Düsseldorf. . Unter dem Motto „Gute OGS darf keine Glückssache sein“ haben rund 2.500 Demonstranten vor dem Landtag protestiert. Tausende Protest-T-Shirts.

Beim ersten großen Protest nach dem Regierungswechsel in NRW forderten am Mittwoch rund 2.500 Demonstranten eine bessere Ganztagsbetreuung für Schulkinder. Bisher sei es reine „Glücksache“, ob ein Kind in einer Offenen Ganztagsschule (OGS) vernünftig betreut werde, sagte Andreas Johnsen, Chef der Freien Wohlfahrtspflege in NRW. Fast überall fehlten Räume und Betreuer.

Die neue Regierung müsse schnell für vergleichbare Standards beim Ganztag in ganz NRW sorgen, forderten Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie und andere Träger von OGS-Einrichtungen. Schulministerin Yvonne Gebauer und Familienminister Joachim Stamp (beide FDP) sicherten den Verbänden baldige Gespräche über die Lösung der Probleme zu.

Kinder bemalten Protest-T-Shirts

Während sich die Abgeordneten im Landtag über die Schließung von Förderschulen und die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasien stritten, lenkten Demonstranten vor dem Parlament die Blicke auf ein anderes großes Schulproblem im Land: Sie hängten Tausende von Kindern bemalte Protest-T-Shirts auf mit Sprüchen wie „Wir wünschen uns, dass die Betreuer mehr Zeit für uns haben“ oder „Mach die OGS cooler“. Auf Transparenten von Ganztags-Mitarbeitern waren noch deutlichere Botschaften an die Landespolitik zu lesen: „Wir haben den Kaffee auf“, hieß es dort zum Beispiel.

Allein aus Bochum waren rund 150 Demonstranten angereist, um ihrem Ärger über anhaltend schlechte Arbeitsbedingungen Luft zu machen. „Wir betreuen an unserer Grundschule täglich etwa 110 Schülerinnen und Schüler in Räumen, die eigentlich nur für 50 Kinder ausgelegt sind“, sagten Angela Gerlach und Lidia Chmara. Die Mitarbeiterinnen der Arbeiterwohlfahrt Langendreer sind seit sieben Jahren Erziehungshelferinnen an einer Bochumer OGS und erzählen, dass ihr Job immer schwieriger geworden sei.

Im Schnitt ein Betreuer für 25 Kinder

Eine Betreuerin oder ein Betreuer müsse sich im Schnitt um 25 Kinder kümmern. „Wir benötigen mehr Unterstützung, man kann nicht alles gleichzeitig machen, und die Kinder sind auf unsere Hilfe angewiesen“, sagen Gerlach und Chmara. Ihre Kollegin Sabine Rogosch sprach ein anderes Problem an, das mit der knappen finanziellen Ausstattung der Wohlfahrtspflege für die OGS zusammenhängt: „Viele Betreuer werden nur mit 20 Stunden in der Woche angestellt.“ Dieser enge Rahmen schrecke aber ausgebildete Erzieherinnen ab. Sie zögen es oft vor, sich an einer Kita auf eine Vollzeitstelle zu bewerben.

Laut Ulla Bünnagel, Expertin für Schulbetreuung beim Caritasverband Moers-Xanten, hängt die Qualität einer OGS maßgeblich davon ab, wie viel Geld eine Kommune dafür ausgeben kann oder will. Die Folge: Eltern und Kinder, die in einer Stadt wohnen, die sich gute Ganztagsbetreuung leistet, haben Glück, wer in der armen Nachbarstadt lebt, hat Pech. Außerdem schwankten Qualifikation und Bezahlung der Betreuerinnen extrem. Von vergleichbaren Standards im Offenen Ganztag sei NRW jedenfalls weit entfernt, beklagten die Demonstranten.

Träger setzen sich schon seit Wochen ein

Etwa 80 Prozent der Offenen Ganztagsschulen in NRW werden von den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege betreut, also von Awo, Caritas, Diakonie, Rotem Kreuz, den Jüdischen Gemeinden und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband. Sie trommeln schon seit Wochen mit „kreativen Protestaktionen“ für Verbesserungen beim Ganztag. Das Land unterstützt die OGS-Betreuung, die Städte leisten zusätzlich einen Pflichtbeitrag.

Einige Städte aber greifen freiwillig für die OGS tiefer in ihre Kasse. Auch 14 Jahre nach der Einführung der Offenen Ganztagsschulen in NRW gleicht diese Betreuung einem Flickenteppich. Besonders breit ist das Angebot in den Grundschulen. Rund 90 Prozent dieser Schulen bietet den Offenen Ganztag an. Rund 275 000 Grundschüler nutzten ihn zuletzt.