Dortmund. Sergej W. soll Bomben neben dem BVB-Bus gezündet haben, um an der Börse Kasse zu machen. Über ihn werden immer mehr Details bekannt.

Nach der Festnahme eines Tatverdächtigen im Zusammenhang mit dem Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus steht fest, dass es keinen zweiten Täter gab. Laut der Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke Köhler, gibt es keine Hinweise auf Mittäter oder mögliche Gehilfen. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs erließ am Nachmittag Haftbefehl, der Mann sitzt nun in Untersuchungshaft.

Wie die Bundesanwaltschaft mitteilte, klickten am Freitagmorgen die Handschellen für Sergej W., einen 28-Jährigen mit russischem und deutschem Pass. Die Spezialeinheit GSG9 hat ihn im Raum Tübingen festgenommen, so die Bundesanwaltschaft. Der Tatverdächtige stammt nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministeriums aus Freudenstadt im Schwarzwald.

De Maizière: Verdächtiger wurde „intensiv beobachtet“

Der Mann hatte seit Mitte 2016 als Elektriker in einem Tübinger Heizwerk gearbeitet. Das bestätigte ein Sprecher des Energiekonzerns MVV in Mannheim. Das Heizwerk wird von einem Tochterunternehmen betrieben.

Der 28-Jährige war seit mehreren Tagen im Fokus der Ermittler. Nach einem ersten Hinweis in der vergangenen Woche sei der Verdächtige intensiv beobachtet und ausgeleuchtet worden, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Freitag in Berlin.

BVB bedankt sich bei Ermittlern und Fans

Ihm werden versuchter Mord, Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt. Wie die WAZ aus Sicherheitskreisen erfuhr, wurde bereits seit dem 13. April in Richtung der russischen Wettmafia ermittelt.

NRW-Innenminister Ralf Jäger ist von der Schuld des festgenommenen Tatverdächtigen für den Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund überzeugt. Es gebe „eine Fülle von Indizien, die auf den Tatverdächtigen hinweisen“, sagte Jäger. Der mutmaßliche Attentäter auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund hat sich nach Angaben von NRW-Innenminister Ralf Jäger für den Erwerb von BVB-Aktienoptionen knapp 80.000 Euro geliehen. „Der Täter hat ganz offensichtlich einen Verbraucherkredit aufgenommen“, sagte der Minister am Freitag in Düsseldorf. „Nach meinem jetzigen Kenntnisstand 79.000 Euro.“

Mit einem Eintrag bei Facebook bedankte sich der BVB bei den Ermittlern. Der Verein hoffe, dass mit dem Tatverdächtigen „nun der Verantwortliche für den niederträchtigen Anschlag auf unsere Spieler und Staff-Mitglieder gefasst werden konnte“. Auch für die Unterstützung der Fans bedankte sich der Club.

Verdächtiger fiel den Hotel-Angestellten auf

Der Festgenommene hatte nach Angaben der Bundsanwaltschaft wie die Dortmunder Mannschaft im Hotel „L’Arrivée“ eingecheckt. Dort hatte er ab dem 9. April ein Zimmer im Dachgeschoss mit direktem Blick auf die Straße, wo am 11. April die drei Bomben hochgingen. BVB-Spieler Marc Bartra und ein Polizist waren dabei verletzt worden.

Den Angestellten des Hotels sei der Mann nach dem Bericht der „Bild“-Zeitung schon wegen seiner Sonderwünsche aufgefallen. Kurz nach der Explosion soll er außerdem ins Restaurant gegangen und sich ein Steak bestellt haben.

Wetten am Aktienmarkt als Motiv

Die Ermittler gehen von

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aus. Der Verdächtige soll am Tag des Anschlags mit Hilfe eines dafür aufgenommenen Verbraucherkredits 15.000 Optionsscheine des an der Börse gehandelten BVB mit einer sogenannten Put-Option erworben haben. Damit setzt man auf fallende Kurse. Der Fall wäre eingetreten, wenn der Anschlag viele Spieler verletzt oder gar getötet hätte. Die Käufe seien von einem Gerät mit der IP-Adresse des BVB-Mannschaftshotels getätigt worden.

Die Aktie gab an der Frankfurter Börse nach dem Anschlag kaum nach. Lag sie am Abend kurz vor den Explosionen noch bei einem Wert von 5,62 Euro, ging sie am Morgen darauf mit 5,60 Euro in den Handel und verlor auch im Tagesverlauf nur wenig auf zwischenzeitlich 5,50 Euro. Bergab ging es für die Aktie dann nochmal nach der Niederlage gegen AS Monaco – auf 5,43 Euro am Abend des 12. April.

