Essen. Die Werbung preist Feuchttücher als “ökologisch und mild“ an. Einige Produzenten werben sogar für die Entsorgung durchs WC – mit fatalen Folgen.

  • Feuchttücher zersetzen sich nicht und werden dennoch häufig durchs WC entsorgt
  • Für Pumpwerke entstehen hohe Kosten, um die Feuchttücher zu schreddern
  • Die Linken fordern Kennzeichnungspflicht auf den Verpackungen

Feuchttücher sind ein Muss in modernen Haushalten. Sie sorgen für jährlich 100 Millionen Euro Umsatz bei den Herstellern und achtprozentige Steigerungsraten im Jahr. Die Unternehmen bewerben das reißfeste Vlies deshalb gerne mit seiner freundlichen Seite: Als „praktisch“ für die Kosmetik oder „mild“ für den Baby-Po, als „sensitiv“ beim Putzen oder sogar „ökologisch“. Vor allem: Nicht wenige Produzenten vor allem von Toilettentüchern empfehlen aufgrund eigener Tests die Entsorgung durchs WC – wenn einige Male nachgespült wird.

Kanalreiniger im größten deutschen Ballungsraum sehen das zunehmend völlig anders: Feuchttücher zersetzen sich, anders als das Toilettenpapier, kaum. Sie verstopfen immer wieder die Pumpwerke, machen aufwändige Reparaturen und Reinigungen nötig und teure Investitionen. Der Ruhrverband, der in der Rhein-Ruhr-Region mit 112 Pumpwerken die Abwässer von 60 Kommunen klärt, warnt: „Die zusätzlichen Kosten werden über die Abwassergebühren an die Bürger weitergegeben.“

Massiver Anstieg an verstopften Pumpwerken

Das Thema wird jetzt politisch. Die Linken im Bundestag fragen die Bundesregierung nach den Schäden der Faserstoffe, nach den Kosten und den fehlenden Kennzeichnungspflichten auf den Packungen. „In den letzten Jahren wurde ein massiver Anstieg verstopfter Pumpwerke verzeichnet“, stellen die Abgeordneten fest. Die verwendeten Stoffe seien nicht etwa ökologisch, der ganze Einsatz der Tücher sei „problematisch“.

„Wir kennen das Problem“, sagt Britta Balt vom Ruhrverband in Essen. „Feuchttücher setzen vor allem nach starken Niederschlägen und am Ende langer Kanäle ohne großes Gefälle immer wieder unsere Anlagen zu.“ Dort bildeten sich dann lange Zöpfe, die reißfest seien. „Das Pumpwerk muss damit fertig werden. Es kommt auch zum Stillstand.“ Service-Teams müssten in diesem Fall mit der Hand verzopfte Tücher zerschneiden und rausholen. „Das ist nicht immer schön für die Leute.“

Schredderer soll Abhilfe schaffen

In einem der großen Anlagen des Verbandes hat auch der Einsatz menschlicher Arbeitskraft nicht mehr weiter geholfen. Südlich von Bochum, für den Zulauf zum Pumpwerk in Witten, musste mit erheblichem finanziellen Aufwand ein „Channel Monster“ beschafft und eingebaut werden – ein Schredder, der vorgeschaltet ist und die durch die Toiletten weggespülten Hindernisse zerkleinert. Das sei eine zusätzliche Investition, die auf die Kostenseite schlägt, sagt Balt.

Umstritten sind deshalb laut Linkspartei nicht nur die chemischen Substanzen im Vlies wie Formaldehyd, Benzoesäure, Kaliumsorbate und Natriumbenzonat. Sie bezweifelt vor allem Untersuchungen der Hersteller der Toiletten-, Kosmetik-und Babypflege-Tücher, wonach die Produkte „spülbar“ sind und sich dadurch zersetzen. Auch Britta Balt vom Ruhrverband weiß aus der Erfahrung ihrer Reinigungsteams: „Die Tücher kommen bei uns nicht besonders zersetzt an.“

Dabei ist die Rechtslage eindeutig. Das Abwasserhaushaltsgesetz und auch kommunale Abwassersatzungen schreiben klar vor, dass „Stoffe auch in zerkleinertem Zustand, die zu Ablagerungen und Verstopfungen in den öffentlichen Abwasseranlagen führen können“, nicht über die Kanalisation entsorgt werden dürfen.