Für Gewerkschaftschefs ist die Zeit der Zurückhaltung im öffentlichen Dienst vorbei: Wir sind streikbereit.Gemeinsam wollen sie für eine Fünf vor dem Komma streiten und bereiten Tarifrunde 2008 vor

Berlin. Nicht nur bei der Bahn, auch im öffentlichen Dienst zeichnet sich ein scharfer Tarifkonflikt ab. Die Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Beamtenbund (DBB) verweisen auf erhebliche Einbußen bei den Beschäftigten in den vergangenen Jahren sowie zuletzt sprudelnde Steuereinnahmen. "Genug gespart. Nach Jahren wachsenden Verzichts sind wir jetzt dran", verlangt der DBB-Vorsitzende Peter Heesen.

Auch für Verdi-Chef Frank Bsirske ist die Zeit der Zurückhaltung vorbei. Die Gewerkschaft fordert ein Ende der Sparpolitik bei Krankenschwestern, Müllwerkern, Busfahrern, Erziehern oder Verwaltungsangestellten. Beamtenbund und Verdi wollen höhere Löhne notfalls auch durch einen Arbeitskampf durchsetzen. "Wir sind streikbereit", betont Heesen.

Die Gewerkschaftschefs bereiten die Tarifrunde 2008 schon jetzt durch eine drei Millionen Euro schwere Kampagne vor, die Verständnis wecken soll für die Belange des öffentlichen Dienstes. Verdi-Chef Bsirske verweist auf einen "enormen Investitionsstau" bei Schulen, Straßen und Kanalnetz. 10 000 Stellen in der Jugendarbeit und 50 000 Jobs von Pflegern in den Krankenhäusern seien in den vergangenen Jahren weggefallen, 1500 öffentliche Bäder und 500 Bahnhöfe geschlossen worden. Aus Sicht der Gewerkschaft sind die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes "bisher die Hauptleidtragenden der Krise der Staatseinnahmen".

Eine konkrete Lohnforderung wollen DBB und Verdi, die traditionell eher in Konkurrenz zueinander stehen, diesmal gemeinsam vorlegen - und zwar im November. Durch den Schulterschluss geht es ihnen darum, Durchsetzungskraft für einen "lohnpolitischen Kurswechsel" zu gewinnen. In einem offenen Brief von DBB-Chef Heesen taucht schon jetzt eine Zahl auf. Ein Gesamtvolumen "von mindestens fünf Prozent" im Jahr 2008 sei das Ziel.

Heesen verweist zur Begründung auf "harte Jahre für den öffentlichen Dienst". Zuletzt habe es 2004 die letzte prozentuale Einkommenserhöhung gegeben, stattdessen seien Urlaubs- und Weihnachtsgeld gekürzt beziehungsweise gestrichen und die Arbeitszeit auf bis zu 42 Wochenstunden erhöht worden. Die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sei seit 1990 von 5,3 auf 3,9 Millionen geschrumpft. Verdi formuliert mit Blick auf Finanzminister Peer Steinbrück (SPD): "Mit maßvollen Tarifabschlüssen und enormer Arbeitsverdichtung haben wir unser Soll zur Sanierung der Staatsfinanzen bereits übererfüllt."

Angesichts der Entscheidung des Nürnberger Arbeitsgerichts im Tarifkonflikt bei der Bahn zeigen sich die Gewerkschaften alarmiert. Verdi-Chef Bsirske spricht von einem "Angriff auf das Streikrecht" und "offener Parteinahme für die Arbeitgeber". Die Richter haben ein bundesweites Streikverbot für die Lokführer im Fern- und Güterverkehr verhängt, um volkswirtschaftliche Schäden zu vermeiden. Ein solcher Einwand könne letztlich gegen jeden Streik erhoben werden, kritisiert Bsirske."Wir haben unser Soll zur Sanierung der Staatsfinanzen bereits übererfüllt"