An Rhein und Ruhr. . Der Beamtenbund fordert Änderungen bei der Frauenförderung. Landesvorsitzender Roland Staude: “Hannelore Kraft muss das Thema zur Chefinnen-Sache machen.“

Der Deutsche Beamtenbund (DBB NRW) befürchtet einen „jahrelangen Beförderungsstau“, wenn die umstrittenen, seit Sommer gültigen neuen Regeln zur Frauenförderung in der Landesverwaltung nicht korrigiert werden. „Das Gesetz ist schwammig formuliert. Es war blauäugig von der Landesregierung zu glauben, dass auf diese Weise mehr Frauen befördert werden können“, meinte DBB-Landeschef Roland Staude im NRZ-Interview.

Seit 1. Juli gilt in der Landesverwaltung: Frauen müssen bei „im Wesentlichen gleicher Eignung“ bevorzugt befördert werden. Rund 70 männliche Beamte klagen dagegen, weil sie sich benachteiligt fühlen. Vier Verwaltungsgerichte haben Klägern in der Sache bereits Recht gegeben. DBB-Chef Staude appellierte eindringlich an die Landesregierung, die Verfahren nicht durch alle Instanzen bis zum Europäischen Gerichtshof zu betreiben. Das Ziel, mehr Frauen zu befördern, sei richtig: „Dafür muss man aber anderer Stelle ansetzen“, meinte Staude. Er sprach sich für familienfreundliche Arbeitsbedingungen in der Landesverwaltung aus, vor allem aber für geschlechtergerechte Beurteilungskriterien. Roland Staude sieht Hannelore Kraft am Zug: „Das Thema muss jetzt zur Chefinnensache gemacht werden.“

Roland Staude ist überzeugter Bahnfahrer – und sehr pünktlich. Er ist ein freundlicher Mann, wirkt bescheiden und argumentiert beim NRZ-Redaktionsbesuch sehr sachlich. Rasch wird deutlich, dass ihn die jüngsten beamtenpolitischen Maßnahmen der Landesregierung nicht besonders beeindruckt haben. Lob gibt es auch, ja, aber der Landeschef des Beamtenbundes sieht nicht nur bei der Frauenförderung für Landesbeschäftigte erheblichen Verbesserungsbedarf.

Herr Staude, würden Sie ihren Kindern eine Beamtenlaufbahn nahe legen – oder sollen diese lieber in der Wirtschaft Geld verdienen?

Roland Staude: Eine schwere Frage. Mein Sohn ist 14, er bemüht sich derzeit um einen Praktikumsplatz im Justizministerium. Er interessiert sich für Jura, will vielleicht auch einen Richterberuf anstreben. Die Bezahlung da ist ausbaufähig. Große Kanzleien bezahlen sicher deutlich mehr, je nachdem auf welche Rechtsgebiete man sich spezialisiert hat.

Berufe mit Beamtenstatus sind an sich doch sehr attraktiv. Oder gibt es Nachwuchsprobleme?

Staude: Unterschiedlich. In klassischen Bereichen der Verwaltung bekommt man noch sehr gute Nachwuchskräfte; aber in der speziellen Aufgabenwahrnehmung, wird es schwierig – ob das jetzt bei den Tierärzten ist, bei Polizeiärzten oder bei der IT. Die Konkurrenz zur freien Wirtschaft ist extrem.

Wie sehen sie das Image der Beamten? Es heißt, der Respekt der Bürger hat nachgelassen...

Staude: Ich beobachte zwei Dinge. Immer in Krisenzeiten ist das Image der Beamten besser. Bestimmte Berufsgruppen wie Feuerwehr und Polizei sind ohnehin hoch angesehen. Der zweite Aspekt: Insgesamt wird der öffentliche Dienst immer mehr als „Fußabtreter“ gegenüber der Politik benutzt. Das darf nicht sein. Die Beamtenschaft und der öffentliche Dienst sind der Garant für die Funktionsfähigkeit des Staates. Es war deshalb gut, dass die Landesregierung kürzlich eine „Woche des Respekts“ ausgerufen hat. Wir als Beamtenbund fordern Anerkennung für die Kollegen ein. Dass sie zur Zielscheibe von Gewalt werden, geht gar nicht. Ich glaube, es wäre gut, wenn wir in der Gesellschaft eine neue Wertediskussion führen würden.

Bekommen Beamte und andere Landesbedienstete Wertschätzung von ihrem Dienstherrn?

