Essen. . Der Stromkonzern RWE will zum zweiten Mal in Folge seinen Stammaktionären keine Dividende zahlen. Das stößt vor allem den Kommunen sauer auf
Da neun von zehn Bürgern keine Aktien besitzen, elektrisiert die Dividendenpolitik der Dax-Konzerne nicht die Massen. Beim Stromriesen RWE ist das vor allem im Ruhrgebiet etwas anders: Weil hiesige Kommunen viele RWE-Papiere halten und für ihre klammen Kassen stets mit der Ausschüttung rechnen, trifft die neuerliche Nullrunde mit den Revierstädten auch Millionen Bürger. Ihre Kommunen können ihnen wegen chronischer Finanznot immer weniger bieten, müssen um jedes Schwimmbad und jede Bibliothek kämpfen.
Insgesamt gehen den Kommunen nach Angaben ihres Aktionärsverbandes VKA rund 150 Millionen fest eingeplante Euro im Haushalt 2017 verloren. Wie sehr die neuen Löcher die Städte beeinträchtigen, ist vielerorts unklar. In Zeiten der Haushaltssicherung und nahender Schuldenbremse drehen die Kämmerer jeden Euro um. Die ohnehin laufenden Debatten in den Rathäusern über einen Ausstieg bei RWE haben gestern Morgen mit der unschönen Adhoc-Mitteilung von Neuem begonnen. Aus den ersten Reaktionen sprach tiefe Enttäuschung. Und dass RWE für die kommenden Jahre versprach, wieder mindestens 50 Cent je Aktie auszuschütten, nahmen die Kommunen nicht ohne Skepsis zur Kenntnis. „Wir werden darauf bestehen und uns nicht mit neuen Gründen für Nullrunden abspeisen lassen“, sagte VKA-Geschäftsführer Ernst Gerlach dieser Zeitung.
Dortmunds Stadtwerk fehlen jetzt sieben Millionen Euro
Den Kommunen gehört insgesamt knapp ein Viertel von RWE. Den Dortmunder Stadtwerken als Großaktionär entsteht ein Loch von rund sieben Millionen Euro, Stadtwerke-Chef Guntram Pehlke hatte mit einer Ausschüttung von 30 Cent gerechnet und diese zuletzt auch eingefordert. Was die Stadtwerke nicht erhalten, können sie auch nicht an ihre Stadt weiterreichen. In vielen Kommunen, etwa in Dortmund und Oberhausen, halten die Stadtwerke die RWE-Aktien. Sie gleichen mit ihren Einnahmen in der Regel auch die chronisch anfallenden Verluste der Nahverkehrsbetriebe aus.
RWE machen die Energiewende und der Atomausstieg zu schaffen. Nach der Abspaltung der Zukunftsfelder Ökostrom, Netz und Vertrieb unter der neuen Marke Innogy behält der Mutterkonzern mit dem Kraftwerksgeschäft die größten Altlasten. Mit enormen Abschreibungen will RWE-Chef Rolf-Martin Schmitz nun reinen Tisch machen. Wegen der niedrigen Strompreise wurde der Kraftwerkspark aus Kohle- und Gasblöcken um 4,3 Milliarden Euro abgewertet. Außerdem zahlt RWE 6,8 Milliarden für die Entsorgung des Atommülls in den Staatsfonds. Der Betrag werde zum 1. Juli 2017 entrichtet, hieß es nun. So will sich RWE mit einem Schlag freikaufen und künftige Zinslasten vermeiden. Weil dafür zusätzliche Rückstellungen von 1,8 Milliarden Euro in die Bilanz für 2016 geschrieben wurden, stehen nun unterm Strich satte 5,7 Milliarden Euro Nettoverlust.
RWE-Chef Schmitz will reinen Tisch machen
In der Hoffnung, die gröbsten Brocken aus dem Weg geräumt zu haben, verspricht Schmitz für die kommenden Jahre wieder verlässliche Gewinne und Dividenden. Immerhin hat RWE 2016 im reinen Geschäftsbetrieb nach vorläufigen Zahlen 5,4 Milliarden Euro verdient (Ebitda: Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen). Mit dem Börsengang und dem Verkauf eines Viertels der grünen Tochter Innogy hat RWE zudem 2,6 Milliarden Euro eingenommen, die Spielräume schaffen. Die nächste Ausschüttung für 2017 fände 2018 statt.
VKA-Geschäftsführer Gerlach wertete die wieder stabilere Finanzlage freilich als Indiz, „dass zumindest eine Anerkennungs-Dividende möglich gewesen wäre“. Er weiß, dass die Nullrunde neue Ausstiegs-Debatten auslöst, was es dem Verband erschwert, den kommunalen Block zusammen zu halten. Nachdem Bochum bereits im Oktober begonnen hat, seine Papiere zu verkaufen, betonte Essens OB Thomas Kufen gestern, die Verwaltung berate, „ob und wie eine weitere Beteiligung an dem Unternehmen in Zukunft aussehen kann.“
Verband rät Kommunen von Aktienverkauf ab
Gerlach hielte einen Verkauf zum jetzigen, niedrigen Kurs aber für „unverantwortlich“. Denn 50 Cent Dividende je Aktie würden künftig wieder eine Rendite über drei Prozent bedeuten. „Wo bekommen Anleger das heute noch?“
So kritisch wie die Kommunen sind aber nicht alle Anteilseigner. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) versteht zwar den Ärger der klammen Städte, findet die Nullrunde aber nachvollziehbar. „Es wäre nicht sinnvoll, eine Dividende aus der Substanz zu zahlen“, sagte DSW-Sprecher Jürgen Kurz. Das Geld werde jetzt für den Umbau des Konzerns benötigt.