. . Den Filmregisseur Wim Wenders und den Schriftsteller Peter Handke verbindet eine enge Freundschaft. Beide hatten auch wiederholt zusammengearbeitet, so hat Wim Wenders „Der Himmel über Berlin“, einen der schönsten Berlin-Filme, der je gedreht wurde, mit Peter Handke entwickelt. Nach dem „Himmel“ aber, der immerhin schon 30 Jahre alt ist, kam kein gemeinsames Projekt mehr zustande. Nun hat Wenders ein Theaterstück von Handke verfilmt: mit dessen Frau, in dessen Haus. Und Handke hat einen Gastauftritt. Wir trafen den Regisseur kurz vor der Premiere von „Die schönen Tage von Aranjuez“. Der 71-Jährige wirkte müde, weil er schon an der Abnahme seines nächsten Films „Submergence“ saß. Die Assistentin reichte ihm Schokolade, um den Zuckerspiegel zu heben.

Den Filmregisseur Wim Wenders und den Schriftsteller Peter Handke verbindet eine enge Freundschaft. Beide hatten auch wiederholt zusammengearbeitet, so hat Wim Wenders „Der Himmel über Berlin“, einen der schönsten Berlin-Filme, der je gedreht wurde, mit Peter Handke entwickelt. Nach dem „Himmel“ aber, der immerhin schon 30 Jahre alt ist, kam kein gemeinsames Projekt mehr zustande. Nun hat Wenders ein Theaterstück von Handke verfilmt: mit dessen Frau, in dessen Haus. Und Handke hat einen Gastauftritt. Wir trafen den Regisseur kurz vor der Premiere von „Die schönen Tage von Aranjuez“. Der 71-Jährige wirkte müde, weil er schon an der Abnahme seines nächsten Films „Submergence“ saß. Die Assistentin reichte ihm Schokolade, um den Zuckerspiegel zu heben.

Herr Wenders, „Die schönen Tage von Aranjuez“ ist Ihre fünfte Zusammenarbeit mit Peter Handke. Was ist das Besondere an Ihrer Freundschaft?

Wim Wenders: Diese Freundschaft hält seit 50 Jahren, das ist für mich schon mal einzigartig. Jede Zusammenarbeit war anders, es gab nie ein Rezept, wir haben immer neu angefangen miteinander. Es gab auch nicht zwei Projekte, die irgendwie ähnlich gewesen wären.

Stimmt es eigentlich, dass Sie Maler geworden wären, wenn Peter Handke nicht gewesen wäre?

Ich war Kunststudent, als ich den Peter kennengelernt habe. Er ist der einzige Mensch, der je ein Bild von mir gekauft hat. Wahrscheinlich aus purer Nächstenliebe. Ich bin dann drei Jahre auf die Filmhochschule gegangen. Und hätte meinen ersten Kinofilm nicht machen können, wenn Peter mir nicht in einer großzügigen Geste seinen Roman gegeben hätte. „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ war ein Bestseller. Deshalb gelang es mir als einzigem von den 20 Absolventen der ersten Klasse der HFF in München, gleich im Jahr darauf einen Film zu drehen. Zwei, drei andere haben Jahre später einen Film gemacht. Mit den „Jungfilmern“ wollte damals doch keiner was anfangen. Aber ich hatte die Rückendeckung von Peter und seinem Roman!

Trotzdem hat es diesmal fast 30 Jahre gedauert, bis sie wieder zusammengearbeitet haben.

Wir hatten dazwischen noch andere Projekte zusammen. Ich habe richtig lange an „Langsame Heimkehr“ gearbeitet. Und Peter hatte „Kali“ für mich geschrieben, doch ich lebte damals in den USA, das hat sich dann leider verschleppt. Aber jedes Mal, wenn wir uns gesehen haben, meinten wir, jetzt sei es mal wieder Zeit. Irgendwann hat er mir dann dieses Stück geschickt, ob ich das nicht für die Erstaufführung inszenieren wollte. Der Text war auf Französisch geschrieben und gefiel mir auf Anhieb. Aber Theater war nicht meine Sache. Deshalb habe ich vorgeschlagen, ob ich das nicht als Film machen könnte. Die deutsche Erstaufführung hat dann Luc Bondy inszeniert, eine seiner letzten Arbeiten. Der Film hat noch ein bisschen gebraucht. Es ist der erste, den ich auf Französisch gedreht habe. Ich wollte das unbedingt im Original machen. Der französische Text hatte so eine Leichtigkeit.

Handke hat das Stück seiner Frau gewidmet, sie hat es auf der Bühne gespielt. Nun spielt ­Sophie Semin bei Ihnen mit. War das einfacher, weil sie ja schon „eingespielt“ war?

Es wurde dadurch nicht einfacher, aber auch nicht schwerer. Den Text in Kinobilder zu fassen zu kriegen, das war ja meine eigentliche Aufgabe. Das durfte auf keinen Fall theatralisch werden, es sollte so entspannt wie möglich sein. Aber ich habe Sophie sehr vertraut, ich kenne sie seit Langem, wir haben schon in meinem Film mit Antonioni zusammengearbeitet. Deshalb habe ich auch keine anderen Schauspielerinnen vorsprechen lassen. Weil Sophie den Text auf so eine Art in sich trug und lebte. Es ist ja wirklich „ihr“ Text.

