. . Wer von der Filmrolle auf den Charakter von Chris Pratt schließt, liegt richtig. Er tritt gerne auf wie in „Guardians of the Galaxy“. Ein Interview.

Wer von der Filmrolle auf den Charakter des Darstellers schließt, liegt bei Chris Pratt richtig. Der 37-Jährige zeigt sich im Interview ähnlich schelmisch wie seine Figur in „Guardians of the Galaxy“ (Zweiter Teil seit 27. April im Kino), auch wenn manche seiner Scherze ein wenig deplatziert wirken, wie er selbst zugibt. Doch anders als sein Galaxis-Held zeigt er noch einen Hang zum emotionalen Überschwang. Dem tun auch die Streiche seines kleinen Sohnes keinen Abbruch.

Angeblich sabotiert Ihre Frau Ihre Auftritte in den „Guardians of the Galaxy“-Filmen. Ist das richtig?

Chris Pratt: Was soll meine Frau tun?

Sie füttert Sie doch mit Tonnen von Köstlichkeiten, dass Sie Ihre durchtrainierte Figur verlieren, die Sie für die Rolle brauchen.

Aber das ist doch in meinem Sinne. Ich liebe dieses Essen. Abgesehen davon ist meine Karriere als Action­held doch sowieso begrenzt. Irgendwann wird die Zeit dafür vorbei sein, und ich möchte mich als Darsteller weiterentwickeln und alle möglichen Rollen spielen.

Aber vorerst pendeln Sie zwischen Fressorgien und Trainingstorturen im Fitnessstudio. Wie kriegen Sie das eigentlich hin?

Das ist alles eine Frage des Timings. Normalerweise drehe ich einige Monate lang, da bin ich auch nur begrenzt daheim, und dann mache ich wieder längere Pausen. Und ich freue mich jedes Mal, wenn ich zur Völlerei nach Hause komme. Ich genieße es so richtig, diese Pfunde draufzupacken. Wenige Wochen, nachdem ich mit der Arbeit fertig bin, bin ich so fett, dass man mich nicht mehr erkennt. So wie Eddie Murphy in „Familie Klumps und der verrückte Professor“.

Es stört Sie nicht, dass Sie diese Pfunde wieder loswerden müssen?

Darüber zerbreche ich mir in diesem Moment nicht den Kopf. Abgesehen davon haben die auch ihre Vorteile. Wenn ich mich hinter meinem Körperfett verstecke, dann können mich die Paparazzi nicht erkennen und Jagd auf mich machen.

Auf der Leinwand kämpfen Sie als strammer Held gegen Bösewichte. Hätten Sie Talent für so etwas?

Na ja, ich habe schon ziemlich viele Leute umgebracht.

Wie bitte?

Nein, das war nur ein blöder Scherz. Aber ich würde behaupten, dass alles, was ich in meinem Leben vollbracht habe, unglaublich heroisch war.

Gratulation zu so viel Selbstbewusstsein. Was zum Beispiel war denn so heldenhaft?

Okay, das war schon wieder nicht ernst gemeint. Aber halt, ein Beispiel gibt es, ich würde mir bloß nicht großartig auf die Schulter klopfen wollen. Wer bezeichnet sich denn schon selbst als Helden?

Also, was haben Sie da getan?

Das war in New York. Ich bin da eingeschritten, als ein Mädchen verprügelt werden sollte. Eigentlich ziemlich lässig von mir.

Was genau haben Sie da getan?

Da war so ein wahnsinniger Typ, der offenbar unter Drogen stand, der verpasste einem Mädel eine und dann wollte er sie noch auf die Straße zerren, mitten in den fließenden Verkehr hinein, und ich habe ihn angebrüllt, dass er sie nie wieder anfassen sollte. Sonst würde ich ihm die Zähne einschlagen.

Haben Sie das getan?

Nein, das Mädchen nutzte die Gelegenheit, um davonzulaufen, und er ist dann auch abgehauen.

Wie fühlt man sich bei so etwas?

Es war insofern cool, als meine Frau das gesehen hat. Damit habe ich schön Eindruck bei ihr geschunden. Aber ich selbst fühlte mich nicht so toll. Das waren drei Sekunden, in denen ich keinerlei Angst hatte, danach lief ich zwei Stunden lang mit schlotternden Knien herum. Also, um es hiermit festzuhalten: Ich bin kein Held. Mein Bruder ist einer.

Was macht der?

Er ist Polizist. Ich habe auch Freunde, die beim Militär sind. Die sind ebenfalls Helden für mich. Jeder, der selbstlos seinen Arsch riskiert, um anderen zu helfen und sie zu beschützen, aber in der Regel keinen Dank dafür bekommt, der tut etwas Heroisches. Ein anderes Beispiel ist Russell Wilson, der Quarterback der Seattle Seahawks. Nicht nur weil er ein fähiger Spielführer ist, sondern weil er auch versucht, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Zum Beispiel wenn er Kinder im Krankenhaus besucht.

Und Sie tun selber etwa gar nichts Selbstloses?

Ich breite mein Leben in diesem Interview aus. Reicht das nicht?

Na ja ...

Okay, und ich habe diverse Hollywood-Partys verpasst, weil ich mit meinem Sohn immer wieder „Die Eiskönigin“ anschauen musste. Das sollte jetzt eigentlich reichen. Als Vater bist du doch automatisch ein Inbegriff der Selbstlosigkeit.

