Berlin. . Als die Flüchtlingswelle im Sommer 2015 ihren Höhepunkt erreichte, war die Stimmung in der Wirtschaft überraschend gut. Die Asylbewerber seien ein großes Potenzial für den Arbeitsmarkt, hieß es, einige Konzernführer sahen sogar ein „Wirtschaftswunder“ voraus.

Als die Flüchtlingswelle im Sommer 2015 ihren Höhepunkt erreichte, war die Stimmung in der Wirtschaft überraschend gut. Die Asylbewerber seien ein großes Potenzial für den Arbeitsmarkt, hieß es, einige Konzernführer sahen sogar ein „Wirtschaftswunder“ voraus.

Die Euphorie ist verschwunden, in den Unternehmen herrscht Ernüchterung: Das Qualifikationsniveau vieler Flüchtlinge wurde überschätzt, die Sprachprobleme dauern an, auch wegen fehlender Kurse. Experten der Bundesagentur für Arbeit schätzen, dass nach fünf Jahren erst die Hälfte der Flüchtlinge einen Job haben wird.

Doch hoffnungslos ist die Lage nicht, wenn Politik und Wirtschaft an einem Strang ziehen – und bereit sind, Zeit und Geld zu investieren. Das belegen erste Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums zur Integration in den Arbeitsmarkt: „Die vielen Menschen, die nun in Ausbildung und Arbeit sind, zeigen, dass wir trotz aller Schwierigkeiten Erfolgsgeschichten schreiben können, wenn wir uns anstrengen und etwas dafür tun“, sagte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dieser Zeitung. Er bezog sich auf die Bilanz des von seinem Ministerium geförderten Programms „Willkommenslotsen“: Innerhalb von zehn Monaten wurden 3441 Flüchtlinge in Betriebe vermittelt.

Das von Wirtschaftsverbänden mitfinanzierte Programm setzt rund 150 Willkommenslotsen bei Kammern und anderen Organisationen ein. Sie sollen die Unternehmen bei der Besetzung offener Ausbildungs- und Arbeitsstellen mit Flüchtlingen unterstützen und passgenau geeignete Bewerber vorschlagen. Ziel ist es vor allem, den Einstieg in betriebliche Ausbildung zu erleichtern.

Über das im März 2016 gestartete Programm wurden bis Ende Dezember 16 715 Unternehmen und 11 017 Flüchtlinge beraten, so die Bilanz. Der Hälfte der vermittelten Flüchtlinge wurde ein Praktikum angeboten, über 800 begannen eine Einstiegsqualifizierung oder Hospitation, 460 eine Ausbildung. 357 Flüchtlinge fanden direkt einen Arbeitsplatz. Gabriel sagte: „Wir müssen die Menschen, die dauerhaft bei uns bleiben werden, in Ausbildung und Arbeit bringen.“ Nur so lernten sie die Sprache und Qualifikationen, um in Deutschlauf auf eigenen Füßen zu stehen. Gleichzeitig brauche die Wirtschaft dringend Fachkräfte.

3441 Vermittlungen in zehn Monaten – bei mehreren Hunderttausend Flüchtlingen, die mittelfristig auf den Arbeitsmarkt drängen, klingt das zunächst nicht nach viel. Aber das Programm musste erst anlaufen, die Berater vor Ort präsent sein. Noch kennen viele Unternehmen das Angebot auch gar nicht.

Die Bilanz belegt zugleich, was Experten seit Monaten voraussagen: Die Integration der Flüchtlinge wird mühevoll und aufwendig. Zwei Drittel der Flüchtlinge haben keinen formalen Berufsabschluss, hat eine Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ergeben. 17 Prozent haben demnach einen Hochschulabschluss, weitere 21 Prozent haben das Gymnasium abgeschlossen, ein Drittel absolvierte die Mittelschule – der Rest besuchte allenfalls die Grundschule. Es gebe bei den Startbedingungen eine „starke Polarisierung“, so die Studie. Aber: Die Motivation der Migranten ist groß. Auch deshalb hat die Bundesregierung ein Programm für 100 000 Ein-Euro-Jobs aufgelegt, mit dem Flüchtlinge rasch an deutsche Arbeitsbedingungen herangeführt werden sollen. Doch das Programm läuft nur langsam an, Ende Dezember waren erst 14 000 Plätze eingerichtet.

Experten sind aber sicher: Am Ende lohnen sich die Investitionen. „Die Zuwanderung von Flüchtlingen verursacht zunächst erhebliche Kosten“, schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer neuen Untersuchung. Doch mit zunehmender Integration in den Arbeitsmarkt würden aus den Kosten Einnahmen für die öffentlichen Haushalte. Langfristig ließen die Investitionen „hohe Renditen erwarten“.

Das Wirtschaftsministerium betont, es gehe um eine „doppelte Integrationsleistung“: Im Fokus der Eingliederungsbemühungen stehen nicht nur Flüchtlinge, sondern auch inländische Jugendliche, die aus eigener Kraft keinen Ausbildungsplatz finden. Für sie setzte das Ministerium 2016 das Programm „Passgenaue Besetzung“ fort, das Vorbild für die „Willkommenslotsen“ war: 4347 Jugendliche wurden auf diese Weise in Ausbildung vermittelt, 1168 in eine Einstiegsqualifizierung.

Der Aufwand war hier deutlich größer: Es wurden fast 97 000 Beratungsgespräche mit Unternehmen und knapp 52 000 Gespräche mit Jugendlichen geführt.