Berlin. Vor 50 Jahren starb Benno Ohnesorg bei einer Demo durch eine Polizeikugel. Sein Tod wurde zum Wendepunkt für die Protestbewegung.

Es ist ein sonniger Frühsommertag – Kaiserwetter zum Kaiserbesuch. Doch dieser Freitag endet furchtbar. Keiner ahnt, dass dieser 2. Juni 1967 die noch junge Bundesrepublik radikal verändern wird.

West-Berlin erwartet Mohammad Reza Pahlavi, Schah von Persien, heute Iran, mit seiner Frau Farah Diba zum glamourösen Staatsbesuch. Die noch junge Studentenbewegung an der Freien Universität (FU) kümmert die Visite des kaiserlichen Diktators zunächst kaum. Ihre Kritik, Demonstrationen und Sit-ins richten sich gegen den Vietnamkrieg, die geplanten Notstandsgesetze, sie fordern Hochschulreformen („Unter den Talaren, der Muff von tausend Jahren“).

Das ändert sich, als am Vorabend des 2. Juni der 30 Jahre alte Exil-Iraner Bahman Nirumand sein Buch „Persien, Modell eines Entwicklungslandes, oder: Die Diktatur der Freien Welt“ im Audimax der Freien Universität Berlin vorstellt. In der sich aufputschenden Atmosphäre wird am Ende aufgerufen, am folgenden Tag vormittags vor dem Schöneberger Rathaus und abends vor der Deutschen Oper gegen den Schah und dessen Regime zu demonstrieren. Dorthin hatte Bundespräsident Heinrich Lübke das kaiserliche Paar zur „Zauberflöte“ geladen.

Schon am Morgen vor dem Schuss eskaliert die Situation

Vor dem Rathaus Schöneberg nimmt das Unheil seinen Lauf. Als die Studenten ihren Protest bis hin zu „Mörder, Mörder“-Rufen herausschreien, prügeln plötzlich rund 70 „Jubel-Perser“, ganz offensichtlich Geheimdienstmänner des Schahs, mit Latten auf die Demonstranten ein. Deren Wut und Empörung wird noch dadurch gesteigert, dass die West-Berliner Polizisten nicht eingreifen.

Das heizt die Stimmung am Abend vor der Deutschen Oper weiter an. Die Demonstranten werden jenseits der Bismarckstraße auf dem Bürgersteig zwischen Absperrgittern und einem Bauzaun auf Distanz gehalten. Doch Protestrufe, Sprechchöre, auch Papierknäuel, Tomaten und Eier, zum Schluss wohl auch noch gegen die vorfahrenden Honoratioren geschleuderte Steine verhageln den Gastgebern die gute Stimmung.

Als drinnen die ersten Takte von Mozarts „Zauberflöte“ erklingen, fällt draußen, es ist 20.07 Uhr, der Räumungsbefehl – Order: „Knüppel frei“. Der Beginn einer „blutigen Straßenschlacht“, wie der Reporter der „Berliner Morgenpost“ noch am Abend schreibt. Am Ende ein Toter: der von einem Polizisten erschossene Germanistikstudent Benno Ohnesorg. Den Befehl, nach Beginn der Opernvorstellung den gegenüberliegenden Gehweg mit einem „massierten Polizeieinsatz und Schlagstockgebrauch“ zu räumen, gibt Polizeipräsident Erich Duensing.

Karl-Heinz Kurras drückt aus nächster Nähe ab

„Die haben reingehauen, ich hab die Knüppel gesehen, die da hochflogen, auf die Leute, die nicht weggehen wollten … Die konnten ja gar nicht nach vorne weg“, erinnert sich kürzlich ein bei der Räumung eingesetzter Polizeischüler im „Tagesspiegel“. Rettung verheißen die Nebenstraßen. Benno Ohnesorg, kein Aktivist, mehr ein mit den Ungerechtigkeiten der Welt hadernder Schöngeist, flüchtet sich in die Krumme Straße.

