Essen. . Die Zukunft des Verkehrs ist digital. Doch in diesem Feld stechen Großstädte des Ruhrgebiets laut einer Studie nicht besonders hervor.

Mit Baggern und Abrissbirnen formten die Kommunen in den 60er-Jahren die autogerechte Stadt. Rumms – vierspurig durch die City. Dem Auto gehörte die Zukunft. Das ist Vergangenheit. Jetzt stehen die Kommunen vor einer neuen verkehrstechnischen Zeitenwende. Die „digitale Mobilität“ gilt als der Schlüssel moderner Verkehrskonzepte: vernetzter Öffentlicher Nahverkehr (ÖPNV), autonomes Fahren, Carsharing, Verkehrs-Apps für das Smartphone und Elektromobilität sind Schlagworte. Die Technik schreitet rasant voran – aber wie sind die Städte darauf vorbereitet?

Das haben Verkehrsexperten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Sitz in Köln untersucht. Sie verglichen für ihre Studie die 25 größten Städte Deutschlands. Das Ergebnis fällt für das Ruhrgebiet wenig positiv aus.

Bochum bei der E-Mobilität unter den Top Ten

Die Revierstädte finden sich insgesamt im Mittelfeld wieder. Dagegen landet Hamburg mit einer guten Strategie für intelligente Systeme auf Platz eins, Stuttgart liegt in der E-Mobilität auf dem zweiten Rang, es folgen Berlin und München.

„Wir haben auch die Städte im Ruhrgebiet unter die Lupe genommen“, sagt Studienleiter Dirk Heinrichs vom DLR-Institut für Verkehrsforschung. So wurden Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen und Gelsenkirchen in den Blick genommen, darüber hinaus Düsseldorf, Köln und Wuppertal. „Insgesamt fällt keine diese Städte durch besonders hohes Engagement bei der digitalen Mobilität auf“, so Heinrichs. Zwar entwickelten sie Konzepte, Verkehrs-Apps oder starteten Forschungsvorhaben. Doch einzig Bochum taucht in der Kategorie Elektromobilität, für die auch nach der Zahl der Ladesäulen gefragt wurde, unter den ersten Zehn auf – auf Platz zehn.

Vorbild bei vernetztem Verkehr: die Niederlande

Vollständig selbstfahrende Autos und Lastwagen sind nach Ansicht der DLR-Experten keine ferne Utopie mehr, sondern „zeitlich nahe Wirklichkeit“. Experten rechnen mit der serienmäßigen Einführung solcher Systeme ab dem Jahr 2025. Die Zeit ist für die langfristig planenden Kommunen knapp. „Autonomes Fahren kann einen wichtigen Beitrag für den ÖPNV und die Entsorgungswirtschaft leisten“, ist Heinrichs überzeugt. „Städte können jetzt die Initiative ergreifen und diese Möglichkeiten erproben, auch um die Wirkung und Akzeptanz in der Bevölkerung besser verstehen zu können.“

Ein Vorbild fanden sie in den Niederlanden, wo fahrerlose Busse zum Beispiel auf Firmengeländen zum Einsatz kommen. „Die Kommunen müssen jetzt Konzepte zum schrittweisen Aufbau der digitalen Mobilität in ihren Planungen berücksichtigen, nur so werden sie bis zur Markteinführung von autonomen Fahrzeugen bereit sein“, rät Heinrichs.

Hohe Dichte an Ladesäulen und clevere Apps

Hamburg überzeugte etwa mit einem System, das den Verkehr per Sensoren großräumig beobachtet, steuert und das Staurisiko analysiert. Stuttgart liegt vorn bei der Elektromobilität, da es unter deutschen Städten die höchste Dichte an Ladesäulen vorweist. Leipzig begeisterte die Wissenschaftler mit einer ÖPNV-App, die Informationen über die Verkehrslage sowie Bezahlung per Smartphone ermöglicht.

Im internationalen Vergleich aber hinkten selbst diese Mobilitäts-Vorbilder hinterher: In Amsterdam gibt es gute Sharing-Angebote und 5000 Elektro-Fahrzeuge, die an über 3000 Ladestationen aufgeladen werden können.

Experte: Digitalisierung eröffnet Chance für Metropolen

An die Städte richten die Experten konkrete Handlungsempfehlungen: Sharing-Angebote ausbauen. Elektromobilität fördern. Ladestationen aufbauen. Den ÖPNV weiterentwickeln vom reinen Beförderer zu einem „Mobilitätsmanager“ von Tür zu Tür. Autonomes Fahren müsse Teil der Stadtentwicklung werden, sagten die Fachleute des DLR, denn autonome Lieferverkehre „werden schon bald zu einem wichtigen Standortfaktor“.

Gerade im Ballungsraum Ruhrgebiet könne die Digitalisierung des Verkehrs Chancen eröffnen. „Hier müssen die Kommunen und Verkehrsbetriebe noch stärker zusammenarbeiten“, meint Heinrichs. Die Angebote sollten nicht miteinander konkurrieren, sondern aufeinander abgestimmt sein. Nötig wären daher Aktivitäten im Verbund der Städte. Das allerdings war im Revier stets mehr Vision als Wirklichkeit.