Düsseldorf. . Im Moment seines größten Triumphes wirkt Armin Laschet kurzzeitig orientierungslos. Nordrhein-Westfalens soeben vereidigter elfter Ministerpräsident steuert vom Rednerpult des Landtags zielstrebig zurück zu seinem angestammten Abgeordnetenstuhl, bevor ihm einfällt, dass er ja jetzt einen neuen Platz hat: den Chefsessel auf der Regierungsbank. Laschet lächelt verlegen, eilt hin, lässt sich fallen. Er kramt ein weißes Stofftaschentuch hervor und wischt sich den Schweiß aus dem Nacken. Geschafft.
Im Moment seines größten Triumphes wirkt Armin Laschet kurzzeitig orientierungslos. Nordrhein-Westfalens soeben vereidigter elfter Ministerpräsident steuert vom Rednerpult des Landtags zielstrebig zurück zu seinem angestammten Abgeordnetenstuhl, bevor ihm einfällt, dass er ja jetzt einen neuen Platz hat: den Chefsessel auf der Regierungsbank. Laschet lächelt verlegen, eilt hin, lässt sich fallen. Er kramt ein weißes Stofftaschentuch hervor und wischt sich den Schweiß aus dem Nacken. Geschafft.
Bange Momente
In den vergangenen Tagen hatte sich der CDU-Landeschef demonstrativ optimistisch gezeigt, dass die absolute Mehrheit der schwarz-gelben Koalition trotz des knappen Vorsprungs von nur einer Stimme bei der geheimen Ministerpräsidenten-Wahl stehen werde. Er könne sich auf „hundert anständige Leute“ aus CDU und FDP verlassen, hatte er versichert. Bis Landtagspräsident André Kuper (CDU) gestern um 15.38 Uhr das erlösende Wahlergebnis von exakt 100 Ja-Stimmen verkündet, scheinen es dennoch bange Momente zu sein.
Laschet drückt nervös auf seinem Handy herum oder lässt den Blick über die Besucherempore streifen. Etwas schüchtern winkt er seiner Frau Susanne in der ersten Reihe, die keine „First Lady“ werden soll, sondern weiterhin als Buchhändlerin in Aachen arbeiten will. Sein Vater sitzt neben ihr, dessen Werdegang vom Bergmann der Alsdorfer Grube Anna I zum Schulrektor Laschet so oft stolz als Beispiel einer Aufstiegsbiographie erzählt hat. Natürlich sind seine drei erwachsenen Kinder da, die im Moment der Ergebnis-Verkündung einander die Hände halten. Dass Sohn Johannes, der im weißen Anzug in den Landtag gekommen ist, seit Wochen eine Ähnlichkeit mit Hollywood-Schönling Ryan Gosling attestiert wird, hatte Laschet senior in der ihm eigenen Ironie kommentiert: Warum bloß niemand den Vater im feschen Sohn wiedererkenne?
Etwas weiter links sitzen Ex-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und sein früherer Finanzminister Helmut Linssen, zwei Granden der nordrhein-westfälischen CDU. Auch sie werden es noch vor wenigen Monaten für unmöglich gehalten haben, dass ausgerechnet Armin Laschet, dieser klein gewachsene 56-jährige Aachener mit der rheinischen Mundart und den weichen Gesichtszügen, als vierter CDU-Ministerpräsident nach Karl Arnold, Franz Meyers und eben Rüttgers in die Landesgeschichte eingeht.
Laschet hat eben immer weiter gemacht. Als er 1998 nach nur vier Jahren aus dem Bundestag flog. Als er 2010 sein Ministeramt verlor. Als er wenige Wochen später dem kernigen Westfalen Karl-Josef Laumann den Landtagsfraktionsvorsitz überlassen musste und auch noch bei einem Mitgliederentscheid um den CDU-Landesvorsitz dem smarten Norbert Röttgen unterlag. Seine Verwurzelung im rheinischen Katholizismus, sein Werben für Deutschland als Integrationsland, seine Europafreundlichkeit, seine grünen Duz-Freundschaften zu Cem Özdemir und Daniel Cohn-Bendit, seine zuweilen etwas chaotische Begeisterungsfähigkeit – all das schien lange nicht einmal in der NRW-CDU mehrheitsfähig.
Wer sich den 31. Oktober 2010 in Erinnerung ruft, kann vielleicht ermessen, was dieser 27. Juni 2017 für den neuen Ministerpräsidenten persönlich bedeuten muss. Damals standen Laschet und seine Frau völlig verloren in der Düsseldorfer CDU-Parteizentrale, rangen erkennbar mit den Tränen. Drei Meter weiter sonnte sich der gerade gekürte Landeschef Röttgen mit gerecktem Kinn und George-Clooney-Lächeln im Kameralicht. Es schien so klar, wem die Zukunft gehörte.
Keine Genugtuung
Gestern Nachmittag versagt sich Laschet aber die Genugtuung eines lange Zukurzgekommenen. Im Gegenteil, es wirkt alles recht unprätentiös. Das Mikrofon pfeift bei der Eidesformel. Und Laschet zeigt erst einmal Herz für die Verliererin. Seine Dankesrede beginnt er mit mehr als den üblichen warmen Worten für die abgewählte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Er rechnet ihr die „faire Auseinandersetzung“ hoch an, unterbricht seine Rede sogar und eilt mit einem Blumenstrauß zu Kraft. Dann schärft er sich und den Koalitionären ein, dass man nie vergessen dürfe, dass die Ämter „Auftrag auf Zeit sind“. Hier weht kein neoliberaler Wind durch NRW, Laschet betont vielmehr den Ausgleich. Zwischen Rheinland und Westfalen. Stadt und Land. Ökonomie und Ökologie. Zugewanderten und Mehrheitsgesellschaft.
Immer wieder der Blick zur Familie. Sie sei sein „verlässlicher Kompass“, liest er vom Blatt ab und hält inne. „Ach, das klingt so formell“, sagt er. Was er meint: „Danke, dass ihr mich gestützt habt, als es mal etwas schwerer war.“