Doch da baut sich vor ihm und anderen, die einen Ausweg suchen, eine Kette von 30 Schutzpolizisten auf. In Panik flüchtet sich Ohnesorg in den Innenhof des Hauses Krumme Straße 66/67. Er hat erst vor wenigen Wochen geheiratet, seine Frau ist schwanger. Sie wartet zu Hause auf ihn. Andere Demonstranten, Fotografen und auch Polizisten rennen wie Ohnesorg in den Hof. Wieder wird geprügelt. Dann fällt plötzlich ein Schuss. Es ist kurz nach 20.30 Uhr. „Bist du wahnsinnig, hier zu schießen?“, brüllt ein Kollege den Todesschützen an. Es ist der Kriminalbeamte Karl-Heinz Kurras. Der stammelt „Die ist mir losgegangen …“

In Wahrheit hat Kurras aus nächster Nähe abgedrückt, Ohnesorg tödlich im Kopf getroffen. Verurteilt wird er dafür nie, weil die Umstände aus falscher Kameraderie vertuscht werden. Selbst als Kurras 2009 als Stasi-Spitzel enttarnt wird, reicht es nicht zu einer Verurteilung. Auch deshalb, weil er inzwischen an Demenz leidet. 2014 stirbt Kurras. Nichts spricht dafür, dass er im Auftrag der Stasi einen Studenten erschießen sollte.

