Essen. . Wohlfahrtsverbände in NRW sorgen sich um die Ausbildung der Fachkräfte von morgen. Sie fordern eine satte Erhöhung der Landeszuschüsse.
2012 drohte der Pflegenotstand: Die Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse Coopers rechneten in einer Studie vor, dass im Jahr 2030 in NRW rund 38 600 Fachkräfte in der Altenpflege fehlen würden – so viele wie in keinem anderen Bundesland. Noch-NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) führte gegen die Personalnot eine Ausbildungsumlage ein: Pflegeeinrichtungen, die nicht selbst schulen, tragen seitdem die Ausbildungskosten in anderen Betrieben mit. Das System zeigt Wirkung: 18 500 Altenpflegeschüler gehören zum aktuellen Ausbildungsjahrgang, 85 Prozent mehr als 2012.
Doch jetzt spielen Sozialverbände den Ball ans Land zurück. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW fordert in den Wochen der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und FDP mehr Hilfe für die Ausbildung der Fachkräfte, einheitliche Qualitätsstandards – und eine Abkehr vom Umlagesystem. Die Träger der Freien Wohlfahrtspflege bilden mit 13.000 Altenpflegeschülern die Mehrheit der Fachkräfte in Pflegeheimen und ambulanten Diensten aus. Sie betreiben mit 115 auch die meisten der knapp 170 Fachseminare, in denen die schulische Lehre stattfindet. Das Land bezuschusst die Schulen pauschal pro Monat und Azubi – Voraussetzung dafür ist, dass die Schulen kein Schulgeld fordern.
Landes-Pauschale wurde trotz steigenden Bedarfs sogar gesenkt
Seit 20 Jahren, so der Vorwurf der Verbände, sei diese Pauschale nicht erhöht worden, 2006 wurde sie sogar gesenkt: von 317 auf 280 Euro. Das decke nicht die Kosten: Inzwischen müssen die Träger nach Angaben der Wohlfahrtspflege ein Gesamtdefizit in zweistelliger Millionenhöhe für den Betrieb der Fachseminare auffangen. „Die Qualität der Ausbildung in der Altenpflege kann derzeit nur gewährleistet werden, weil die Träger sich über das Maß hinaus engagieren“, sagte Brigitte von Germeten-Ortmann vom Diözesan-Caritasverband Paderborn. Uwe Hildebrandt, Fachmann für Altenpflege bei der Wohlfahrtspflege und Chef der Arbeiterwohlfahrt Westliches Westfalen, weiß um die Folgen: „Es werden sich immer mehr Träger aus der Ausbildung zurückziehen.“
Nötig sei eine Pauschale von 485 Euro – angelehnt an den Satz, den Krankenkassen für die theoretische Krankenpflegeausbildung bereitstellen. Damit bestehe Spielraum, um die Ausstattung zu verbessern und mehr Lehrkräfte fest anzustellen. „Das sehen ja auch die Altenpflegeschüler, wie es beispielsweise um die Qualität der Räume bestellt ist“, warnt Hildebrandt. Gerade in Zeiten weniger werdender Schulabgänger müsse mehr in Qualität und Wettbewerbsfähigkeit der Altenpflegeausbildung investiert werden. Einheitliche Standards, etwa zur Anzahl der hauptamtlichen Unterrichtskräfte, wurden 2006 ausgesetzt.
Die Zuschüsse steigen - weil die Zahl der Auszubildenden steigt
Gesundheitsministerin Steffens verweist auf die seit 2010 verdoppelten Zuschüsse an Altenpflegeschulen: von 32 auf aktuell 64 Millionen Euro. Die Steigerung kommt aber durch höhere Ausbildungszahlen und damit mehr Schulplätze zustande, nicht durch höhere Pauschalen. Das sei aufgrund der Haushaltskonsolidierung nicht möglich gewesen, heißt es aus dem Ministerium.
Dass trotzdem die Zahl der Seminare von rund 110 im Jahr 2010 auf jetzt knapp 170 gestiegen ist, ist für die Ministerin der Gegenbeweis zur beklagten Finanznot. „Das widerspricht der These vom Kollaps“, so Steffens. Zudem seien die Fachseminare besser ausgelastet, das habe zu Mehreinnahmen für die Betreiber geführt.
Handlungsbedarf bei Qualität und Finanzierung der Altenpflegeausbildung sieht das Ministerium aber durchaus. Die Schulpauschalen zu erhöhen, sei Aufgabe in der kommenden Legislaturperiode. Dies sei unabhängig von einer für 2019 geplanten Bundesreform der Pflegeberufe.
Den Wohlfahrtsverbänden geht das nicht weit genug: Sie fordern eine Abkehr vom Umlagesystem. Damit, so ihre Kritik, würden letztlich die Pflegenden die Ausbildungskosten tragen. „Die Pflege und damit die pflegerische Ausbildung müssen als gesellschaftliche Aufgabe wahrgenommen werden“, sagt Hildebrandt. „Damit müssen auch die Kosten von der Gesellschaft getragen werden.“ Nötig seien gleiche Bedingungen wie in der Krankenpflege, wo Ausbildungskosten von den Krankenkassen und damit der Allgemeinheit der Versicherten gestemmt werden.