Berlin. Der Bundestag streitet über eine gesetzliche Regelung zu Abtreibungen nach der 22. Schwangerschaftswoche. Die CSU fordert eine Pflicht zur Beratung und eine dreitägige Bedenkzeit. Die SPD verurteilte die Pläne als eine "Bevormundung" schwangerer Frauen.
Der Umgang mit Spätabtreibungen ist im Bundestag fraktionsübergreifend heftig und kontrovers diskutiert worden. Die derzeitige Regelung lasse schwangere Frauen allein, überfordere Ärzte und vernachlässige den Schutz des ungeborenen Lebens, sagte der familienpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Johannes Singhammer (CSU), am Donnerstag im Bundestag. «Wir wollen Frauen, die sich in einer existenziellen Notlage befinden, nachhaltig helfen und behindertes ungeborenes Leben besser schützen«, hob er hervor.
Beratung über Folgen von Spätabtreibungen zwingend
Der CSU-Politiker begründete damit einen fraktionsübergreifenden Änderungsentwurf zum Schwangerschaftskonfliktgesetz unter Federführung der Union. Dieser soll Ärzte, die eine Pränataldiagnostik vornehmen, künftig zur Beratung über die medizinischen und psychosozialen Aspekte einer Spätabtreibung verpflichten.
Der Entwurf enthält außerdem eine dreitägige Bedenkzeit vor einem Abbruch. Von dieser Frist kann danach nur in Ausnahmefällen abgesehen werden - wenn »Gefahr für Leib oder Leben der Schwangeren« besteht. Verstöße sollen als Ordnungswidrigkeit mit Geldstrafen von bis zu 10.000 Euro geahndet werden.
"Grenzbereich der Politik"
Singhammer betonte, bei der Kontroverse handle es sich um einen «Grenzbereich der Politik, bei der man sich nicht drücken darf». Er betonte, der Antrag solle Schwangeren keine »zusätzlichen Lasten» auferlegen. Er forderte zugleich eine bessere Gleichstellung von Behinderten und Menschen mit Down-Syndrom in der Gesellschaft.
Dagegen warnte SPD-Fraktionsvize Christel Humme, zuständig für Familienpolitik, vor gesetzlichen Änderungen. Staatliche Interventionen setzten «Frauen in einer ohnehin schwierigen Notlage zusätzlich unter Druck. Frauen brauchen keine staatliche verordnete Wartezeit von drei Tagen, die Frist ist völlig willkürlich», warf sie den Unterzeichnern des Antrags vor. Auch würden viele Spätabtreibungen vorgenommen, weil die Embryos unheilbar krank und nicht lebensfähig seien.
229 Spätabtreibungen im vergangenen Jahr
Humme unterstützt einen Antrag zahlreicher SPD-Abgeordneter, der die Teilhabe für Menschen mit Behinderung sichern soll. Eine dreitägige Frist wird darin als «Bevormundung durch den Gesetzgeber »abgelehnt.
Mit dem Begriff Spätabtreibungen bezeichnet man Abtreibungen nach der 22. Woche, in der das Ungeborene schon lebensfähig sein kann. Laut Statistik gab es im vergangenen Jahr 229 Abtreibungen nach der 22. Woche. Diese sind möglich, wenn eine Behinderung des Kindes diagnostiziert wird. (ddp)