Ankara. Ein Gericht in Istanbul hat am frühen Dienstagmorgen Untersuchungshaft gegen sechs Menschenrechtler angeordnet. Unter ihnen sind auch zwei Ausländer, der Schwede Ali Gharavi und der 45-jährige Deutsche Peter Steudtner. Die Festnahmen bedeuten eine neue Eskalationsstufe im Vorgehen des Staatschefs Recep Tayyip Erdogan gegen seine tatsächlichen und vermeintlichen Gegner. Und einen neuen Tiefpunkt in den deutsch-türkischen Beziehungen.
Ein Gericht in Istanbul hat am frühen Dienstagmorgen Untersuchungshaft gegen sechs Menschenrechtler angeordnet. Unter ihnen sind auch zwei Ausländer, der Schwede Ali Gharavi und der 45-jährige Deutsche Peter Steudtner. Die Festnahmen bedeuten eine neue Eskalationsstufe im Vorgehen des Staatschefs Recep Tayyip Erdogan gegen seine tatsächlichen und vermeintlichen Gegner. Und einen neuen Tiefpunkt in den deutsch-türkischen Beziehungen.
Nach Angaben der Bundesregierung wurden in der Türkei in Zusammenhang mit dem versuchten Militärputsch bisher insgesamt 22 Deutsche festgenommen. 13 von ihnen seien wieder frei.
Steudtners Lebensgefährtin nennt Vorwürfe „absurd“
Büyükada, die größte der Prinzeninseln im Marmarameer vor Istanbul, ist bei Konferenzveranstaltern beliebt. Sie kommen gern auf die autofreie Insel. Wie Amnesty International. Die Menschenrechtsorganisation veranstaltete dort Anfang Juli ein Treffen. Es sei „ein Routine-Menschenrechtsworkshop“ gewesen, „wie es sie auf der ganzen Welt gibt“, sagt Andrew Gardner von Amnesty. Das Thema: „Digitale Sicherheit und Informationsmanagement“. Doch am zweiten Tag des Seminars, dem 5. Juli, stürmten Polizisten das Tagungshotel, beschlagnahmten Unterlagen, Mobiltelefone und Computer. Zehn Teilnehmer wurden festgenommen, unter ihnen auch die Türkei-Direktorin von Amnesty, Idil Eser. Nach 13 Tagen im Polizeigewahrsam ließ ein Gericht am Dienstag vier der Festgenommenen frei. Für sechs wurde Untersuchungshaft angeordnet, darunter Eser, Gharavi und Steudtner.
Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty spricht von einer „politisch motivierten Hexenjagd“. Shetty: „Wir haben heute gelernt, dass die Verteidigung der Menschenrechte in der Türkei ein Verbrechen ist.“ Das sei „ein Moment der Wahrheit, für die Türkei und die internationale Gemeinschaft“.
Seit dem Putschversuch vor einem Jahr hat Staatschef Erdogan per Dekret rund 138 000 Staatsdiener entlassen. 149 kritische Medien wurden geschlossen, 1500 Nichtregierungsorganisationen verboten. 56 000 Menschen sitzen in Untersuchungshaft. Sie kann in der Türkei bis zu fünf Jahre dauern. Bereits nach der Festnahme der zehn Menschenrechtler hatte die Sprecherin des Uno-Hochkommissariats für Menschenrechte, Liz Throssel, große Besorgnis geäußert: „Wir befürchten, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit gefoltert oder auf eine andere Art grausam und entwürdigend behandelt werden.“
Dass diese Sorge nicht unberechtigt ist, zeigen Äußerungen Erdogans. Er will Untersuchungshäftlinge künftig in einheitliche Uniformen stecken, „wie in Guantanamo“, dem berüchtigten US-Gefangenenlager auf Kuba. Misslich für die inhaftierten Menschenrechtler: Erdogan hatte sie aufs Korn genommen. Das Seminar auf Büyükada sei „eine Fortsetzung des 15. Juli“ gewesen – eine Anspielung auf den Putschversuch vor einem Jahr.
Noch ist nicht klar, welche Terrorgruppe die Beschuldigten unterstützt haben sollen. Regierungsnahe türkische Medien spekulieren, die Menschenrechtler seien Teil einer antitürkischen Verschwörung unter Führung der amerikanischen CIA und des britischen Geheimdienstes. Es heißt, die Ermittler hätten Hinweise auf Verbindungen zur kurdischen PKK, zu linksextremistischen Gruppen, aber auch zur Bewegung des Erdogan-Erzfeindes Fethullah Gülen. Die Regierung beschuldigt den in den USA lebenden Prediger als Drahtzieher des Putschversuchs.
Dass Erdogan die verhafteten Menschenrechtler beschuldigt, bei ihrem Seminar Putschpläne geschmiedet zu haben, lässt Schlimmes befürchten. Bei einem Schuldspruch könnte ihnen lange Haft drohen. Erdogan hatte anlässlich der Gedenkfeiern zum ersten Jahrestag des niedergeschlagenen Coups angekündigt, die Putschisten würden „hinter den Gefängnismauern verfaulen“.
Steudtners Lebensgefährtin Magdalena Freudenschuss nannte die Terrorvorwürfe „total absurd“. Sie seien „das Gegenteil dessen, wofür Peter und Ali und die anderen Menschenrechtsverteidiger mit ihrer Arbeit stehen“, sagte sie in Istanbul. Die Inhalte des Seminars seien „in keiner Weise politisch“ gewesen.