Essen. . Vor zehn Jahren wurde die Universitätsallianz Ruhr gegründet. Studenten können aus über 500 Studiengängen wählen. Viele Projekte wurden möglich.
Man ahnt ja nicht, was in den Laboren der Universitäten im Ruhrgebiet so vor sich geht. Etwa, dass hier daran gearbeitet wird, Science Fiction Wirklichkeit werden zu lassen. Zum Beispiel mit dem Photonik-Sensor. Das lässt sich mit einem Umweg über die Zukunft gut erklären: In der Fernsehserie Star Trek benutzt Spock häufig ein kleines Gerät, den Tricoder.
Das Instrument analysiert Stoffe und Materialen, Schiffsarzt Pille erkennt damit in Sekundenschnelle, woran ein Patient leidet. In einem Forschungsprojekt, das von Mercur – einem Förderprogramm der Stiftung Mercator – unterstützt wird, soll ein jetzt praxistauglicher Prototyp entwickelt werden.
Gemeinsam forscht es sich besser
Dabei geht es um Terahertzwellen, harmlose elektromagnetische Strahlung. Sie macht Dinge sichtbar, die im Verborgenen liegen, kann Kleidung, Kunststoff und auch menschliches Gewebe durchdringen. Mit einem solchen Sensor könnte ein Roboter erkennen, aus welchem Material ein Bauteil besteht, das er einsetzen soll, erklärt Projektleiter Andreas Stöhr. „Man kann zum Beispiel Ware in der Verpackung prüfen. Wir nehmen als Testobjekte Schokolade mit Nüssen. So könnte die Lebensmittelindustrie feststellen, ob in jedem Stück Schokolade eine Nuss ist.“ Beteiligt an dem Projekt sind Wissenschaftler der Unis Duisburg-Essen, Bochum und Dortmund.
Und genau darum geht es: Solche ehrgeizigen Forschungsvorhaben, an denen viele Wissenschaftler beteiligt und für die teure Anlagen nötig sind, lassen sich nur gemeinsam bewältigen. Der Tricoder soll dafür nur ein Beispiel sein, denn die drei Unis arbeiten mittlerweile an sehr vielen gemeinsamen Projekten. „Wir brauchen uns gegenseitig“, sagen die Rektoren.
Konkurrenz beherrschte den Umgang
Das war nicht immer so. Konkurrenz beherrschte das nahe Nebeneinander der großen Unis im Revier. Man neidete einander Erfolge, Gelder, Forscher und Studenten. Vor zehn Jahren machten die Unis endlich Schluss mit dem sinnlosen Kampf: 2007 schlossen sie sich zur „Universitätsallianz Ruhr“ (UA Ruhr) zusammen. „Gemeinsam besser“ lautet seither das Motto.
Das war nicht nur unerwartet guter Einsicht geschuldet. In Zeiten stagnierender Landesmittel, drohender Schuldensperre, auf lange Sicht sinkender Studierendenzahlen und wachsenden Wettbewerbs kann man im Dreierbund besser bestehen. Zusammen ist man gegenüber der Politik durchsetzungsfähiger, attraktiver für Studierende und Wissenschaftler und zudem ein lohnenderes Ziel für Forschungsgelder. Nicht zuletzt: Überregional wird man sichtbarer.
Beispiel für das Ruhrgebiet
Hunderte Forschergruppen haben sich seit 2007 gebildet, die Studenten profitieren von einem Angebot von gut 500 Studiengängen. Die UA Ruhr gehört heute zu den größten und forschungsstärksten Wissenschaftsregionen in Deutschland. Mit ihrer Kooperation wollen sie auch dem Ruhrgebiet ein Beispiel geben, das immer noch hingebungsvoll seine Kirchtürme pflegt.
„Gemeinsam können wir viel mehr erreichen, als es jede Uni alleine könnte“, sagt Hans Stallmann, Koordinator der UA Ruhr. Wichtig dabei sei: Die Kooperation soll nicht von oben verordnet werden, sondern durch gemeinsame Vorhaben quasi von unten wachsen. „Man muss die Forscher nur zusammenbringen, dann schaffen sie neue Projekte. So verzahnen sich die Unis immer mehr“, sagt Stallmann. Jeder bringt seine Stärken ein. Das Feld für die Lehrenden und Forschenden ist schier grenzenlos. „In der UA Ruhr ist bis auf die Veterinärmedizin eigentlich alles vorhanden. Das ist auch ein großes Argument für die Region.“
Wachsende Studentenzahlen
In einer Vergleichsstudie der großen Wissenschaftsregionen in Deutschland würdigte zuletzt das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) die Universitätsallianz: „Wir sind von der Entwicklung der Allianz, die in Forschung und Lehre zusammenarbeitet, sehr angetan“, sagte CHE-Geschäftsführer Christian Berthold. „Das ist in Deutschland einzigartig.“
Als großen Erfolg wertete die Studie auch die deutlich gestiegenen Studentenzahlen, in keiner anderen Hochschulregion sei der Zuwachs ähnlich groß. Damit leisteten die Unis „einen gesellschaftspolitischen Beitrag ersten Ranges.“ Die Studierenden seien die benötigten Fachkräfte und Firmengründer von morgen. Und die drei Unis wollen weiter zusammenwachsen. Jüngst erneuerten sie anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Allianz ihre Kooperationsvereinbarung. Damit eines Tages der sagenhafte Tricoder aus der Star-Trek-Zukunft Wirklichkeit wird.
Die Universitäts-Allianz Ruhr in Zahlen:
120.000Studierende, davon knapp 20. 000 internationale Studenten.
16.000 Absolventen sowie gut 1000 Promotionen jährlich.
500Studiengänge, etwa 15 000 Beschäftigte (ohne Kliniken). Rund 1300 Professorinnen und Professoren.
1,4 Milliarden Euro beträgt der Gesamthaushalt, davon 300 Millionen Euro Drittmittel, das sind private und öffentliche Fördergelder.
12 eigene Sonderforschungsbereiche.