Die Geschichte der Roten Armee Fraktion

Der Kampf gegen die Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF) war die bisher größte Belastungsprobe für die Bundesrepublik Deutschland. 34 Morde gehen auf das Konto der RAF, dazu zahlreiche Banküberfälle und Sprengstoffattentate. Einer der führenden Köpfe war Andreas Baader (Foto).
Der Kampf gegen die Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF) war die bisher größte Belastungsprobe für die Bundesrepublik Deutschland. 34 Morde gehen auf das Konto der RAF, dazu zahlreiche Banküberfälle und Sprengstoffattentate. Einer der führenden Köpfe war Andreas Baader (Foto). © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Nach Baaders Befreiung aus der Haft gründete er im Mai 1970 die linksextremistische Terrorgruppe zusammen mit Gudrun Ensslin, Horst Mahler, Ulrike Meinhof (Foto) und anderen. Die Gruppe wurde zunächst als „Baader-Meinhof-Bande“ bezeichnet, Mitte der 70er-Jahre setzte sich der selbstgewählte, auf die sowjetische Rote Armee bezogene Name „Rote Armee Fraktion“ durch.
Nach Baaders Befreiung aus der Haft gründete er im Mai 1970 die linksextremistische Terrorgruppe zusammen mit Gudrun Ensslin, Horst Mahler, Ulrike Meinhof (Foto) und anderen. Die Gruppe wurde zunächst als „Baader-Meinhof-Bande“ bezeichnet, Mitte der 70er-Jahre setzte sich der selbstgewählte, auf die sowjetische Rote Armee bezogene Name „Rote Armee Fraktion“ durch. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Bereits 1968 hatten Baader und Ensslin zwei Kaufhäuser in Brand gesetzt. Sie wurden gefasst und vor Gericht gestellt. Dort wurden sie von Mahler als Anwalt vertreten, Meinhof nahm als Reporterin am Prozess teil. Die Führungsriege der sogenannten ersten RAF-Generation kam so zum ersten Mal zusammen.
Bereits 1968 hatten Baader und Ensslin zwei Kaufhäuser in Brand gesetzt. Sie wurden gefasst und vor Gericht gestellt. Dort wurden sie von Mahler als Anwalt vertreten, Meinhof nahm als Reporterin am Prozess teil. Die Führungsriege der sogenannten ersten RAF-Generation kam so zum ersten Mal zusammen. © imago stock&people | imago stock&people
Die RAF verstand sich als Stadtguerilla, die sich gegen Kapitalismus, die parlamentarische Demokratie und bürgerliche Lebensformen wandte. Beeinflusst wurde sie von der Westdeutschen Studentenbewegung der 60er-Jahre, aus der die außerparlamentarische Opposition (APO) hervorging. Dass am 2. Juni 1967 der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde (das Foto zeigt Ohensorgs Beerdigung), ließ die Situation weiter eskalieren.
Die RAF verstand sich als Stadtguerilla, die sich gegen Kapitalismus, die parlamentarische Demokratie und bürgerliche Lebensformen wandte. Beeinflusst wurde sie von der Westdeutschen Studentenbewegung der 60er-Jahre, aus der die außerparlamentarische Opposition (APO) hervorging. Dass am 2. Juni 1967 der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde (das Foto zeigt Ohensorgs Beerdigung), ließ die Situation weiter eskalieren. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Auch das Attentat auf Rudi Dutschke, den Wortführer der Studentenbewegung, am 11. April 1968 hat wohl dazu beigetragen, dass sich innerhalb der APO ein militanter Teil entwickelte. Nach dem Zerfall der Bewegung 1969 fand diese Radikalität ihren Ausdruck in der RAF.
Auch das Attentat auf Rudi Dutschke, den Wortführer der Studentenbewegung, am 11. April 1968 hat wohl dazu beigetragen, dass sich innerhalb der APO ein militanter Teil entwickelte. Nach dem Zerfall der Bewegung 1969 fand diese Radikalität ihren Ausdruck in der RAF. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Im Mai 1972 starteten die Terroristen um Ulrike Meinhof eine Offensive mit mehreren Anschlägen in deutschen Städten, unter anderem auf die Polizei in Augsburg und München. Vier Menschen kamen dabei ums Leben. Schon kurze Zeit später fassten die Ermittler Andreas Baader – Ulrike Meinhof wurde zwei Wochen nach ihm verhaftet.
Im Mai 1972 starteten die Terroristen um Ulrike Meinhof eine Offensive mit mehreren Anschlägen in deutschen Städten, unter anderem auf die Polizei in Augsburg und München. Vier Menschen kamen dabei ums Leben. Schon kurze Zeit später fassten die Ermittler Andreas Baader – Ulrike Meinhof wurde zwei Wochen nach ihm verhaftet. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Bis Ende Juni 1972 befand sich die komplette Führungsriege der ersten RAF-Generation in Haft.