Anschlag auf BVB-Teambus in Dortmund

Schock in Dortmund: Am 11. April 2017 detonierten auf der Fahrt zum Stadion neben dem Mannschaftsbus des BVB drei Sprengsätze. Das Champions-League-Spiel gegen AS Monaco am Abend wurde daraufhin abgesagt.
Schock in Dortmund: Am 11. April 2017 detonierten auf der Fahrt zum Stadion neben dem Mannschaftsbus des BVB drei Sprengsätze. Das Champions-League-Spiel gegen AS Monaco am Abend wurde daraufhin abgesagt. © dpa | Marcel Kusch
BVB-Profi Marc Bartra wurde bei dem Vorfall schwer verletzt, der Fußballer wurde noch am Abend operiert. Außerdem wurde ein Polizist verletzt.
BVB-Profi Marc Bartra wurde bei dem Vorfall schwer verletzt, der Fußballer wurde noch am Abend operiert. Außerdem wurde ein Polizist verletzt. © dpa | Ina Fassbender
Bei der Attacke durchschlug ein Teil des Sprengsatzes eine Scheibe des Mannschaftsbusses.
Bei der Attacke durchschlug ein Teil des Sprengsatzes eine Scheibe des Mannschaftsbusses. © dpa | Bernd Thissen
Die Polizei gab an, „mit starken Kräften vor Ort“ zu sein.
Die Polizei gab an, „mit starken Kräften vor Ort“ zu sein. © REUTERS | Kai Pfaffenbach
Die Mannschaft sollte zunächst mit einem anderen Bus zum Stadion gebracht werden. Mehrere Spieler hielten sich vor der Unterkunft auf.
Die Mannschaft sollte zunächst mit einem anderen Bus zum Stadion gebracht werden. Mehrere Spieler hielten sich vor der Unterkunft auf. © dpa | Carsten Linhoff
Der BVB informierte die Fans im Stadion über den Vorfall.
Der BVB informierte die Fans im Stadion über den Vorfall. © REUTERS | Ralph Orlowski
Die hielten sich zusätzlich über ihre Smartphones auf dem Laufenden.
Die hielten sich zusätzlich über ihre Smartphones auf dem Laufenden. © dpa | Federico Gambarini
Die Fans verließen das Stadion nach der Absage des Spiels ohne Zwischenfälle.
Die Fans verließen das Stadion nach der Absage des Spiels ohne Zwischenfälle. © dpa | Federico Gambarini
Fans des AS Monaco hatten zuvor ihre Anteilnahme mit „Dortmund! Dortmund!“-Sprechchören gezeigt.
Fans des AS Monaco hatten zuvor ihre Anteilnahme mit „Dortmund! Dortmund!“-Sprechchören gezeigt. © Getty Images | Lukas Schulze
Das Spiel wurde einen Tag nach dem Vorfall nachgeholt, der BVB verlor 2:3 gegen den AS Monaco.
Das Spiel wurde einen Tag nach dem Vorfall nachgeholt, der BVB verlor 2:3 gegen den AS Monaco. © dpa | Carsten Linhoff
Zunächst gab es keine heiße Spur zu den Tätern. Die Ermittler konzentrierten sich auf das, was an handfesten Spuren am Tatort gefunden wurde: Reste des bei dem Anschlag verwendeten Sprengstoffs und der Zünder, dazu die drei am Tatort gefundenen gleichlautenden Bekennerschreiben.
Zunächst gab es keine heiße Spur zu den Tätern. Die Ermittler konzentrierten sich auf das, was an handfesten Spuren am Tatort gefunden wurde: Reste des bei dem Anschlag verwendeten Sprengstoffs und der Zünder, dazu die drei am Tatort gefundenen gleichlautenden Bekennerschreiben. © dpa | Ina Fassbender
Fans hatten den Schriftzug „Keine Bombe kriegt uns klein! BVB wird ewig sein“ an einem Zaun geschrieben.
Fans hatten den Schriftzug „Keine Bombe kriegt uns klein! BVB wird ewig sein“ an einem Zaun geschrieben. © dpa | Friso Gentsch
Bei dem Anschlag hätte es weit schlimmere Verletzungen geben können: Die Bildkombo zeigt durch umherfliegende Metallstifte beschädigte Autos, einen Splitter, der sich in einen Zaun gebohrt hat und einen Splitter des Sprengsatzes am Boden.
Bei dem Anschlag hätte es weit schlimmere Verletzungen geben können: Die Bildkombo zeigt durch umherfliegende Metallstifte beschädigte Autos, einen Splitter, der sich in einen Zaun gebohrt hat und einen Splitter des Sprengsatzes am Boden. © dpa | David Young
Erst zuletzt kamen die Ermittler dem Deutschrussen Sergej W. auf die Spur.
Erst zuletzt kamen die Ermittler dem Deutschrussen Sergej W. auf die Spur. © REUTERS | Kai Pfaffenbach
Zehn Tage nach dem Anschlag war das der Durchbruch:
Zehn Tage nach dem Anschlag war das der Durchbruch: © dpa | Ina Fassbender
Am Morgen des 21. April nahm die Polizei den 28-jährigen Sergej W. als Tatverdächtigen nahe Tübingen fest.
Am Morgen des 21. April nahm die Polizei den 28-jährigen Sergej W. als Tatverdächtigen nahe Tübingen fest. © dpa | Christoph Schmidt
Im Prozess hat der Angeklagte die Tat gestanden, aber jede Tötungsabsicht bestritten. „Ich bedauere mein Verhalten zutiefst“, sagte der 28-jährige am 8. Januar 2018 vor dem Dortmunder Schwurgericht.
Im Prozess hat der Angeklagte die Tat gestanden, aber jede Tötungsabsicht bestritten. „Ich bedauere mein Verhalten zutiefst“, sagte der 28-jährige am 8. Januar 2018 vor dem Dortmunder Schwurgericht. © picture alliance / Revierfoto/Re | dpa Picture-Alliance / Revierfoto
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De Maizière: „besonders widerwärtiges Tatmotiv“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht die Festnahme des Tatverdächtigen als Erfolg. Jetzt gehe es darum, Beweise zu sichern und mögliche Hintergründe aufzuklären. Zum möglichen Motiv erklärte de Maizière: „Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wäre das ein besonders widerwärtiges Tatmotiv.“

