Berlin. Alle Wehrmachts-Soldaten, die von den Nazis wegen Kriegsverrats zum Tode verurteilt wurden, sollen jetzt pauschal rehabilitiert werden. Ein entsprechendes Gesetz soll am Donnerstag vom Bundestag verabschiedet werden. Dabei galten die Kriegsverräter lange Jahre als das "letzte Tabu".

Soldaten der Wehrmacht, die wegen Kriegsverrats von den Nazis zum Tode verurteilt wurden, sollen 64 Jahre nach Kriegsende pauschal rehabilitiert werden. Nachdem die Union ihren bis vor wenigen Tagen geübten Widerstand aufgegeben hat, ist der Weg für ein von allen Bundestagsparteien mitgetragenes Gesetz nun doch frei. Es soll am Donnerstag in den Bundestag eingebracht und am 26. August verabschiedet werden.

Urteile gegen Deserteure wurden pauschal aufgehoben

Rund 30.000 Menschen wurden von den Nationalsozialisten wegen Fahnenflucht und Kriegsverrat zum Tode verurteilt, 20.000 tatsächlich hingerichtet. Die Urteile gegen Deserteure und Kriegsdienstverweigerer hatte der Bundestag 2002 pauschal aufgehoben. Jene gegen Soldaten, die angeblich Verrat begingen, blieben hingegen "das letzte Tabu", wie einmal der Militärhistoriker Wolfram Wette sagte.

Gegner einer pauschalen Rehabilitierung, allen voran der zuständige Mann der Unionsfraktion, Norbert Geis (CSU), stellten sich bis zuletzt auf den Standpunkt, dass jedes Urteil nur nach einer Einzelfall-Prüfung aufgehoben werden könne. Hintergrund waren lange Zeit auch in der SPD geteilte Bedenken, wonach die "Täter" eventuell ihren nicht fahnenflüchtigen Kameraden geschadet haben könnten.

Historiker Wette hatte erforscht, dass nach dem so genannten Kriegsverrat-Paragrafen im Militärstrafgesetzbuch der Nazis insbesondere niedere Ränge ohne Zugang zu wichtigen Informationen verurteilt wurden. In seinen Arbeiten listet er etwa den Fall von Johann Lukaschitz auf, der hingerichtet wurde, weil er für sich behielt, dass Kameraden einen Soldatenrat gegründet hatten. Friedrich Rath und Friedrich Winking wurden im Mai 1944 zum Tode verurteilt, weil sie Juden ins vergleichsweise sichere Rumänien schmuggeln wollten.

Wegen Diebstahls fast zum Tode verurteilt

Besondere Aufmerksamkeit erfuhr der bekannteste Fall des damaligen Militärrichters Erich Schwinge. Er wollte den 17-jährigen Anton Reschny wegen Diebstahls zweier Uhren zum Tode verurteilen. Heinrich Himmler, Reichsführer SS, persönlich schritt ein - und wandelte das ihm zu harte Urteil in eine Zuchthausstrafe um.

Wie Wette, so sind auch andere Forscher inzwischen mehrheitlich der Auffassung, dass der entsprechende NS-Paragraf so pauschal formuliert war, dass die Verhängung der Todesstrafe niemals rechtsstaatlich gewesen sein kann. Vielmehr sei dieses Instrument willkürlich eingesetzt worden, um Kritiker und Gegner des Regimes selbst bei geringfügigsten Vergehen mit dem Tod bestrafen zu können.

Gregor Gysi begrüßt Entscheidung

Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi, seit langem Verfechter einer Rehabilitierung, begrüßt die Einigung der Koalitionsparteien. "Wir müssen endlich lernen, stolz zu sein auf die Menschen, die den Mut hatten, sich gegen den Krieg zu stellen." Für die Angehörigen sei es wichtig, dass ihre Verwandten nicht länger als Straftäter gelten.