Köln. . Die Frühjahrsvollversammlung der katholischen Bischöfe beginnt heute in Köln.Zentrales Thema ist der fehlende Nachwuchs. Kritiker fordern Reformen.
Es werden Krisengespräche, so viel ist klar. Wenn sich ab heute die 66 katholischen Bischöfe und Weihbischöfe der 27 deutschen Diözesen zur Frühjahrsvollversammlung erst in Köln und danach in Bergisch-Gladbach treffen, gehen sie eine heikle Angelegenheit an: „Zukunft und Lebensweise des priesterlichen und bischöflichen Dienstes“ heißt das Hauptthema der Bischofskonferenz – und es berührt existenzielle Fragen. Ist das Priesteramt in der katholischen Kirche noch zeitgemäß – und wenn ja, wo gibt es den dringend benötigten Nachwuchs?
Längst schlägt sich die Misere in den Zahlen nieder. Voriges Jahr wurden ganze 80 neue Priester in den 27 deutschen Bistümern geweiht. Im Jahr davor waren es sogar nur 58 – so wenige wie nie zuvor. Von 1995 bis 2015 sank die Zahl der katholischen Geistlichen von gut 18 600 auf knapp 14 000. Die Zahl der Pfarreien ging im gleichen Zeitraum von 13 300 auf rund 10 800 zurück. Mehr als 60 Prozent der katholischen Priester sind älter als 60. Leben und Strukturen der Kirchengemeinden stehen vor einem radikalen Umbruch.
„Wir steuern auf eine Katastrophe zu“
„Wir steuern auf eine Katastrophe zu, was die priesterliche Begleitung der Pfarrgemeinden betrifft“, sagt Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). „Wir laufen als Kirche Gefahr, dass wir den Gläubigen künftig nicht mehr überall die Möglichkeit der Eucharistiefeier als zentralen Punkt ihres religiösen Lebens bieten können.“
Sternberg sieht bei der sinkenden Attraktivität des Priesterberufs ein Bündel von Gründen. Der Zölibat und der Verzicht auf Frauenordination sind dabei nur zwei Aspekte.
„Der Priesterberuf hat heute nicht mehr die Art von Normalität wie noch in den 50er- oder 60er-Jahren. Wer heute Priester werden will, gilt als Exot“, so der ZdK-Präsident. „Das macht den Beruf nicht attraktiver. Auch der sinkende Stellenwert der Kirche im öffentlichen Leben trägt dazu bei, dass sich immer weniger junge Männer für den Priesterberuf entscheiden.“
Kirchengemeinden sollen aktiv werden
Sternberg fordert, die Kirchengemeinden selbst müssten aktiv werden: „Es wird angesichts des Priestermangels nicht anders gehen, als Laien viel stärker einzubinden.“ Sonst sei das Gemeindeleben vielerorts nicht mehr aufrechtzuerhalten. Fusionierte Groß-Pfarreien hält er für kein gutes Mittel gegen den Priestermangel. „Gemeinden mit mehr als 40 000 Gläubigen, wie es sie etwa im Ruhrgebiet gibt, sind nicht zu überblicken und können Gläubigen keine geistliche Heimat mehr bieten“, fürchtet er. Stattdessen sollten sich vor Ort unterhalb der klassischen Pfarrei kleine Gemeinden oder Gemeinschaften zum religiösen Austausch bilden.
Sternberg steht mit seiner Kritik nicht allein. „Die Amtskirche hat es nicht geschafft, ein positives Kirchenbild weiterzugeben. Ihr Kirchenbild ist von vorgestern“, sagte Sigrid Grabmeier, Sprecherin der Laienbewegung „Wir sind Kirche“ dieser Zeitung. „Sie präsentiert sich vielfach wie ein Kultverwaltungsinstitut, aber damit hat Kirche vielen Gläubigen nichts mehr zu sagen.“
Die Kirche pflege laut Grabmeier „ein abgehobenes Priesterbild: hier oben der Priester, da unten die Gläubigen“. Gebraucht würden aber „konfliktfähige und kommunikationsfähige Priester, die auch in flachen Hierarchien denken“. Das offizielle Thema der Frühjahrsvollversammlung zeigt indes: Die Probleme des Priestertums sind in der katholischen Bischofskonferenz angekommen.
Sorgen auch in evangelischer Kirche
Die Katholiken sind dabei nicht allein in ihrer Not. Denn die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) treiben ebenfalls Nachwuchssorgen um – auch ohne Konflikte um Zölibat oder Frauenpriesteramt. In den kommenden zehn bis 15 Jahren werden 30 bis 40 Prozent der Pfarrer in den Landeskirchen in den Ruhestand gehen, heißt es aus dem Kirchenamt der EKD. Derzeit seien im Raum der EKD rund 18 000 Pfarrerinnen und Pfarrer tätig. „Die bisherige Zahl von Pfarramtsstudenten wird nicht reichen, um die Lücken zu füllen“, sagt Birgit Sendler-Koschel, Leiterin der Bildungsabteilung im Kirchenamt.
Bisher galt die hohe Zahl der jährlichen Kirchenaustritte als die große gemeinsame Sorge der beiden Konfessionen. Nun lautet die zweite gemeinsame Sorge: Wer will noch Gottes Wort verkünden?