. Viele Verwaltungssitze sind marode. Teilweise sind sie uralt, andere schon nach wenigen Jahrzehnten schadhaft. Ein neues Investitionsgesetz hilft den Kommunen. Ein Überblick der wichtigsten Projekte.
Quadratisch, praktisch – und, ja, auch gut je nach Stilgeschmack. So steht das Dortmunder Rathaus am Friedensplatz seit nun bald 30 Jahren. Statt eines Foyers ein riesiger, glaskuppelbedachter „Bürgersaal“, umgeben von sieben Geschossen mit Büros, OB-Trakt und Ratssaal. Stählerne Portale zieren den Eingangsbereich und erinnern an die mal größte heimische Industriebranche. Die Dortmunder reden aber auch gerne vom „Bierkasten“, aus dem heraus die größte Revier-Stadt regiert wird – als Erinnerung an das andere Stück städtischer Wirtschaftsgeschichte.
Der „Bierkasten“ wird vorübergehend abgestellt. Er ist ein Sanierungsfall. Oberbürgermeister Ulrich Sierau (SPD) hat die Ratsmitglieder darüber vor wenigen Tagen informiert. Nach der Kommunalwahl 2020, so ist es geplant, müssen die Beamten den Bau räumen und für zwei Jahre den Handwerkern überlassen. Auch der OB wird seinen Schreibtisch verlagern müssen.
Dortmund ist kein Einzelfall. Der ganze Rhein-Ruhr-Raum ist plötzlich von einem Rathaus-Bau- und Renovierungsfieber befallen. In mindestens sieben Städten - vom südlichen Arnsberg bis ins nördliche Vest - wird umgeplant und umgegraben. Grob geschätzt könnten sich die Investitionen auf mehr als 100 Millionen Euro belaufen.
Die älteste Bausubstanz, die „entkernt“ und erneuert wird, stammt von 1878. Sie ist in Bottrop zu finden. Die höchste Rathaus-Baustelle ragt über 100 Meter und 23 Etagen in den Ruhr-Himmel und steht am Essener Porscheplatz. Der wohl preiswerteste Eingriff erfolgt im Duisburger Norden, wo die Fassade des alten Hamborner Rathauses zu erneuern ist. Und Wesel hat alles schon hinter sich: Die Front des Gebäudes glänzt seit zwei Jahren wieder im Stil der Hansezeit um 1500. Teils laufen die Arbeiten bereits, teils starten sie erst in einigen Jahren – noch fehlende Planungen oder Kapazitätsengpässe der Bauwirtschaft sind Ursachen.
Warum grassiert dieser Umbau-Boom? Zum einen: Nach 30 oder 40 Jahren sind erste größere Sanierungen immer fällig. Bei einigen Projekten führt allerdings auch die Spur des Geldes zur Antwort. Denn die Kommunen der Region haben jetzt Zugriff zu einem Sonderfinanzierungsprogramm des Bundes, das 2015 als „Kommunalinvestitionsförderungsfonds“ eingerichtet, mit einem eigenen Gesetz namens „KinvFG“ versehen wurde und das ihnen bis zu 90 Prozent Zuschuss aus der Staatskasse sichert.
Das Ziel ist die Hilfe für finanzschwache Gemeinden mit hoher Arbeitslosenquote. Im Topf stecken insgesamt 3,5 Milliarden Euro. Ein Drittel, etwa 1,12 Milliarden, fließt davon nach Nordrhein-Westfalen. NRW ist auch das Bundesland, dessen Städte am heftigsten zugreifen. Zwei Drittel der Gelder waren bis Ende März schon verteilt.
Dabei nimmt sich NRW eigene Freiheiten heraus. Zwar empfiehlt der Bund, mit der Geldspritze besonders in Krankenhäuser, Lärmbekämpfung, Luftreinhaltung und vor allem in Bildungs- und Schulprojekte zu investieren – neben „Maßnahmen mit städtebaulichem Bezug“. Von Verwaltungsgebäuden ist da keine Rede. Die amtierende Düsseldorfer Landesregierung hat den Kommunen das Geld aber pauschal zur Verfügung gestellt. Begründung: „Sie selbst wissen am besten, in welchen Bereichen die Mittel sinnvoll eingesetzt werden können“. Und so kommen hier und da auch Rathaus-Bauten ins Spiel.
Essen
Das Rathaus, Baujahr 1979, bekommt eine umfangreiche energetische Sanierung. Klimatechnik und Beleuchtung in dem 100 Meter hohen Gebäude werden komplett ausgetauscht, auch der Brandschutz wird umfassend saniert. Dabei soll am Ende nicht nur eine bessere Klimabilanz (weniger CO2-Verbrauch) stehen, sondern auch der Komfort für die Rathausbesucher steigen. Neue Klimaanlagen verursachen weniger Lärm und Zugluft. Die Kosten des Umbaus liegen bei rund 10 bis 12 Millionen Euro, die großenteils aus dem neuen kommunalen Investitionsfonds des Bundes kommen sollen. Die betroffenen Ämter werden für die Bauzeit ausquartiert.