In Ihrem Film reden ein Mann und eine Frau über die Liebe, aber doch auf ganz unterschiedliche Weise. Fühlen Männer anders als Frauen?

Klar. Und sie hören auch anders zu. Männer und Frauen ticken überhaupt ganz anders, das sieht (und hört) man im Film genau. Der Film handelt auch ein bisschen davon, sich gegenseitig auszuhalten, sich die Zeit zu nehmen, dem anderen zuzuhören.

Handke hat im Film einen Kurzauftritt als Gärtner. Ist er mit Ihrer Verfilmung einverstanden?

Peter hat uns einen Tag besucht. Und hat sehr fachkundig den Baum beschnitten, so wie er auch seinen eigenen Garten bestellt. Er hat dafür keine Regieanweisung gebraucht. Er wusste, wie das geht. Ansonsten hat er sich beim Drehen in keiner Weise eingemischt. Mit dem fertigen Film war er aber nicht so einverstanden. Er meinte, er hätte mir doch mehr reinreden und mir den Autor ausreden sollen. Peter hätte es lieber bei den zwei Personen belassen. Ich musste ihm klarmachen, dass dieser Autor nicht nur er ist, sondern auch ich. Da hat er dann grummelnd zugestimmt. Auch 3-D war nicht sein Ding.

Sie dagegen sind der Technik seit Ihrem Pina-Bausch-Film „Pina“ ganz verfallen?

„Aranjuez“ zeigt meinen Traum von dem, was mit 3-D möglich ist. Da ist nichts Effekthascherisches dabei, sondern etwas sehr Zärtliches. So wie unser natürliches Sehen. Ich vertrete ja die Theorie, auch wenn ich damit auf der Welt wohl allein stehe, dass man bei 3-D besser zuhören kann. Einfach deshalb, weil man andere Regionen seines Gehirns anstrengen muss und die Gesamterfahrung intensiver ist.

Vor wenigen Jahren wurde 3-D als große Innovation gefeiert. Sie waren der Vorreiter im Arthouse-Kino, aber es kam keiner nach.

Die Vorlage war James Camerons „Avatar“, aber das ist das einzige große künstlerische Werk geblieben. Sonst kam nichts nach. Ich habe mein Bestes getan, um zu zeigen, welche Vielfalt dieses Medium bietet und welche neuen Dimensionen sich einem Regisseur erschließen. Aber die wenigsten Kollegen haben sich darauf eingelassen. Deshalb ist das Fernsehen wieder ausgestiegen, und dann auch die Industrie. Jetzt ist 3-D nur noch eine Domäne für Actionkram. Damit aber ist das Ende des Mediums eigentlich schon besiegelt. Es hat sich als Sprache im Kino nicht durchgesetzt. Der Arthouse-Film hat sich mit Grausen abgewandt. Und ich bin stinksauer.

Inwiefern?

Das ist ein richtiger Skandal der Filmgeschichte. Eine Industrie hat diese Technik gemolken, um ein bisschen mehr Geld zu machen, aber nicht, um zu beweisen, was man damit machen kann. 3-D wurde missbraucht und liegt jetzt ausgelaugt und abgenudelt in der Ätschecke. Ich möchte unbedingt damit weitermachen, habe aber auch keine Lust, der letzte der Mohikaner zu sein.

Noch ein ganz anderes Thema. Sie haben lange in den USA gelebt. Wie empfinden Sie das, was da gerade passiert, seit Trump gewählt worden ist?

Als den nackten Horror. Im Film „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte die Bombe zu lieben“ war das ja alles noch komisch, was da jetzt pure Surrealität wird. Aber leider unsere tägliche Realität und somit Wahrheit. Und nun verliert sogar so ein Wort wie „Wahrheit“ im Trumpiversum jeden Sinn. Da gibt es jetzt „alternative Fakten“ statt wahre.

Hätten Sie gedacht, dass ein Populist wie Trump wirklich siegen könnte?

Hatte ich nicht. Bis die ersten „Swing States“ an den Mann gefallen sind und ich den Fernseher ausgeschaltet habe. Ich wollte wenigstens noch eine Nacht ruhig schlafen ... Das zweite bittere Erwachen. Auch den Brexit hätte ich ja nie für möglich gehalten.

Meryl Streep hat bei den Golden Globes ein flammendes Plädoyer gegen Trump gehalten. Stehen die Filmschaffenden in der Pflicht, Stellung zu beziehen?

Mehr denn je. Wir sind von Beruf her gewohnt, uns was zu trauen. Auch Robert De Niro oder Alec Baldwin haben sich da hervorgetan und auch mein guter Kollege Michael Moore. Hier in Europa gehört ja keine große Courage dazu, Trump für das nackte Grauen zu halten. Aber in den USA gehen die Leute derzeit auf die Straße und vor allem die Frauen.