Bis Ende Juni 1972 befand sich die komplette Führungsriege der ersten RAF-Generation in Haft. © imago | imago
Wichtigstes Ziel der zweiten RAF-Generation um Siegfried Haag und Roland Mayer war es, die inhaftierte erste Generation zu befreien. Dafür brauchten sie Druckmittel.
Wichtigstes Ziel der zweiten RAF-Generation um Siegfried Haag und Roland Mayer war es, die inhaftierte erste Generation zu befreien. Dafür brauchten sie Druckmittel. © imago stock&people | imago stock&people
Also gingen die Terroristen dazu über, Geiseln zu nehmen. Erstes Opfer war der Berliner CDU-Spitzenkandidat Peter Lorenz.
Also gingen die Terroristen dazu über, Geiseln zu nehmen. Erstes Opfer war der Berliner CDU-Spitzenkandidat Peter Lorenz. © imago stock&people | imago stock&people
Die Entführung ereignete sich am 27. Februar 1975, als der Politiker mit dem Auto auf dem Weg ins Büro war. Zwei Männer und eine Frau stoppten den Wagen, schlugen seinen Fahrer nieder und entführten Lorenz. Anschließend forderten sie die Freilassung inhaftierter Terroristen. Unter anderem kam Verena Becker frei. Es sollte das einzige Mal bleiben, dass die Regierung auf einen Erpressungsversuch der RAF einging.
Die Entführung ereignete sich am 27. Februar 1975, als der Politiker mit dem Auto auf dem Weg ins Büro war. Zwei Männer und eine Frau stoppten den Wagen, schlugen seinen Fahrer nieder und entführten Lorenz. Anschließend forderten sie die Freilassung inhaftierter Terroristen. Unter anderem kam Verena Becker frei. Es sollte das einzige Mal bleiben, dass die Regierung auf einen Erpressungsversuch der RAF einging. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Am 4. April 1975 nahm die RAF Geiseln in der deutschen Botschaft in Stockholm. Zwei Diplomaten wurden getötet. Als ein Sprengsatz aus Versehen detonierte, starben auch zwei Terroristen.
Am 4. April 1975 nahm die RAF Geiseln in der deutschen Botschaft in Stockholm. Zwei Diplomaten wurden getötet. Als ein Sprengsatz aus Versehen detonierte, starben auch zwei Terroristen. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Am 9. Mai 1976 starb Ulrike Meinhof. Sie erhängte sich mit einem in Streifen gerissenen Handtuch an ihrem Zellenfenster in der JVA Stuttgart-Stammheim.
Am 9. Mai 1976 starb Ulrike Meinhof. Sie erhängte sich mit einem in Streifen gerissenen Handtuch an ihrem Zellenfenster in der JVA Stuttgart-Stammheim. © imago | imago
1977 sollte als blutigstes Jahr in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen. Es begann mit der Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback am 7. April. Er wurde zusammen mit seinem Fahrer Wolfgang Göbel und dem Leiter der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft Georg Wurster in seinem Wagen erschossen. Wer die Tat begangen hat, ist bis heute unklar.
1977 sollte als blutigstes Jahr in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen. Es begann mit der Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback am 7. April. Er wurde zusammen mit seinem Fahrer Wolfgang Göbel und dem Leiter der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft Georg Wurster in seinem Wagen erschossen. Wer die Tat begangen hat, ist bis heute unklar. © imago/Sven Simon | imago stock&people
Am 30. Juli 1977 folgte der Mord an Jürgen Ponto, Vorstandssprecher der Dresdner Bank AG. Weil das RAF-Mitglied Susanne Albrecht persönlich mit ihm bekannt war, lud er sie zu sich nach Hause ein. Sie erschien mit Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar, um ihn zu entführen. Doch als sich Ponto wehrte, schossen Mohnhaupt und Klar auf ihn. Er starb im Krankenhaus.
Am 30. Juli 1977 folgte der Mord an Jürgen Ponto, Vorstandssprecher der Dresdner Bank AG. Weil das RAF-Mitglied Susanne Albrecht persönlich mit ihm bekannt war, lud er sie zu sich nach Hause ein. Sie erschien mit Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar, um ihn zu entführen. Doch als sich Ponto wehrte, schossen Mohnhaupt und Klar auf ihn. Er starb im Krankenhaus. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Seinen Höhepunkt erreichte der Linksterrorismus in Deutschland im sogenannten Deutschen Herbst im September und Oktober 1977. Der Präsident des Bundesverbandes der Arbeitgeber Hanns Martin Schleyer wurde am 5. September zunächst entführt.
