Dortmund. . Innenminister Jäger will die Ultra-Gruppe „0231 Riot“ verbieten. Polizei ermittelt gegen gewaltbereite „Fans“ des BVB, die andere einschüchtern.
- Innenminister Jäger will die BVB-Ultra-Gruppe „0231 Riot“ verbieten
- Die Polizei ermittelt gegen gewaltbereite „Fans“ des BVB, die andere einschüchtern
- Sogar BVB-Boss Watzke wurde bedroht
Früh am Morgen klingelt es an vier Wohnungstüren in Dortmund. Davor stehen Polizisten mit Durchsuchungsbeschlüssen und einem Auftrag: Beweise zu finden, um ein Vereinsverbot voranzutreiben gegen jene Gruppe, die in einer Mitteilung „RIOT0231 – Ultras h“ heißt. Hooligans, „Gewaltjunkies“, sagt NRW-Innenminister Ralf Jäger, die in Stadien „andere einschüchtern, bedrohen und schlagen“. Die will er verbieten, wie er nach vereinsrechtlichen Verfahren auch schon Rocker und rechtsextreme Gruppen verboten hat.
Nun waren auch die keine eingetragenen Vereine, in Dortmund aber weiß man nicht einmal recht, wie die Gruppe eigentlich heißt, die seit knapp zwei Jahren bei Borussia Dortmund für Unruhe sorgt. „0231 Riot“, nach der Telefonvorwahl und dem englischen Wort für „Aufstand, Randale“, „neue“
oder „vierte Gruppe“ – neben den Ultra-Vereinigungen „The Unity“, „Desperados“ und „JuBos“? Ganz bewusst haben sich diese Neuen der Szene bislang keinen offiziellen Namen und keine Strukturen gegeben: um ein Verbotsverfahren zu vermeiden. Aber schon Symbole könnten reichen; auf dem Banner im Stadion und Aufklebern in der Innenstadt prangen der Schriftzug „Ultras“ und ein H in Frakturschrift. Beides fand die Polizei auf Sturmhauben und Schals in den durchsuchten Wohnungen.
Auch Baseballschläger und Quarzsand-Handschuhe nahmen die Beamten mit, dazu Handys und Computer, die nun ausgewertet werden. Schon jetzt aber, sagt die Polizei, deuteten Erkenntnisse darauf hin, „dass Mitglieder fortgesetzt gravierende Straf- und Gewalttaten begehen“. Nicht nur gegen Fans anderer Vereine – auch gegen die eigenen. So groß war bisher deren Angst, dass niemand offen sprechen will über „0231 Riot“, schon gar nicht mit der Polizei.
Dabei ist die Gruppe gar nicht besonders groß, rund 50, 60 Mitglieder sind es inzwischen. Aber hier haben sich frühere Ultras versammelt, die besonders auf Gewalt aus sind. Hinzu kommen Leute aus der Kampfsport-Szene, die wenig an Fußball, aber umso mehr am Prügeln interessiert sind. Mit diesen durchtrainierten Kerlen mag sich niemand anlegen – neben offener Gewalt gehören auch Hausbesuche bei missliebigen Personen zu deren Programm. Beobachter sprechen von „psychischer Gewalt“, es geht um Demütigung und, vor allem, die Herrschaft über die „Gelbe Wand“.
Im März 2016 überfielen „Riots“ ein Auto mit Mainzer Fans, schlugen auf sie ein, demolierten den Wagen. Nach Drohungen zogen die Mainzer eine Anzeige zurück. Wochen später bremsten Mitglieder einen Schalker Reisebus auf der A 3 aus, griffen die Fans später auf einem Rastplatz an. Zahlreiche Knochenbrüche waren die Folge. Auch den Sonderzug zum Pokalfinale 2016 mischte die Gruppe auf, grölte antisemitische Parole
n und zerlegte die Innenausstattung.
Sogar BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke wurde bedroht: „Aki Watzke aus der Traum… bald liegst du im Kofferraum!“, stand an der Pferderennbahn in Dortmund. Und der Fanbeauftragte Daniel Lörcher musste bei einem Bundesligaspiel auf einem Banner lesen: „Lörcher, deine Zeit ist um!“ Sein Engagement gegen Rechts ist der Gruppe ein Dorn im Auge. Viele Mitglieder stehen der rechtsextremen Szene nahe – so wie der Cagefighter Timo K., der 2012 auf der Südtribüne ein Solidaritätsbanner für den frisch verbotenen „Nationalen Widerstand Dortmund“ entrollte.
Rechte Tendenzen, aber keine „Front“
Eigentlich aber ist „0231 Riot“ eher unpolitisch – wichtiger als die Weltanschauung ist ihnen, ob jemand feste zuschlägt. „Die Gewalt ist der Kick“, weiß Thilo Danielsmeyer, Leiter des Dortmunder Fanprojekts, das seit 30 Jahren gegen rechte Tendenzen auf der Südtribüne kämpft. Mit der „Borussenfront“, die einst nach Spielen „Türkenjagden“ veranstaltete, hätten die „Riots“ wenig zu tun. Im Gegenteil, beide Gruppen verachten einander, es kam schon zu Schlägereien – seitdem, weiß man in Dortmund, hat „0231 Riot“ das Gewaltmonopol in der Fanszene. Danielsmeyer begrüßt das Vorgehen der Polizei: Es sei wichtig, Straftaten aufzuklären. „Gefährlich, wenn erst ein Mythos entsteht.“
Dem trat auch schon der BVB entgegen: Die meisten „Riots“ haben ein Stadionverbot. Viele dürfen auch zu Auswärtsspielen nicht mehr mit, seit sie im Februar mit Pyrotechnik und Prügelwerkzeug erwischt wurden. Die meisten bundesweiten Stadionverbote aber laufen im Sommer aus.
INTERVIEW: FAN-FORSCHER ROBERT CLAUS ÜBER HOOLIGANS
Sie haben selbst einmal vom „Hooligan-Revival“ gesprochen. Was blüht uns da?
Claus: Es heißt nicht, dass die Geister der 80er-Jahre zurückkommen. Aber es gibt in Teilen der Fanszene – am rechten und gewaltaffinen Rand – wieder eine stärkere Orientierung zur Gewalt. Wir erleben heute eine neue Generation der Hooligans. Die sind wieder präsenter, übernehmen mehr Macht in den Kurven.
Wie schaffen sie das?
Heutige Hooligans sind besser organisiert, stark professionalisiert und international vernetzt. Früher hatten die Hooligans kein Handy, kein Internet, kein Facebook. Sie können sich heute besser verabreden, oft kommunizieren sie verschlüsselt. Häufig reisen sie zu befreundeten Gruppen im Ausland, haben dort Kämpfe. Die Vorbilder kommen inzwischen weniger aus England oder Italien, die Hooligans haben sich eher nach Russland und Polen orientiert, wo es professionelle Szenen gibt. Auch die Lebensführung hat sich geändert. Viele Hooligans trinken weniger, trainieren (semi-)professionellen Kampfsport.
Was hat das noch mit Fußball zu tun?
Der Fußball ist der Anlass, es ist der Ort, der Öffentlichkeit herstellt. Fußball-Hooligans sind immer auch Fußball-Fans.