„Bild.de“ und die Deutsche Presse-Agentur berichteten zunächst, dass auch zwei Helfer von Sergej W. gesucht würden. Die Sprecherin der Bundesanwaltschaft Frauke Köhler verneinte dies jedoch – es gebe keine Anhaltspunkte, die auf mögliche Komplizen hindeuteten.

Sprengsätze „zeitlich optimal gezündet“

Die Behörden gaben am Freitag auch noch weitere Details zu den Sprengsätzen bekannt. Den Angaben zufolge waren insgesamt drei Sprengsätze über eine Länge von zwölf Metern in einer Hecke entlang der Fahrstrecke des Busses angebracht und wurden „zeitlich optimal gezündet“.

Der mittlere sei aber zu hoch befestigt gewesen, um seine Wirkung voll entfalten zu können. Jeder Sprengsatz wurde nach ersten Erkenntnissen separat über eine elektrische Funk-Schaltung gezündet. Die Bomben waren Metallstiften gespickt, einer wurde noch 250 Meter entfernt gefunden.

Zu den Sprengsätzen sei laut Bundesanwaltschaft viel spekuliert worden. Die Frage, um was für einen Sprengstoff es sich konkret handele, könne noch nicht beantwortet werden. Die Untersuchungen des BKA dauern an, weil der verbaute Sprengstoff vollständig umgesetzt worden sei.

Fragwürdige Bekennerschreiben

Die Ermittler rätselten anfangs über Bekennerschreiben, die bei den Bomben gefunden wurden und einen islamistischen Hintergrund nahelegten. Nach einer islamwissenschaftlichen Überprüfung bestanden an diesem Motiv jedoch erhebliche Zweifel.

Ein wenige Tage später bei Medien eingegangenes Bekennerschreiben mit rechtsradikalem Hintergrund stammte offenbar nicht vom Tatverdächtigen.

Bundesinnenminister de Maizière hat die Bekennerschreiben nach dem Anschlag auf den BVB-Bus als „besonders perfide Art, mit der Angst der Bevölkerung zu spielen“ verurteilt. Wenn sich der Verdacht der Ermittler bestätige, habe der Täter versucht, sich als Terrorist auszugeben, sagte der CDU-Politiker am Freitag in Berlin. Das zeige, dass es richtig sei, in alle Richtungen zu ermitteln und nicht zu früh Schlussfolgerungen zu ziehen. (wck/dpa)