Seinen Höhepunkt erreichte der Linksterrorismus in Deutschland im sogenannten Deutschen Herbst im September und Oktober 1977. Der Präsident des Bundesverbandes der Arbeitgeber Hanns Martin Schleyer wurde am 5. September zunächst entführt. © imago | imago
Die Terroristen überfielen Schleyer in seinem Auto und erschossen seine vier Begleiter.
Die Terroristen überfielen Schleyer in seinem Auto und erschossen seine vier Begleiter. © imago stock&people | imago stock&people
Ein Fahndungsblatt zeigt die Hauptverdächtigen Friederike Krabbe, Willy Peter Stoll und Rolf Clemens Wagner sowie die zur Tat benutzten Autos. Mit der Geiselnahme wollte man erneut alle inhaftierten RAF-Terroristen der ersten Generation freipressen.
Ein Fahndungsblatt zeigt die Hauptverdächtigen Friederike Krabbe, Willy Peter Stoll und Rolf Clemens Wagner sowie die zur Tat benutzten Autos. Mit der Geiselnahme wollte man erneut alle inhaftierten RAF-Terroristen der ersten Generation freipressen. © imago stock&people | imago stock&people
Als die Regierung nicht darauf einging, entführte die mit der RAF kooperierende Palästinensische Volksfront zur Befreiung Palästinas die Lufthansamaschine „Landshut“ am 13. Oktober 1977.
Als die Regierung nicht darauf einging, entführte die mit der RAF kooperierende Palästinensische Volksfront zur Befreiung Palästinas die Lufthansamaschine „Landshut“ am 13. Oktober 1977. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Die 86 Passagiere konnten am 18. Oktober durch einen GSG9-Einsatz befreit werden. Drei von vier Terroristen wurden erschossen. Der Pilot war bereits zuvor von den Geiselnehmern getötet worden.
Die 86 Passagiere konnten am 18. Oktober durch einen GSG9-Einsatz befreit werden. Drei von vier Terroristen wurden erschossen. Der Pilot war bereits zuvor von den Geiselnehmern getötet worden. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Heinz Wieseler
Die „Landshut“ befand sich bis 2017 auf dem Flugzeug-Friedhof des International Airport von Fortaleza in Brasilien.
Die „Landshut“ befand sich bis 2017 auf dem Flugzeug-Friedhof des International Airport von Fortaleza in Brasilien. © imago/Agencia EFE | imago stock&people
Nach der gescheiterten Geiselnahme tötete die RAF Hanns Martin Schleyer am 18. Oktober 1977. Seine Leiche legten die Terroristen in den Kofferraum eines Autos und teilten Medien den Standort im französischen Mülhausen mit. Doch es sollte noch mehr Tote geben.
Nach der gescheiterten Geiselnahme tötete die RAF Hanns Martin Schleyer am 18. Oktober 1977. Seine Leiche legten die Terroristen in den Kofferraum eines Autos und teilten Medien den Standort im französischen Mülhausen mit. Doch es sollte noch mehr Tote geben. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Die RAF-Spitze der ersten Generation beging noch am gleichen Tag kollektiven Selbstmord. Andreas Baader und Jan-Carl Raspe erschossen sich in ihren Zellen in der JVA Stammheim mit Waffen, die zuvor hineingeschmuggelt worden waren.
Die RAF-Spitze der ersten Generation beging noch am gleichen Tag kollektiven Selbstmord. Andreas Baader und Jan-Carl Raspe erschossen sich in ihren Zellen in der JVA Stammheim mit Waffen, die zuvor hineingeschmuggelt worden waren. © imago stock&people | imago stock&people
Gudrun Ensslin (r.) erhängte sich mit einem Kabel. Einen knappen Monat später, am 12. November 1977, tat es RAF-Gründungsmitglied Ingrid Schubert (l.) ihr gleich. Sie starb in ihrer Zelle in der JVA München.
Gudrun Ensslin (r.) erhängte sich mit einem Kabel. Einen knappen Monat später, am 12. November 1977, tat es RAF-Gründungsmitglied Ingrid Schubert (l.) ihr gleich. Sie starb in ihrer Zelle in der JVA München. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Auch Irmgard Möller hatte sich am 18. Oktober 1977 umbringen wollen. Sie fügte sich vier Herzstiche mit dem anstaltseigenen Besteckmesser zu. Sie waren aber nicht tödlich. Damit war Möller die einzige Überlebende der sogenannten Todesnacht von Stammheim.
Auch Irmgard Möller hatte sich am 18. Oktober 1977 umbringen wollen. Sie fügte sich vier Herzstiche mit dem anstaltseigenen Besteckmesser zu. Sie waren aber nicht tödlich. Damit war Möller die einzige Überlebende der sogenannten Todesnacht von Stammheim. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Großer Andrang bei der Beerdigung der drei RAF-Terroristen Baader, Ensslin und Raspe auf dem Stuttgarter Dornhaldenfriedhof am 28. Oktober 1977.
