Düsseldorf. . Partei-Chefin Mona Neubaur: „Lieber mit der Kohlelobby streiten als mit Jägern.“ Ein Neustart nach der Wahl soll beim Landesparteitag gelingen.

Die Grünen in NRW versuchen einen Neustart nach der verlorenen Landtagswahl. „Wir wollen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen“, steht weit oben in einem Leitantrag, über den rund 280 Delegierte am Samstag in Dortmund reden werden. Die Parteispitze muss sich auf kritische Fragen einstellen, denn an der Basis rumort es. Die Mitglieder möchten künftig stärker mitbestimmen, wohin die grüne Reise geht.

Unruhe an der Basis

Grünen-Landeschef Sven Lehmann hat Verständnis für die aus vielen Änderungsanträgen durchschimmernde Unruhe. „In der Partei ist der Wunsch spürbar, dass wir unser Personal in den Parlamenten stetig erneuern, so dass es eine gute Mischung aus Erfahrung und Erneuerung gibt. Auch Neulinge sollten Chancen haben, auf aussichtsreiche Listenplätze zu kommen“, sagte Lehmann dieser Zeitung kurz vor der Landesdelegiertenkonferenz in der kleinen Westfalenhalle. Wichtige landespolitische Fragen – zum Beispiel zur Schulpolitik – sollten künftig den Mitgliedern oder auch den Bürgern zuvor „zur Entscheidung vorgelegt“ werden.

Lehmanns Co-Vorsitzende Mona Neubaur findet, die Grünen sollten wieder „die Sprache der Menschen“ sprechen. Vorbild seien Politiker wie der neue französische Präsident Emmanuel Macron oder Jesse Klaver von der niederländischen Partei „GroenLinks“. Neubaur: „Politik muss frisch, frech, utopisch, locker, positiv sein und Hoffnung verbreiten. Grüne sind zuletzt oft anders aufgetreten. Wir müssen raus aus der grünen Blase und weg vom erhobenen Zeigefinger.“

Mit den Falschen angelegt

Nach Neubaurs Einschätzung haben sich die NRW-Grünen zuletzt mit den Falschen angelegt und auch darum die Gunst vieler Wähler verloren. „Sollen wir ernsthaft mit 15 000 Jägern streiten oder mit Handwerks-Bäckern, die die Hygiene-Ampel ablehnen? Oder sollten wir uns doch lieber mit der Kohlelobby anlegen und mit Großkonzernen, die die Umwelt schädigen? Wir finden, wir sollten normale Menschen in Ruhe leben und arbeiten lassen.“

Sven Lehmann, der im September in den Bundestag gewählt werden möchte, spricht von einem weiteren Fehler der Grünen: „Wir haben im Umgang mit der SPD zu sehr auf Harmonie und Konsens gesetzt“, sagte der Kölner. „Zum Beispiel hätten wir nach der Misshandlung der Flüchtlinge in Burbach, nach Hogesa oder im Fall Anis Amri deutlicher sagen müssen, dass die Sicherheitsbehörden versagt haben. Wir haben uns dafür entschieden, diese Kritik intern vorzubringen. Und damit hinterließen wir den Eindruck, wir würden Ralf Jäger schonen.“

„2030 ist kein Schwachsinns-Termin“

Beide Grünen-Landesvorsitzenden widersprechen beim Thema Elektromobilität ausdrücklich ihrem Parteifreund Winfried Kretschmann. Der baden-württembergische Ministerpräsident hatte das Ziel seiner Partei, ab 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen, als „Schwachsinns-Termin“ kritisiert. „2030 ist kein Schwachsinns-Termin“, entgegnet Mona Neubaur. „Der Parteitags-Beschluss gilt. Diese Jahreszahl ist ein wichtiges Signal, dass wir jetzt anfangen müssen mit dem Ausbau der E-Mobilität.“

Sven Lehmann stimmt zu: „Winfried Kretschmann dürfte sich im Jahr 2030 wundern, wie sehr sich die E-Mobilität bis dahin entwickelt haben wird. Die Menschen werden ihre E-Fahrzeuge zu Hause betanken, auf Parkplätzen, beim Arbeitgeber. Das Enddatum 2030 ist wichtig. Es beschleunigt den Ausbau der E-Mobilität. Ohne politischen Druck würde die Autoindustrie so weitermachen wie bisher.“

Der Landesparteitag der Grünen beginnt Samstag um 10 Uhr. Zu Beginn wird Katrin Göring-Eckardt die Delegierten einstimmen. Sie ist Spitzenkandidatin der Grünen für die Bundestagswahl. Auch Grünen-Urgestein Volker Beck soll in Dortmund reden. Der Kämpfer für die Rechte von Schwulen und Lesben feierte am Freitag sichtlich bewegt die „Ehe für alle“.