Düsseldorf. . Armin Laschet (CDU) will am Dienstag NRW-Regierungschef werden. Sein Risiko: CDU und FDP haben im Landtag nur eine hauchdünne Mehrheit.

Am kommenden Dienstag, 27. Juni, könnte Armin Laschet seine politische Laufbahn krönen. Er hat die Landtagswahl gewonnen, der Koalitionsvertrag steht, und wenn am Dienstag alles so läuft wie geplant, dann wird der Landtag den Christdemokraten am Nachmittag zum 11. Ministerpräsidenten des Landes NRW wählen. Der Vorsprung von CDU und FDP ist allerdings hauchdünn. 100 Abgeordnete haben diese beiden Fraktionen, die anderen verfügen über 99. Das weckt Erinnerungen an eine völlig verpatzte Ministerpräsidenten-Wahl vor zwölf Jahren in Kiel.

Wer wählt den Ministerpräsidenten?

Die Abgeordneten des Landtags, und zwar in geheimer Wahl. Wenn der Regierungschef gewählt ist, kann er die künftigen Minister benennen. Sie sollen am kommenden Freitag vereidigt werden.

Wie wird gewählt?

Um im ersten Wahlgang zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden, benötigt Armin Laschet die Stimmen von mehr als der Hälfte der Mitglieder des Landtags, also genau die 100 Stimmen, über die CDU und FDP verfügen.

Und wenn das nicht klappt?

Dann würde weiter gewählt werden können, und zwar laut Landesverfassung „innerhalb von 14 Tagen“. In einem zweiten und gegebenenfalls in einem dritten Wahlgang würde Laschet mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen benötigen. Das ist ein wichtiger Unterschied zum ersten Wahlgang. Er bräuchte dann nicht mehr mindestens 100 Stimmen, sondern „nur“ noch eine Mehrheit. Sollten sich einzelne Abgeordnete von SPD, Grünen oder AfD der Stimme enthalten, verbesserte dies Laschets Chancen.

Warum sollten sie sich enthalten?

Zum Beispiel, um den eigenen Sitz im Landtag und die damit verbundenen guten Bezüge nicht zu gefährden. Beobachter halten diese Erwägungen für möglich. Eine Neuwahl dürfte die Zusammensetzung des Parlaments wieder deutlich verändern.

Welcher Weg führt zu Neuwahlen?

Mindestens 100 Abgeordnete müssten für die Auflösung des Landtags stimmen. Danach müsste eine Neuwahl „innerhalb von 90 Tagen stattfinden“. Dafür böte sich der Tag der Bundestagswahl am 24. September an.

Hat es ein solches Szenario schon gegeben?

Ja, im März 2005 in Schleswig-Holstein. Auch zwölf Jahre danach ist nicht klar, wer damals in Kiel der so genannte „Heidemörder“ war, der die amtierende Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) stürzte. Sie verfügte für ihre Wiederwahl im Landtag – wie Laschet jetzt – nur über eine Stimme Vorsprung, hatte aber, im Gegensatz zu Laschet einen Gegenkandidaten: Peter Harry Carstensen von der CDU. Das Drama dauerte siebeneinhalb Stunden und vier Wahlgänge. Simonis bekam einfach nicht genügend Stimmen. Ein Mitglied ihres Lagers von SPD, Grünen und SSW hatte Simonis’ Wahl verhindert. Es war das Ende ihrer politischen Karriere. Das Parlament wählte wenige Wochen später Carstensen zum Ministerpräsidenten.

Warum hat Laschet keinen Gegenkandidaten?

SPD-Fraktionschef Norbert Römer hatte dies nach seiner Wiederwahl Ende Mai ausgeschlossen. Die Wahlsieger von CDU und FDP hätten einen klaren Regierungsauftrag, sagte er. Die Grünen sehen das auch so. Die AfD hat sich bisher nicht dazu geäußert. Es gilt aber als wenig wahrscheinlich, dass sie einen Kandidaten aufstellt.

Gibt es eine Anwesenheitspflicht bei der Wahl des Ministerpräsidenten?

Die Fraktionen dringen natürlich auf Vollzähligkeit. Aber die Geschäftsordnung schreibt den Abgeordneten nur vor, den Präsidenten sofort zu informieren, wenn sie an einer Sitzung nicht teilnehmen können. Sollte ein Mitglied des Landtags am Dienstag wegen einer Erkrankung nicht anwesend sein, würde dennoch gewählt. Pech für die betroffene Fraktion.

Wie wurde Hannelore Kraft gewählt?

2010, als sie Chefin einer Minderheitsregierung wurde, scheiterte sie im ersten Wahlgang, weil eine Stimme zur absoluten Mehrheit von 91 Stimmen fehlte. Im zweiten Wahlgang erreichte Kraft die erforderliche Mehrheit mit 90 zu 80 Stimmen. 11 Abgeordnete enthielten sich. 2012 reichte ihr ein Wahlgang. Sie erhielt sogar mindestens neun Stimmen aus Fraktionen, die nicht ihrem rot-grünen Lager angehörten.