Großer Andrang bei der Beerdigung der drei RAF-Terroristen Baader, Ensslin und Raspe auf dem Stuttgarter Dornhaldenfriedhof am 28. Oktober 1977. © imago/Horst Rudel | imago stock&people
Etwa 1000 Polizisten bewachten die Beerdigung und kontrollierten die Teilnehmer.
Etwa 1000 Polizisten bewachten die Beerdigung und kontrollierten die Teilnehmer. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Nachdem die zweite RAF-Generation damit gescheitert war, die erste Generation freizupressen, konzentrierte sich die dritte Generation ab Mai 1982 auf ein neues Ziel: präzise geplante Angriffe und Kooperation mit anderen westeuropäischen linksextremistischen Gruppen. Von dieser Generation sind nur wenige Mitglieder bekannt. Zwischen 1985 und 1993 beging die RAF zehn Morde. Eines ihrer Opfer war der Diplomat Gerold von Braunmühl.
Nachdem die zweite RAF-Generation damit gescheitert war, die erste Generation freizupressen, konzentrierte sich die dritte Generation ab Mai 1982 auf ein neues Ziel: präzise geplante Angriffe und Kooperation mit anderen westeuropäischen linksextremistischen Gruppen. Von dieser Generation sind nur wenige Mitglieder bekannt. Zwischen 1985 und 1993 beging die RAF zehn Morde. Eines ihrer Opfer war der Diplomat Gerold von Braunmühl. © imago/Dieter Bauer | imago stock&people
Braunmühl wurde am 10. Oktober 1986 vor seinem Haus in Bonn-Ippendorf erschossen. Das Fluchtauto (Foto) fanden die Ermittler vier Tage später im Stadtteil Endenich. Als Tatwaffe wurde ein Revolver identifiziert, mit dem wahrscheinlich auch Hanns Martin Schleyer erschossen worden war.
Braunmühl wurde am 10. Oktober 1986 vor seinem Haus in Bonn-Ippendorf erschossen. Das Fluchtauto (Foto) fanden die Ermittler vier Tage später im Stadtteil Endenich. Als Tatwaffe wurde ein Revolver identifiziert, mit dem wahrscheinlich auch Hanns Martin Schleyer erschossen worden war. © imago/Dieter Bauer | imago stock&people
Am 30. November 1989 starb der Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, in Bad Homburg durch eine Bombe. Diese befand sich auf einem präparierten Fahrrad am Straßenrand. Herrhausens Fahrer wurde nur leicht verletzt. Die Täter konnte nicht ermittelt werden.
Am 30. November 1989 starb der Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, in Bad Homburg durch eine Bombe. Diese befand sich auf einem präparierten Fahrrad am Straßenrand. Herrhausens Fahrer wurde nur leicht verletzt. Die Täter konnte nicht ermittelt werden. © imago stock&people | imago stock&people
Am 27. Juli 1990 überlebte Staatssekretär Hans Neusel einen Bombenanschlag auf sein Auto an der Autobahnauffahrt Bonn-Auerberg.
Am 27. Juli 1990 überlebte Staatssekretär Hans Neusel einen Bombenanschlag auf sein Auto an der Autobahnauffahrt Bonn-Auerberg. © imago stock&people | imago stock&people
Das letzte Todesopfer der RAF war Detlev Karsten Rohwedder, Präsident der Treuhandanstalt. Er wurde am 1. April 1991 von einem Scharfschützen ermordet. Seine Ehefrau wurde verletzt. Am Tatort wurden Haare gefunden, die 2001 Wolfgang Grams zugeordnet werden konnten. Die Bundesanwaltschaft hielt dieses Indiz aber für nicht ausreichend, um den Terroristen als Tatverdächtigen zu benennen. Grams war bereits im Juni 1993 beim Versuch seiner Festnahme durch die GSG9 gestorben. Todesursache war ein aufgesetzter Kopfschuss. Die Umstände seines Todes sind nicht vollständig geklärt.
Das letzte Todesopfer der RAF war Detlev Karsten Rohwedder, Präsident der Treuhandanstalt. Er wurde am 1. April 1991 von einem Scharfschützen ermordet. Seine Ehefrau wurde verletzt. Am Tatort wurden Haare gefunden, die 2001 Wolfgang Grams zugeordnet werden konnten. Die Bundesanwaltschaft hielt dieses Indiz aber für nicht ausreichend, um den Terroristen als Tatverdächtigen zu benennen. Grams war bereits im Juni 1993 beim Versuch seiner Festnahme durch die GSG9 gestorben. Todesursache war ein aufgesetzter Kopfschuss. Die Umstände seines Todes sind nicht vollständig geklärt. © imago stock&people | imago stock&people
Anfang 1992 bot Bundesjustizminister Klaus Kinkel (r.) den RAF-Häftlingen Haftentlassung an, wenn im Gegenzug weitere illegale Aktionen unterblieben. Die RAF ging darauf ein. Gleichwohl verübten die Terroristen im März 1993 einen Sprengstoffanschlag auf die JVA Weiterstadt, bei dem niemand verletzt wurde. Es war die letzte Aktion der Terrorgruppe. Am 20. April 1998 verkündete sie ihre Selbstauflösung in einem Schreiben an die Nachrichtenagentur Reuters. Seitdem trat die RAF nicht mehr in Erscheinung.