Auf jeden Fall besitzen Sie noch eine andere Eigenschaft – Hartnäckigkeit. Denn vor Ihrem Durchbruch mit „Guardians of the Galaxy“ mussten Sie diverse Absagen hinnehmen – zum Beispiel für „Avatar“.

Das können Sie laut sagen. Ich habe mich praktisch für alles beworben. Alles! Sie können davon ausgehen, dass ich für jeden Film vorgesprochen habe, in dem ich nicht zu sehen bin. „Avatar“ ist eines von den wenigen Beispielen, das publik geworden ist.

Mit welchen Psychotricks haben Sie sich dann wieder Mut gemacht?

Es gibt dafür keine Tricks oder Rezepte. Du brauchst den Glauben an dich selbst und eine Begeisterungsfähigkeit, mit der du den Rest der Menschheit ansteckst. Und du musst davon überzeugt sein, dass alle falsch liegen, wenn sie glauben, dass du nicht der Richtige ist.

Wie kamen Sie überhaupt auf den Gedanken, Schauspieler zu werden?

Das wollte ich schon immer. Im Kindergartenalter sah ich einen meiner Brüder, der drei Jahre älter ist, in einer Schulaufführung. Er war Hauptdarsteller in einem Musical, in dem er einen Bären spielte. Er hat sogar gesungen. Und ich habe gesehen, wie meine Mutter davon zu Tränen gerührt war. So dachte ich mir: Das kriege ich auch hin. Ich will Performer werden. Damals fiel also schon meine Entscheidung. Allerdings habe ich dann nicht so wirklich geglaubt, dass daraus etwas wird. Ich habe auch keine konkreten Schritte unternommen, eine Ausbildung absolviert oder so ähnlich. Ich arbeitete als Kellner auf Hawaii, und da hat mich eine Regisseurin für ihren Film entdeckt. Es war so, als hätte sie mir gesagt: „Übrigens, ich weiß, was du den Rest deines Lebens tun willst. Komm mit mir mit.“ Wer kann da schon Nein sagen?

Was hat sich in Ihrem Leben seit dem Erfolg mit „Guardians of the Galaxy“ verändert?

Ich bin einfach nicht mehr so viel daheim. Vorher spielte ich in der Serie „Parks & Recreation – Das Grünflächenamt“ und ich bin von zu Hause zum Drehort in nur zehn Minuten gefahren. Jetzt reise ich um die ganze Welt. Aber dafür kriege ich eben auch Chancen, Rollen zu spielen, für die man mich vorher nicht im Entferntesten in Betracht gezogen hätte.

Offenbar spielen Frauen bei Ihnen eine Schlüsselrolle – von Ihrer Frau über Ihre Mutter bis zu der Regisseurin, die Ihnen eine erste Chance gab. Ein Zufall?

Das kann ich schlecht sagen. Ich weiß auf jeden Fall, dass es da draußen ziemlich viele starke Frauen gibt – ich will nicht verallgemeinern, aber es kann sein, dass sie stärker als Männer sind. Und etliche davon gehören zu meinem Leben. Auch in meinem Team finden sich haufenweise starke Frauen, ob meine Managerin oder meine Pressebetreuerin oder die Kollegin, die mir die Frisur macht.

Wer ist die stärkste Frau, die Sie je kennengelernt haben?

Meine Mutter. Sie hat sich im Supermarkt die Finger wund gearbeitet – 30 Jahre lang, auch noch, als sie schon Arthritis in ihren Händen hatte. Aber sie hat sich nie beschwert. Als sie mich und meine beiden Geschwister bekam, war sie noch Teenager beziehungsweise in ihren frühen Zwanzigern. Sie und mein Vater hatten kein Geld, aber sie haben sich durchgeschlagen und uns voller Liebe aufgezogen.

Jetzt klingen Sie richtig überschwänglich ...

Das kommt einfach davon, dass ich von Freude und Dankbarkeit überwältigt bin. Ich danke Gott dafür, dass ich so viele gute Menschen um mich herum habe. Meine ganzen Beziehungen sind das Beste in meinem Leben. Ich habe viele gute Freunde, habe großartige Mitglieder in meiner Familie. Sogar mit meinen Schwiegereltern verstehe ich mich blendend.

Es gibt allerdings einen Bösewicht in Ihrem Leben ...

Wer wäre das?

Ihr vierjähriger Sohn Jack. Sie haben selbst ein Video veröffentlicht, als er Ihr Handy in den Pool geworfen hat.

Richtig. Er hielt das wohl für ziemlich spaßig. Für ihn sind das so Wegwerfteile. Mach ein Foto und ab damit ins Wasser. Zum Glück konnte ich das wieder trocken kriegen.

Und sonst ist er ein braver kleiner Junge?

Er hat schon mehr solcher Dinge drauf. Das andere Mal schlug er mich in die Eier, und das tat ganz schön weh. Ich meinte zu ihm: „Junge, das kannst du nicht machen.“ Aber er lachte nur: „Hab ich dich erwischt.“ Ich kann nur sagen, wenn man ihn auf diese ganzen Bösewichte in meinen Filmen loslassen würde, die hätten keine Chance gegen ihn. Aber egal, was er tut, ob ich nun endlos Lego mit ihm spielen muss oder nicht, er ist genauso großartig, wenn nicht noch großartiger als alle anderen Menschen in meinem Leben.