London. Die schwedischen Behörden wollen ihre Ermittlungen gegen Julian Assange einstellen. Er bleibt aber in der ecuadorianischen Botschaft.

Julian Assange darf aufatmen – ein bisschen. Der Gründer der Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks postete kommentarlos ein Foto von sich selbst auf Twitter, das ihn entspannt in die Kamera lächeln sah. Der Grund für seine gute Laune: Die schwedische Staatsanwaltschaft hatte am Freitagmorgen bekanntgegeben, dass man alle Ermittlungen im Fall Assange einstelle.

Am Nachmittag äußerte sich der Whistleblower erneut aus seinem Versteck, der ecuadorianischen Botschaft in London, per Twitter: „Sieben Jahre festgehalten ohne eine Anklage, während meine Kinder aufwachsen und mein Name verleumdet wird. Das werde ich nicht verzeihen oder vergessen“, schrieb Assange.

Julian Assange bei seinem Pressestatement auf dem Botschaftsbalkon.
Julian Assange bei seinem Pressestatement auf dem Botschaftsbalkon. © Getty Images | Jack Taylor

Am Freitagnachmittag gab Assange vom Balkon der Botschaft eine Pressekonferenz. Mit gereckter Faust präsentierte er sich den internationalen Journalisten. Er bezeichnete die Entscheidung der schwedischen Justiz als „wichtigen Sieg“ und dankte Ecuador für die Unterstützung. Das ecuadorianische Außenministerium teilte am Freitag mit: „Die Regierung bekräftigt, dass der Schutz des ecuadorianischen Staates bestehen bleibt“, solange Assange politische Verfolgung fürchten müsse.

In den USA gilt Assange als Terrorist

Der Australier Assange soll im August 2010 ungeschützten Geschlechtsverkehr mit zwei Schwedinnen gehabt haben und war deswegen der minderschweren Vergewaltigung beschuldigt worden. Assange hat die Vorwürfe stets bestritten und behauptet, dass der Verkehr einvernehmlich stattgefunden habe. Der 45-Jährige sieht sich als Opfer einer politischen Verschwörung und befürchtet, von Schweden aus in die USA „weitergereicht“ zu werden.

Führende amerikanische Politiker hatten ihn als Terroristen bezeichnet und sogar seine Exekution gefordert. Ihm drohe in den USA, so Assange, ein Prozess wegen Geheimnisverrats und möglicherweise die Todesstrafe.

Assange zeigt sich unversöhnlich: "Ich vergebe nicht."

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    Seine Enthüllungsplattform Wikileaks hatte 2010 rund eine Viertelmillion geheime diplomatische Depeschen von US-Botschaften in der ganzen Welt veröffentlicht. Die daraus resultierende Flut an peinlichen Enthüllungen ließ Assange zur Hassfigur in den USA werden.

    Julian Assange widersetzte sich der Auslieferung von Großbritannien nach Schweden, indem er 2012 in der ecuadorianischen Botschaft in London Asyl suchte. Fast fünf Jahre harrt er dort in selbstauferlegtem Hausarrest aus. Der Zwangsaufenthalt hat dem Australier körperlich zugesetzt, wie seine Mutter Christine Assange berichtete.

    Verstoß gegen Gerichtsauflagen

    „Er hat Herzprobleme“, klagte sie, „eine chronische Lungenentzündung und schwere Schulterschmerzen.“ Assange haust in der Botschaft in einer ehemaligen, zum Schlafzimmer umgebauten Damentoilette, bekommt wenig frische Luft und kein direktes Sonnenlicht. Um einem Vitamin-D-Mangel vorzubeugen, hat er sich eine UV-Lampe ins Zimmer geholt.

    Es ist auch nach der Nachricht aus Schweden nicht zu erwarten, dass Assange die Botschaft bald verlassen wird. Zwar ist der europäische Haftbefehl wegen Vergewaltigung vom Tisch, aber die Londoner Polizei will ihn, sollte er einen Fuß vor die Tür setzen, wegen des Verstoßes gegen eine Gerichtsauflage trotzdem verhaften.

    Wikileaks fordert Transparenz von Regierung

    Man werde jedoch, gab Scotland Yard bekannt, die Bewachung der Botschaft proportional zur minderen Beschuldigung anpassen, soll heißen: weniger Beamte vor der Botschaft postieren. Bisher hatten drei Polizisten rund um die Uhr die Botschaft in Hans Crescent, gleich um die Ecke vom Luxuskaufhaus Harrod’s, bewacht – was den britischen Steuerzahler bisher mehr als zehn Millionen Pfund gekostet und immer wieder zu Protesten geführt hat.

    Wikileaks forderte am Freitag die britische Regierung zur Transparenz auf. Ab jetzt, so die Organisation, liege der Fokus auf Großbritannien. „Das Vereinigte Königreich“, hieß es auf Twitter, „weigert sich zu bestätigen oder zu dementieren, ob es eine amerikanisches Auslieferungsersuchen für Julian Assange erhalten hat.“

    US-Justizminister sieht in Verhaftung Priorität

    Tatsächlich gibt es gute Gründe anzunehmen, dass die USA den Wikileaks-Gründer vor Gericht stellen wollen. Im April hatten sowohl die „Washington Post“ wie auch der Sender CNN unabhängig voneinander berichtet, dass US-Behörden eine Anklage gegen Assange erwägen. Der CIA-Direktor Mike Pompeo hat Wikileaks als einen „feindlichen Nachrichtendienst“ bezeichnet.

    Und US-Justizminister Jeff Sessions unterstrich Ende April, dass die Verhaftung von Assange eine „Priorität“ sei. Verständlich, dass der Australier gerne vorher wissen will, ob ihm ein erneutes Auslieferungsverfahren droht, sollte er es wagen, die ecuadorianische Botschaft zu verlassen.