Kugel auf Benno Ohnesorg: Ein Tod veränderte die Republik
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Berlin. Vor 50 Jahren starb Benno Ohnesorg bei einer Demo durch eine Polizeikugel. Sein Tod wurde zum Wendepunkt für die Protestbewegung.
Es ist ein sonniger Frühsommertag – Kaiserwetter zum Kaiserbesuch. Doch dieser Freitag endet furchtbar. Keiner ahnt, dass dieser 2. Juni 1967 die noch junge Bundesrepublik radikal verändern wird.
West-Berlin erwartet Mohammad Reza Pahlavi, Schah von Persien, heute Iran, mit seiner Frau Farah Diba zum glamourösen Staatsbesuch. Die noch junge Studentenbewegung an der Freien Universität (FU) kümmert die Visite des kaiserlichen Diktators zunächst kaum. Ihre Kritik, Demonstrationen und Sit-ins richten sich gegen den Vietnamkrieg, die geplanten Notstandsgesetze, sie fordern Hochschulreformen („Unter den Talaren, der Muff von tausend Jahren“).
Das ändert sich, als am Vorabend des 2. Juni der 30 Jahre alte Exil-Iraner Bahman Nirumand sein Buch „Persien, Modell eines Entwicklungslandes, oder: Die Diktatur der Freien Welt“ im Audimax der Freien Universität Berlin vorstellt. In der sich aufputschenden Atmosphäre wird am Ende aufgerufen, am folgenden Tag vormittags vor dem Schöneberger Rathaus und abends vor der Deutschen Oper gegen den Schah und dessen Regime zu demonstrieren. Dorthin hatte Bundespräsident Heinrich Lübke das kaiserliche Paar zur „Zauberflöte“ geladen.
Schon am Morgen vor dem Schuss eskaliert die Situation
Vor dem Rathaus Schöneberg nimmt das Unheil seinen Lauf. Als die Studenten ihren Protest bis hin zu „Mörder, Mörder“-Rufen herausschreien, prügeln plötzlich rund 70 „Jubel-Perser“, ganz offensichtlich Geheimdienstmänner des Schahs, mit Latten auf die Demonstranten ein. Deren Wut und Empörung wird noch dadurch gesteigert, dass die West-Berliner Polizisten nicht eingreifen.
Das heizt die Stimmung am Abend vor der Deutschen Oper weiter an. Die Demonstranten werden jenseits der Bismarckstraße auf dem Bürgersteig zwischen Absperrgittern und einem Bauzaun auf Distanz gehalten. Doch Protestrufe, Sprechchöre, auch Papierknäuel, Tomaten und Eier, zum Schluss wohl auch noch gegen die vorfahrenden Honoratioren geschleuderte Steine verhageln den Gastgebern die gute Stimmung.
Als drinnen die ersten Takte von Mozarts „Zauberflöte“ erklingen, fällt draußen, es ist 20.07 Uhr, der Räumungsbefehl – Order: „Knüppel frei“. Der Beginn einer „blutigen Straßenschlacht“, wie der Reporter der „Berliner Morgenpost“ noch am Abend schreibt. Am Ende ein Toter: der von einem Polizisten erschossene Germanistikstudent Benno Ohnesorg. Den Befehl, nach Beginn der Opernvorstellung den gegenüberliegenden Gehweg mit einem „massierten Polizeieinsatz und Schlagstockgebrauch“ zu räumen, gibt Polizeipräsident Erich Duensing.
Karl-Heinz Kurras drückt aus nächster Nähe ab
„Die haben reingehauen, ich hab die Knüppel gesehen, die da hochflogen, auf die Leute, die nicht weggehen wollten … Die konnten ja gar nicht nach vorne weg“, erinnert sich kürzlich ein bei der Räumung eingesetzter Polizeischüler im „Tagesspiegel“. Rettung verheißen die Nebenstraßen. Benno Ohnesorg, kein Aktivist, mehr ein mit den Ungerechtigkeiten der Welt hadernder Schöngeist, flüchtet sich in die Krumme Straße.
Doch da baut sich vor ihm und anderen, die einen Ausweg suchen, eine Kette von 30 Schutzpolizisten auf. In Panik flüchtet sich Ohnesorg in den Innenhof des Hauses Krumme Straße 66/67. Er hat erst vor wenigen Wochen geheiratet, seine Frau ist schwanger. Sie wartet zu Hause auf ihn. Andere Demonstranten, Fotografen und auch Polizisten rennen wie Ohnesorg in den Hof. Wieder wird geprügelt. Dann fällt plötzlich ein Schuss. Es ist kurz nach 20.30 Uhr. „Bist du wahnsinnig, hier zu schießen?“, brüllt ein Kollege den Todesschützen an. Es ist der Kriminalbeamte Karl-Heinz Kurras. Der stammelt „Die ist mir losgegangen …“
In Wahrheit hat Kurras aus nächster Nähe abgedrückt, Ohnesorg tödlich im Kopf getroffen. Verurteilt wird er dafür nie, weil die Umstände aus falscher Kameraderie vertuscht werden. Selbst als Kurras 2009 als Stasi-Spitzel enttarnt wird, reicht es nicht zu einer Verurteilung. Auch deshalb, weil er inzwischen an Demenz leidet. 2014 stirbt Kurras. Nichts spricht dafür, dass er im Auftrag der Stasi einen Studenten erschießen sollte.
Die Geschichte der Roten Armee Fraktion
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2. Juni 1967: Wendepunkt der studentischen Protestbewegung
Der Tod Benno Ohnesorgs wird zum entscheidenden Wendepunkt in der studentischen Protestbewegung; von der Apo, der außerparlamentarischen Opposition, bis hin zum Terror der RAF. Es ist dieser 2. Juni 1967, der die Studenten nicht nur in Berlin fassungslos macht, viele mit der Nachkriegsrepublik brechen lässt. Mit der Folge, dass sich ihr Protest, ihr Aufbegehren gegen verkrustete gesellschaftliche Strukturen zu einer Massenbewegung entwickelt, die die Republik verändert. Was heute gemeinhin als „68er-Bewegung“ gilt, ist eigentlich die „67er-Bewegung“.
Protest und Aufbegehren scheiden sich allerdings schon sehr bald an der Frage der Gewalt. Die eher Friedfertigen setzen auf inhaltliche Reformen, folgen dem Ruf des bekanntesten Studentenführers Rudi Dutschke zum „Marsch durch die Institutionen“. Bis hin zur Gründung einer neuen Partei, der Grünen. Die Radikalen spalten sich ab, versteigen sich dazu, dem Staat, dessen Institutionen und Repräsentanten den Krieg zu erklären. Mit Überfällen, Entführungen und Morden greift erst die „Bewegung 2. Juni“, später die RAF, die Rote Armee Fraktion, zu den Waffen. Zum Höhepunkt des Terrorismus wird die Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer im Herbst 1977. Zehn Jahre nach dem Mord an Ohnesorg.
Auch ihre schärfsten Kritiker bestreiten nicht länger, dass die „67er/68er“ gesellschaftspolitische Verkrustungen aufgebrochen haben: von der sexuellen Revolution über die Frauenbewegung, die Akzeptanz von Pop- und Subkultur bis hin zu stärkerer politischer Einmischung und Teilhabe und damit zur Stärkung des demokratischen Bewusstseins. Für das tolerante Deutschland, auf das viele Nachbarstaaten heute anerkennend blicken, hat die studentische Revolte den entscheidenden Anstoß gegeben. Gescheitert sind dagegen die revolutionären Ansätze aus den Anfangsjahren der „67er/68er“.
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