Anfang 1992 bot Bundesjustizminister Klaus Kinkel (r.) den RAF-Häftlingen Haftentlassung an, wenn im Gegenzug weitere illegale Aktionen unterblieben. Die RAF ging darauf ein. Gleichwohl verübten die Terroristen im März 1993 einen Sprengstoffanschlag auf die JVA Weiterstadt, bei dem niemand verletzt wurde. Es war die letzte Aktion der Terrorgruppe. Am 20. April 1998 verkündete sie ihre Selbstauflösung in einem Schreiben an die Nachrichtenagentur Reuters. Seitdem trat die RAF nicht mehr in Erscheinung. © imago | imago
Einer der letzten Anschläge der RAF: Bomben zerstörten am 27. Maerz 1993 große Teile der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt westlich von Darmstadt (Hessen). Der damals noch nicht in Betrieb genommene Neubau einer Justizvollzugsanstalt war mit 200 Kilogramm Sprengstoff angegriffen worden. Die mit Haftbefehl gesuchten RAF-Mitglieder Daniela Klette und Volker Straub waren nach Erkenntnis der Ermittler am Terroranschlag beteiligt.
Einer der letzten Anschläge der RAF: Bomben zerstörten am 27. Maerz 1993 große Teile der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt westlich von Darmstadt (Hessen). Der damals noch nicht in Betrieb genommene Neubau einer Justizvollzugsanstalt war mit 200 Kilogramm Sprengstoff angegriffen worden. Die mit Haftbefehl gesuchten RAF-Mitglieder Daniela Klette und Volker Straub waren nach Erkenntnis der Ermittler am Terroranschlag beteiligt. © picture alliance/ASSOCIATED PRESS | AP Content
Die RAF-Terroristen Ernst-Volker Staub, Hubert Garweg und Daniela Klette auf Fahndungsfotos des LKA Niedersachsen. Die drei Mitglieder der dritten RAF-Generation leben seit 1990 im Untergrund. 1998 erklärten andere Mitglieder der Terrorgruppe die Auflösung der RAF, weil ihre Mission gescheitert sei.
Die RAF-Terroristen Ernst-Volker Staub, Hubert Garweg und Daniela Klette auf Fahndungsfotos des LKA Niedersachsen. Die drei Mitglieder der dritten RAF-Generation leben seit 1990 im Untergrund. 1998 erklärten andere Mitglieder der Terrorgruppe die Auflösung der RAF, weil ihre Mission gescheitert sei. © BKA | BKA
Diese Szene stammt aus dem „Tatort: Der rote Schatten
Diese Szene stammt aus dem „Tatort: Der rote Schatten" vom 15. Oktober 2017 – ist aber empfindlich nah an der Realität. Offenbar um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, überfielen die untergetauchten Ex-RAF-Mitglieder Staub, Garweg und Klette mehrere Geldtransporter und Supermärkte. Der letzte Überfall, der ihnen zugeschrieben wird, datiert vom 25. Juni 2016. Das Trio soll an diesem Tag einen Geldtransporter in Cremlingen östlich von Braunschweig (Niedersachsen). © ARD | ARD
40 Jahre nach ihrer Entführung wurde die ehemalige Lufthansa-Maschine „Landshut“ nach zurück Deutschland geholt. Im Innenraum einer russischen Transportmaschine Antonow kam sie am 23. September 2017 auf dem Flughafen von Friedrichshafen (Baden-Württemberg) an. Nun soll sie im Dornier-Museum Friedrichshafen ausgestellt werden.
40 Jahre nach ihrer Entführung wurde die ehemalige Lufthansa-Maschine „Landshut“ nach zurück Deutschland geholt. Im Innenraum einer russischen Transportmaschine Antonow kam sie am 23. September 2017 auf dem Flughafen von Friedrichshafen (Baden-Württemberg) an. Nun soll sie im Dornier-Museum Friedrichshafen ausgestellt werden. © dpa | Karl-Josef Hildenbrand
Das Erbe der RAF beschäftigt die Sicherheitsbehörden aber auch heute noch: nach den RAF-Terroristen Ernst-Volker Staub, Hubert Garweg und Daniela Klette wird nach wie vor gefahndet. Auf Hinweise, die zu ihrer Ergreifung führen, sind hohe Belohnungen ausgesetzt. Experten vermuten, dass sie sich ins Ausland abgesetzt haben und nur für ihre Überfällle nach Deutschland zurückkehren.
Das Erbe der RAF beschäftigt die Sicherheitsbehörden aber auch heute noch: nach den RAF-Terroristen Ernst-Volker Staub, Hubert Garweg und Daniela Klette wird nach wie vor gefahndet. Auf Hinweise, die zu ihrer Ergreifung führen, sind hohe Belohnungen ausgesetzt. Experten vermuten, dass sie sich ins Ausland abgesetzt haben und nur für ihre Überfällle nach Deutschland zurückkehren. © BKA | BKA
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2. Juni 1967: Wendepunkt der studentischen Protestbewegung

