B. Nach dem Terroranschlag in Berlin fahndet die Polizei bundes- und europaweit nach einem Verdächtigen, der als islamistischer Gefährder bekannt ist. Eine Spur führt die Ermittler nach Nordrhein-Westfalen. Den Behörden ist der möglicherweise bewaffnete Mann als abgelehnter, aber geduldeter Asylbewerber Anis Amri aus Tunesien bekannt, wie es gestern in Sicherheitskreisen hieß. Der 24-Jährige nutzte mehrere Identitäten.

Nach dem Terroranschlag in Berlin fahndet die Polizei bundes- und europaweit nach einem Verdächtigen, der als islamistischer Gefährder bekannt ist. Eine Spur führt die Ermittler nach Nordrhein-Westfalen. Den Behörden ist der möglicherweise bewaffnete Mann als abgelehnter, aber geduldeter Asylbewerber Anis Amri aus Tunesien bekannt, wie es gestern in Sicherheitskreisen hieß. Der 24-Jährige nutzte mehrere Identitäten.

In dem Lastwagen, der am Montagabend auf den zentralen Weihnachtsmarkt gerast war, wurden Duldungspapiere des Tunesiers gefunden. Bei dem Anschlag waren zwölf Menschen ums Leben gekommen und rund 50 teils lebensbedrohlich verletzt worden.

Wie die NRZ aus Staatsschutzkreisen erfuhr, hatte das Landeskriminalamt NRW vor Anis Amri mehrfach und immer wieder gewarnt. Er soll engen Kontakt zu Salafisten-Chef Abu Walaa gehabt haben, der bis zu seiner Verhaftung als „Nummer 1 des IS in Deutschland“ galt und mit seiner Familie in Tönisvorst lebte. Er soll über Jahre Kämpfer für Syrien rekrutiert und junge Männer radikalisiert haben.

Abschiebung scheiterte anfehlenden Ausweispapieren

Anis Amri selbst wohnte eine Zeit lang in einer Asylunterkunft in Emmerich. Dort suchte ihn am Mittwochmorgen der Staatsschutz. Am Nachmittag warteten etwa 150 Polizisten vor der Unterkunft außerhalb des Ortes auf einen Durchsuchungsbeschluss. Anis Amri soll laut bild.de auch Kontakte zu dem Islamisten Hasan C. gehabt haben, der in Duisburg-Rheinhausen ein Reisebüro betreibt, in dem er junge Männer radikalisiert haben soll. Hasan C. sitzt derzeit in U-Haft. Auch in Dortmund hielt sich der 24-Jährige auf – bei einem selbst ernannten Salafisten-Prediger.

Die Ausländerbehörde Kreis Kleve hätte Anis Amri bereits im Juni 2016 abschieben sollen. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) erklärte, die Abschiebung sei an fehlenden Ausweispapieren gescheitert. Tunesien habe bestritten, dass es sich um einen tunesischen Staatsbürger handele. Man habe auf Passersatzpapiere warten müssen. „Die Papiere sind heute aus Tunesien eingetroffen“, sagte Jäger gestern weiter.

Jäger betonte, dass die NRW-Sicherheitsbehörden stets alle Informationen über den mutmaßlichen Attentäter in das Gemeinsame Terror-Abwehrzentrum von Bund und Ländern eingebracht hätten, zuletzt im November. Bei Bund und Ländern war Anis Amri angeblich bereits seit Januar 2016 als potenzieller Terrorist geführt. Auf Betreiben des Landeskriminalamtes NRW sei auch beim Generalbundesanwalt ein Verfahren gegen Amri wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat eingeleitet worden, so Jäger. Der Berliner Generalstaatsanwalt habe die weiteren Ermittlungen geführt. Laut Generalstaatsanwalt wurde Amri von Mitte März bis September überwacht, jedoch ohne konkrete Ergebnisse. Ob es Reibungsverluste zwischen den Behörden gegeben haben könnte, blieb offen.

Die politische Debatte über Konsequenzen lief derweil auf Hochtouren. CSU-Chef Horst Seehofer, der eine Neujustierung der Sicherheits- und Zuwanderungspolitik gefordert hatte, stand stark in der Kritik, auch aus der Schwesterpartei CDU. Die CDU-Vizevorsitzende Julia Klöckner argumentierte, dass auch die von Seehofer bislang geforderte Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr die Sicherheitslage nicht grundlegend verbessern würde. Justizminister Heiko Maas (SPD) mahnte ohne Nennung eines speziellen Adressaten: „Niemand sollte versuchen, dieses abscheuliche Verbrechen für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Wer es dennoch tut, entlarvt sich selbst als verantwortungslos.“