haben nach Angaben von Oberstaatsanwältin Anette Milk außerdem Strafanzeigen wegen Tötung oder Körperverletzung erstattet. Die Staatsanwaltschaft will sie in einen Prozess gegen den Apotheker als Nebenkläger einbinden.

Die Staatsanwaltschaft hat in der Anklageschrift 35 Medikamente aufgelistet, die der Apotheker in Zehntausenden von Fällen mit weniger Wirkstoff als verordnet hergestellt haben soll. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft ist durch diesen gewerbsmäßigen Betrug ein Schaden von 56 Millionen Euro entstanden, weil der Apotheker mehr als 50 000 Rezepte mit den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet haben soll.

Zu wenig Wirkstoff in den Medikamenten

Das wäre mehr als das Zwanzigfache der Summe, von der die Ermittler noch bei der Verhaftung des Apothekers ausgegangen waren. Dabei hat die Staatsanwaltschaft rund 10 000 Privatrezepte und Sonderabrechnungen gar nicht erst zur Anklage gebracht. Aus Vereinfachungsgründen, sagt die Oberstaatsanwältin: Auch so ist die Anklageschrift 820 Seiten stark.

In 27 Fällen wirft die Staatsanwaltschaft dem Apotheker zusätzlich versuchte Körperverletzung vor. Diese Medikamente soll Peter S. eigenhändig hergestellt haben, wie die Etiketten beweisen. Sie waren bei der Verhaftung des Apothekers in seiner Apotheke sichergestellt und von Gutachtern untersucht worden. Sie hatten darin „erhebliche Mindermengen“ an den Wirkstoffen festgestellt, die von den Ärzten verschriebenen worden waren.

Als versuchte Körperverletzung gelten Handlungen, bei denen der Beschuldigte billigend in Kauf nimmt, dass durch sie Menschen zu Schaden kommen. Viele Patienten und Angehörige sind zwar überzeugt davon, dass durch die Unterdosierung der Krebsmedikamente Menschen gestorben sind.

Dieser Beweis ist aber nur sehr schwer zu führen, obwohl viele Patienten Blutproben abgegeben hatten. Darauf hatte Oberstaatsanwältin Milk schon kurz nach der Verhaftung hingewiesen. Daran haben auch die Gutachten wenig geändert, die die Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben hat.