Washington. Nach dem Last-Minute-Strafnachlass für die Whistleblowerin Chelsea Manning durch den scheidenden US-Präsidenten Barack Obama gerät der Chef der Enthüllungs-Plattform Wikileaks, Julian Assange, in Zugzwang. Der im Londoner Exil lebende Australier (45), dort schützt ihn die Botschaft Ecuadors vor Strafverfolgung in Skandinavien, hatte angekündigt, sich an Amerika ausliefern zu lassen. Voraussetzung: Dem durch die Weitergabe von Berichten über US-Kriegsverbrechen im Irak und vertraulichen Diplomaten-Depeschen weltweit bekannt gewordenen Manning müsse erst Gerechtigkeit widerfahren. Das ist nun nach Überzeugung von Menschenrechtsorganisationen der Fall: Statt 2045 kommt die Transsexuelle auf präsidiale Anweisung von Obama bereits im kommenden Mai frei.
Nach dem Last-Minute-Strafnachlass für die Whistleblowerin Chelsea Manning durch den scheidenden US-Präsidenten Barack Obama gerät der Chef der Enthüllungs-Plattform Wikileaks, Julian Assange, in Zugzwang. Der im Londoner Exil lebende Australier (45), dort schützt ihn die Botschaft Ecuadors vor Strafverfolgung in Skandinavien, hatte angekündigt, sich an Amerika ausliefern zu lassen. Voraussetzung: Dem durch die Weitergabe von Berichten über US-Kriegsverbrechen im Irak und vertraulichen Diplomaten-Depeschen weltweit bekannt gewordenen Manning müsse erst Gerechtigkeit widerfahren. Das ist nun nach Überzeugung von Menschenrechtsorganisationen der Fall: Statt 2045 kommt die Transsexuelle auf präsidiale Anweisung von Obama bereits im kommenden Mai frei.
Sicherheitspolitiker sehen gefährlichen Präzedenzfall
Käme Assange danach in die USA, was sein Anwalt gestern in einer Stellungnahme kurzfristig ausschloss, könnte das Obamas Nachfolger Donald Trump in Verlegenheit bringen. Auf dem Höhepunkt des von Manning initiierten Enthüllungsskandals hatte Trump 2010 für Assange die Todesstrafe gefordert. Seit Wikileaks nach Überzeugung amerikanischer Geheimdienste mit russischer Beihilfe im jüngsten US-Wahlkampf massiv gegen die Demokratin Hillary Clinton schoss, hat Trump dagegen mehrfach Sympathien für Wikileaks durchblicken lassen. Würde er Assange vor Gefängnis schützen?
Obamas Entscheidung, der 29-Jährigen, die im Irak als Geheimdienst-Analystin für das US-Militär stationiert war (damals noch als Bradley Manning), knapp 28 Jahre ihrer 2013 von einem Militärgericht verhängten Gefängnisstrafe wegen Spionage zu erlassen, hat in Washington hohe Wellen geschlagen. Plötzlich wurde wieder die Erinnerung wach an das von Manning „geleakte“ Video aus dem Jahr 2007. Es zeigt, wie ein US-Militärhubschrauber im Irak Menschen erschießt. Unter den elf Toten, die das US-Militär fälschlicherweise für Aufständische hielt, waren auch Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters. Die Todesschützen gingen straffrei aus.
Während ihre Anwälte Nancy Hollander und Vince Ward gestern betonten, dass Manning im Interesse der Öffentlichkeit auf Kriegsgräuel habe hinweisen wollen und dafür drakonisch bestraft wurde, ging der Sicherheitsapparat auf Konfrontationskurs. Obamas Entscheidung sei gegen den Rat von Verteidigungsminister Ash Carter erfolgt, hieß es. Auch Sicherheitspolitiker im Kongress sehen darin einen „gefährlichen Präzedenzfall“, der Nachahmer animieren könnte, ebenfalls Geheimnisse zu verraten, die Sicherheit zu gefährden und die militärische Disziplin auszuhöhlen. Man befürchtet, dass Obama in letzter Minute auch gegenüber dem nach Manning auf den Plan getretenen Enthüller Edward Snowden Milde walten lassen könnte.
Manning habe Reue gezeigt und sieben Jahre unter harten Bedingungen (Einzelhaft, Schikanierungen wegen ihres Transgender-Status im reinen Männergefängnis Fort Leavenworth) hinter Gittern gesessen, erklärte das Weiße Haus inoffiziell. Außerdem gebe es nach wie vor keinen Beleg dafür, dass Soldaten oder andere US-Funktionsträger durch die Enthüllungen Schaden genommen hätten.
Edward Snowden dagegen habe nach seinem als Landesverrat eingestuften Verhalten (Veröffentlichung von Überwachungs-Praktiken des Geheimdienstes NSA) das Weite gesucht und verschanze sich zwecks Strafvermeidung „in einem Land, das erst kürzlich gezielt versucht hat, unsere Demokratie zu schwächen“, wie Obama-Sprecher Josh Earnest formulierte. Prompt kündigte die russische Regierung gestern an, das Exil für Snowden bis zum Jahr 2020 zu verlängern.
Obama korrigiert mit dem Straferlass auch seine eigene Linie
In seiner letzten Presse-Konferenz erläuterte Obama seine Motive. Danach sei Amerika ein Land, „das vergibt“ und Menschen „eine zweite Chance“ bietet. In seiner Amtszeit hat Obama in 1400 Fällen Gefangenen das Strafmaß gekürzt, darunter sind 500 Fälle von „lebenslänglich“. Obama übertrifft damit alle zehn Präsidenten vor ihm um Längen.
Mit seiner Entscheidung in der Causa Manning korrigiert Obama in gewisser Weise auch seine eigene harte Haltung gegenüber Whistleblowern. Unter seiner Regierung wurden Enthüller laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch „so unerbittlich verfolgt wie selten zuvor“.