Dortmund
Es ist eine Komplettsanierung, sagen sie in der Dortmunder Stadtverwaltung, denn Teile des Baus von 1989 sind schon marode. Die Heizung wird erneuert, Brandmelde-und Sprinkleranlagen sind zu ersetzen. Die Notstromversorgung und die Dachabdichtung. Die Bauleute müssen in jedes Büro des Rathauses, um dort Wände, Fußböden und Decken aufzureißen. Die Bauzeit ist nach dem Baustart 2020 auf zwei Jahre taxiert. Eine konkrete Kostenberechnung liegt noch nicht auf dem Tisch.
Arnsberg
Im Winter ist es zu kalt, im Sommer ist es zu warm, durch die Fenster zieht es bei dem Gebäude aus dem Jahr 1968. Doch im Herbst steht der Sieger eines Architektenwettbewerbs fest, und ab 2018 wird das Rathaus im Stadtteil Neheim nach dem jetzigen Zeitplan saniert. Ziel ist auch eine bessere Energie-Bilanz und eine barrierefreie, behindertenfreundliche Nutzung. Auf eine Aufstockung wird verzichtet. Der Umbau ist Teil eines gesamtstädtischen Erneuerungsprogramms. Drei Jahre lang soll gebaut werden. Für die Baukosten, geschätzt, 21 Millionen Euro – sollen die Förderprogramme des Bundes und des Landes in Anspruch genommen werden.
Marl
Zwei Türme ragen aus der Marler Mitte. Hier ist das Rathaus untergebracht. Beide Gebäudeteile aber sind in schlechtem Zustand, es sind schon Betonteile von den Außenwänden abgeplatzt, die Haus- und Wärmetechnik hat nichts mehr mit dem Standard von 2017 zu tun. Außenhaut, Heizung-, Wasser- und Stromleitungen stehen deswegen auf der To Do-Liste des geplanten Umbaus. Auch barrierefreie Zugänge soll es in Zukunft geben. Der Umbau soll mit Kosten von 39 Millionen Euro erfolgen. Ein alternativer Abriss mit anschließendem Neubau würde 50 Millionen Euro schlucken. Während der Bauzeit müssen 300 Stadtbedienstete in andere Gebäude umziehen.
Bottrop.
Es ist ein richtiges Baudenkmal, das am Ernst-Wilczok-Platz in der Bottroper City steht. Es stammt in seinem heutigen Aussehen aus dem 19. Jahrhundert, nur das Dach wurde nach Bombenschäden im 2. Weltkrieg repariert. Es ist deshalb höchste Zeit für die Sanierung des Rathauses, meint die Stadtspitze. Die Fassaden sind zu renovieren, die Haustechnik einschließlich der für das Klima ist komplett zu erneuern. So können 40 Prozent der Energieaufwendungen für das Verwaltungsgebäude gespart werden, pro Jahr sind das 28 000 Euro. 18 Monate Bauzeit sind vorgesehen, während der die Rathaus-Besatzung an andere Stellen in der Innenstadt arbeitet. Die Kosten in Bottrop werden auf etwa zehn Millionen Euro geschätzt. Mittel aus Förderprogrammen sind bereits genehmigt.
Recklinghausen
Das Rathaus ist eines der schönsten Gebäude Recklinghausens, sagt die Stadt. Vor allem ist es mit Baujahr 1908 fast so alt wie das in Bottrop. Derzeit steckt man mitten in den Umbauarbeiten, die 2018 beendet sein sollen. Die Renovierungen erfolgen denkmalgerecht, es geht „um Substanzerhalt“. Fenster werden erneuert und dichter gemacht, das Leitungsnetz für Wärme, Strom und Frisch- wie Abwasser muss erneuert werden. Die Hauptwasserleitung ist über 100 Jahre alt. Das Dachgeschoss wird wärmegedämmt. Die Kosten werden auf mehr als sieben Millionen Euro geschätzt, von denen (siehe: Fördermittel) nur ein kleinerer Teil aus der eigenen Stadtkasse kommt.
Bochum
In Bochum sind viele Fragen offen. Das Bildungs- und Verwaltungszentrum am Gustav-Heinemann-Platz ist relativ neu. Es wurde 1980 von Abteilungen der Stadtverwaltung bezogen. Aber es ist schon marode, und eine Sanierung würde die Stadtkasse mit 140 Millionen Euro belasten, wie eine Rechnung aus dem letzten Jahr ergab. Andererseits sind Abriss und Neubau derzeit wohl eher unwahrscheinlich. Und nicht nur das: 1100 Stadtbedienstete müssen anders untergebracht werden. Wie eine Lösung aussieht, könnte in diesem Jahr entschieden werden – wohl in Zusammenhang mit einer „Vision“ für die ganze Bochumer City.