Der Tod Benno Ohnesorgs wird zum entscheidenden Wendepunkt in der studentischen Protestbewegung; von der Apo, der außerparlamentarischen Opposition, bis hin zum Terror der RAF. Es ist dieser 2. Juni 1967, der die Studenten nicht nur in Berlin fassungslos macht, viele mit der Nachkriegsrepublik brechen lässt. Mit der Folge, dass sich ihr Protest, ihr Aufbegehren gegen verkrustete gesellschaftliche Strukturen zu einer Massenbewegung entwickelt, die die Republik verändert. Was heute gemeinhin als „68er-Bewegung“ gilt, ist eigentlich die „67er-Bewegung“.

Protest und Aufbegehren scheiden sich allerdings schon sehr bald an der Frage der Gewalt. Die eher Friedfertigen setzen auf inhaltliche Reformen, folgen dem Ruf des bekanntesten Studentenführers Rudi Dutschke zum „Marsch durch die Institutionen“. Bis hin zur Gründung einer neuen Partei, der Grünen. Die Radikalen spalten sich ab, versteigen sich dazu, dem Staat, dessen Institutionen und Repräsentanten den Krieg zu erklären. Mit Überfällen, Entführungen und Morden greift erst die „Bewegung 2. Juni“, später die RAF, die Rote Armee Fraktion, zu den Waffen. Zum Höhepunkt des Terrorismus wird die Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer im Herbst 1977. Zehn Jahre nach dem Mord an Ohnesorg.

Auch ihre schärfsten Kritiker bestreiten nicht länger, dass die „67er/68er“ gesellschaftspolitische Verkrustungen aufgebrochen haben: von der sexuellen Revolution über die Frauenbewegung, die Akzeptanz von Pop- und Subkultur bis hin zu stärkerer politischer Einmischung und Teilhabe und damit zur Stärkung des demokratischen Bewusstseins. Für das tolerante Deutschland, auf das viele Nachbarstaaten heute anerkennend blicken, hat die studentische Revolte den entscheidenden Anstoß gegeben. Gescheitert sind dagegen die revolutionären Ansätze aus den Anfangsjahren der „67er/68er“.