Staude: Na ja. Ein kleiner Erfolg ist für uns, dass die 1997 abgeschaffte Jubiläumszulage wieder eingeführt wird. Für eine 25-jährige Dienstzugehörigkeit bekommt ein Beamter 300 Euro. Da ist sicher noch Luft nach oben. Finanziell muss sich das Land dafür auch nicht verrenken. Für eine 25-jährige Dienstzugehörigkeit muss es jährlich 12 Euro zurücklegen.

Das Verhältnis zwischen Landesregierung und Beamten war in dieser Legislaturperiode durchaus von Spannungen geprägt. Hat sich das jetzt gebessert?

42 Fachgewerkschaften, 180.000 Mitglieder

Der Beamtenbund organisiert in Nordrhein-Westfalen 42 Fachgewerkschaften mit insgesamt 180 000 Mitgliedern. Roland Staude steht seit Mai 2014 an der Spitze des Landesverbandes. Der 51-Jährige kommt aus der Gewerkschaft Komba, war bis September 2016 auch deren Bundesvize. Der Gewerkschaftsname leitet sich von Kommunalen Beamten und Angestellten ab. Es sind aber auch Landesbeschäftigte darin organisiert.

Bevor er an die Spitze des Beamtenbundes in NRW gewählt wurde, war Staude Ordnungsamtsleiter in Bielefeld. Der verheiratete Familienvater ist Schwarzgurtträger im Judo.

Staude: Die Unruhe war damals entstanden beim Besoldungs- und Versorgungsgesetz, was Nullrunden für Teile des gehobenen und des höheren Dienstes vorsah und verfassungswidrig war. Die Richter in Münster hatten das ja eindeutig festgestellt. Die Landesregierung und wir haben seither regelmäßig Gespräche geführt. Die waren sicher auch sehr zielführend. Mein Eindruck ist, dass die Landesregierung Ende 2016/Anfang 2017 Ruhe bei beamtenpolitischen Themen haben wollte. Das ist aber im Rahmen der Dienstrechtsreform nicht ganz gelungen – auch weil einiges, was die Landesregierung angepackt hat, ja weiter mit handwerklichen Fehlern belastet ist.

Was meinen Sie da?

Staude: Nehmen Sie zum Beispiel den Pensionsfonds, der im nächsten Jahr zwei vorher eigenständige Systeme ablöst, bei denen die Beamten auch einen eigenen Beitrag geleistet haben. Dieser Fonds hat in NRW zwar mit rund 10 Mrd. Euro einen Spitzenwert im bundesweiten Vergleich, künftig sollen jedoch statt rund einer Milliarde Euro nur noch 200 Millionen Euro jährlich zugeführt werden. Das führt zu einer Unterfinanzierung und ist alles andere als nachhaltig.

Ein anderes Beispiel sind die Regeln zur Frauenförderung, die jetzt in Kraft getreten sind. Auch wir wollen, dass mehr Frauen befördert werden – das kann man aber nicht per Gesetz regeln und schon gar nicht mit einer nicht rechtssicheren Formulierung. Das muss über die Beurteilung laufen.

Neueinstellungen etwa bei Polizei und Justiz, höhere Zulagen: Vor der Wahl hat die Landesregierung das Portemonnaie weit aufgemacht...

Staude: Das sind kleine, punktuelle Maßnahmen, die wesentlich mit der aktuellen Lage zu tun haben. NRW steht mit im Fokus der terroristischen Bedrohung. Darauf ist reagiert worden – ebenso zuvor auf die Flüchtlingskrise.

Apropos Flüchtlingskrise: Da ist der Staat massiv gefordert worden. Hat die Politik das richtig gehändelt – oder wurde da mit der Gesundheit von Kollegen gespielt?

Staude: Fakt ist, dass diese Situation zu vielen Erkrankungen bei Kollegen geführt hat – ob das im Bereich der Ausländerbehörden war, der Ordnungsämter oder der Polizei. Man muss freilich berücksichtigen, dass das eine außergewöhnliche Situation war. Ich finde es bemerkenswert, wie insbesondere die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes damit fertig geworden sind. Ob es da Managementfehler gab? Ich bin mir nicht sicher. Man muss aber froh sein, dass sich die Situation beruhigt hat.

Wenn Sie der Landesregierung ein Zeugnis, eine Schulnote geben müssten – was würden sie geben?

Staude: Ein Zeugnis? Dass sie noch versetzt sind. (lächelt)