Krankenhausgesellschaft: Seit 1995 wurden allein in Nordrhein-Westfalen 46 Kliniken geschlossen, zusammengelegt oder verkauft

Essen. Gleich zum Auftakt ihrer Tarifverhandlungen für die 55 000 Ärzte an den 700 kommunalen Krankenhäusern kämpfen die Tarifpartner mit harten Bandagen.

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund, wie die Lokführer-Gewerkschaft GDL eine Spartengewerkschaft, demonstriert Kampfbereitschaft, die ihr schon 2006 einen beachtlichen Erfolg bescherte. Die Arbeitgeber stehen der Gewerkschaft nicht nach. Sie zeichneten eine düstere Perspektive für die Krankenhäuser, falls sich die Gewerkschaft durchsetzen sollte.

Der Marburger Bund begründet seine Forderung von durchschnittlich 10 Prozent vor allem damit, dass "die wirtschaftliche Erholung Deutschlands und die finanzielle Erholung der Krankenkassen" bei den Krankenhausärzten bisher nicht angekommen seien. Die Arbeit der Ärzte sei immer mehr verdichtet worden. Dies habe den Kliniken bessere Erlöse verschafft. Sie dürften an den Ärzten nicht vorbeigehen.

Zudem verweist die Gewerkschaft darauf, dass nach ihren Erhebungen viele offene Stellen in den Kliniken nicht besetzt werden könnten. 21 Prozent der offenen Stellen blieben länger als ein Jahr vakant. Wichtigster Grund sei die schlechte Bezahlung.

Der Bundesverband der Krankenhausträger, die Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft, bestätigt, dass die Häuser zunehmend hart um Ärzte konkurrieren und vielerorts Stellen nur schwer zu besetzen seien. "Die Stellenanzeigen in den Fachblättern sprechen eine deutliche Sprache."

Gleichzeitig weist die Krankenhausgesellschaft jedoch auch darauf hin, dass die Krankenhäuser in diesem Jahr ihre Budgets nur um 0,48 Prozent steigern dürften. Da in den Kliniken 70 Prozent der Kosten auf das Personal entfallen, scheint absehbar, dass ein hoher Tarifabschluss für die Ärzte Einschnitte an anderer Stelle nach sich ziehen dürfte.

Der Verband kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) hebt sogar hervor, dass in den vergangenen Jahren unter dem hohen Kostendruck zahlreiche Kliniken vom Markt verschwanden. Nach Angaben der Krankenhausgesellschaft wurden seit 1995 in NRW 46 Häuser geschlossen, zusammengelegt oder verkauft. Die Lage habe sich in jüngster Zeit deutlich verschärft. 32 Krankenhäuser habe es allein seit 2002 getroffen.

"Die jährlich rund vier Millionen Patienten in NRW müssen in immer kürzerer Zeit von immer weniger Personal in unseren Krankenhäusern versorgt werden", klagte Ende 2007 der Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, Karsten Gebhardt. Seit 1995 bauten die NRW-Kliniken fast zehn Prozent der Stellen ab.

Das bleibt nicht ohne Folgen. Zwar sind nach einer Umfrage des Finanzdienstleisters MLP und des Meinungsforschungsinstituts Allensbach 91 Prozent der Krankenhaus-patienten mit ihrer medizinischen Versorgung zufrieden. 53 Prozent meinen jedoch, dass die Ärzte zu wenig Zeit für die Patienten haben. Und mehr als 40 Prozent halten das Pflegepersonal für überlastet und überfordert.