Rom/Brüssel. Es ist ein neuer Stresstest für Europa: Nach dem gescheiterten Referendum in Italien und der Rücktrittsankündigung von Regierungschef Matteo Renzi ist offen, wer die drittgrößte Volkswirtschaft in der Eurozone in Zukunft führen wird. In Brüssel waren die Finanzminister am Montag darum bemüht, nicht zusätzlich für Unsicherheit zu sorgen. Es gilt die Devise: Solange die Finanzmärkte Ruhe bewahren, werden wir keine Unruhe herbeireden.

Es ist ein neuer Stresstest für Europa: Nach dem gescheiterten Referendum in Italien und der Rücktrittsankündigung von Regierungschef Matteo Renzi ist offen, wer die drittgrößte Volkswirtschaft in der Eurozone in Zukunft führen wird. In Brüssel waren die Finanzminister am Montag darum bemüht, nicht zusätzlich für Unsicherheit zu sorgen. Es gilt die Devise: Solange die Finanzmärkte Ruhe bewahren, werden wir keine Unruhe herbeireden.

Renzi tritt jedoch nicht mit sofortiger Wirkung zurück: Staatspräsident Sergio Mattarella habe ihn gebeten, noch im Amt zu bleiben, bis das Haushaltsgesetz für das kommende Jahr vom Parlament verabschiedet werde, teilte der Präsidentenpalast am Abend mit. Dies muss bis Ende Dezember geschehen. Das Gesetz könnte laut Medienberichten aber schon bis Ende der Woche vom Parlament abgesegnet werden. Im Gespräch für Renzis Nachfolge sind Finanzminister Pier Carlo Padoan und der Präsident des Senats, Pietro Grasso, aber auch Verkehrsminister Graziano Delrio.

Weil Finanzminister Padoan dem Treffen der Finanzminister ferngeblieben war, stimmte sich sein deutscher Kollege Wolfgang Schäuble (CDU) vor Beginn der Sitzung der Eurogruppe telefonisch mit ihm ab. Tenor: An den Märkten bleiben sie locker. Der Euro war zunächst zwar leicht abgesackt, nachdem Renzi den Rücktritt angekündigt hatte. Dann aber ging es wieder aufwärts. Von Panik keine Spur. Schäuble: „Es gibt keinen Grund, von einer Eurokrise zu reden.“

Dem konnten die Kollegen nur beipflichten. „Wenn das die Markt-Reaktionen sind, dann erübrigen sich zusätzliche Maßnahmen“, erklärte etwa Jeroen Dijsselbloem, Finanzminister der Niederlande und Chef der Eurogruppe.

Dabei lag das Ergebnis der Volksabstimmung in Italien hart an der Alarmschwelle. Dass Renzi das Referendum verlieren würde, schien zwar ausgemacht. Am Ende aber stimmte eine krachende Mehrheit von 59 Prozent der Italiener gegen Renzi und seine Reformpläne – und sorgte international für Enttäuschung: Der italienische Regierungschef habe „das Richtige und Notwendige getan, aber er ist dafür von den Wählern nicht belohnt worden“, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Vor allem im armen Süden des Landes stimmten die Menschen mit „Nein“. Auf Sizilien etwa gab es weniger als 30 Prozent für das „Ja“. Die meiste Zustimmung gab es in Südtirol, aber auch in der Toskana kam Renzi klar über 50 Prozent. Gegen den Regierungschef stimmte der verarmte Mittelstand, der keine Chancen für seine Kinder und Enkel mehr sieht. Junge Menschen ohne Arbeit und ohne Aussicht auf eine in Italien als oberstes Ziel geltende Festanstellung liefen in Scharen Beppe Grillo zu. Wie kein anderer schreit der Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung den Frust vieler Italiener über eine angeblich durch und durch korrupte Politikerkaste hinaus.

Viele Wähler stimmten bei dem Referendum aber auch mit „Nein“, um den Reformen eine Absage zu erteilen, mit denen Renzi Italien wieder wettbewerbsfähig machen wollte. Statt des gewünschten Endes des angeblich von Brüssel aufgezwungenen Sparkurses drohen nun jedoch Steuererhöhungen. So wird die nächste Regierung wohl dazu gezwungen sein, das Gegenteil von dem zu tun, was die Mehrheit der Wähler erhofft hatte.

So umstritten Renzi zu Hause war – so geschätzt war er in Brüssel: Zwar hatte der Sozialdemokrat mitunter mit Alleingängen genervt. Doch gilt er als verlässlicher Europäer und als jemand, der unerlässliche Reformen anpackt. Das von exorbitanten Staatsschulden und einer Bankenkrise beschwerte Italien kann sich keine lange Phase politischer Unsicherheit leisten. „Die Probleme von heute sind dieselben wie die gestern“, sagte Eurogruppen-Chef Dijsselbloem. Er habe dem Land zugestanden, dass jetzt nicht die Stunde weiterer Maßnahmen gegen das Schuldenproblem sei. Die Eurogruppe fordere aber, Schritte „in naher Zukunft“ zu tun. Schäuble bekräftigte: „Italien muss den Weg, den der Ministerpräsident Renzi in den letzten drei Jahren gegangen ist, fortsetzen.“

In Italien sehen das viele anders. Die eurokritische Fünf-Sterne-Bewegung forderte bereits Neuwahlen. „Die Italiener sollten schnellstens zur Wahl gerufen werden“, schrieb Anführer und Starkabarettist Beppe Grillo in seinem Blog. Auch der politisch tot geglaubte Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi sieht eine Chance für eine Rückkehr an die Macht: „Nur ich bin in der Lage, die Stimmung der Leute einzufangen.“ Und der Chef der rechtspopulistischen Lega Nord, Matteo Salvini, schreibt sich den Sieg über Renzi auf die Fahnen: „JP Morgan, die Bundesregierung und die EU-Kommission sind bei den Italienern von heute an nicht mehr erwünscht.“