Berlin. Ein renommiertes Institut hat die Reden aus den letzten vier Monaten Wahlkampf genau unter die Lupe genommen und kürte den Politiker mit den besten rhetorischen Talenten.
Vor allem Guido Westerwelle kann sich über reichlich Lob vom Verband der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS) freuen. Aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel liegt nicht nur in den Wahlprognosen vorne. Im Rhetorik-Duell zieht sie laut der Studie an ihrem Herausforderer von der SPD, Frank-Walter Steinmeier, vorbei.
Guido Westerwelle wurde am Donnerstag zum «besten politischen Redner« gekürt. Demnach spricht der FDP-Chef besonders klar und einprägsam. Dagegen wirke Merkel als Amtsinhaberin «einnehmend und nicht konfrontativ» wie noch vor vier Jahren, lobte VRdS-Vorstandsmitglied Vazrik Bazil. Sie habe sich einen neuen Wahlkampfstil angeeignet, «der von Erzählungen, privaten Geschichten und Zahlen in gut dosierten Mengen geprägt ist». Das Urteil zu Steinmeier fiel dagegen durchwachsen aus. Während er gegenüber anderen Spitzenkandidaten mit seiner gut vorbereiteten Parteitagsrede noch punkten konnte, fiel er als Straßenwahlkämpfer glatt durch.
Bundesadler und Pleitegeier
«Wenn Steinmeier frei spricht, spricht er nicht sauber, nicht gut strukturiert», sagte Bazil, demzufolge Politiker auf der Straße normalerweise eher besser, weil spontaner formulieren. VRdS-Präsidentin Minita von Gagern kritisierte, Steinmeier verliere sich zu oft in «akademischer und ausgesprochen langweiliger Technokratensprache». Bazil ergänzte: «Wenn er sich kämpferisch gibt, kauft man ihm das nicht ab.» Steinmeier müsse einen alten Kniff anwenden und sich verhalten, wie der, der er sein wolle: «also wie ein amtierender Bundeskanzler».
Deutlich besser schnitt dagegen Westerwelle ab, den Bazil für seine gut strukturierten Reden mit originellen Sprachbildern lobte. Als Beispiel nannte er den Ausspruch: «Bei den großen kommt der Bundesadler, bei den kleinen der Pleitegeier.» Allerdings sieht Bazil auch beim FDP-Chef noch Verbesserungsbedarf: «Er hat zu lange und zu laut gesprochen.»
Gute Noten für Gysi und Lafontaine
Ebenfalls gute Noten bekamen die Links-Politiker Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. Während Gysi laut Auswertung die humorvollste Rede hielt, beherrscht Lafontaine die kämpferische Spontaneität des Straßenwahlkampfs. Dagegen habe Lafontaine auf dem Parteitag noch «unerwartet schwach» gesprochen und seine Rede «mit Zahlen überfrachtet», sagte Bazil. Außerdem lauere bei seinen Reden stets die «Gefahr von Demagogie».
Seit Mai hat der VRdS zunächst die Auftritte der Spitzenkandidaten auf den Wahlparteitagen bewertet, anschließend die Reden auf Kundgebungen und Veranstaltungen. Beurteilt wurden unter anderem der Aufbau der Rede, Stil und Argumentation, aber auch Kriterien wie Körpersprache, Stimme und Glaubwürdigkeit. Politische Inhalte und Fähigkeiten der Redner wurden dagegen nicht berücksichtigt. Zusätzlich zu ihrer eigenen Einschätzung hatten die Redenschreiber Parteidelegierte befragt und das Presse-Echo analysiert.
Mit Blick auf die Ergebnisse kritisierte VRdS-Präsidentin von Gagern politische Reden als oft unkonkret und allgemein. Somit seien sie zugleich «allseits zustimmungsfähig und damit austauschbar». Sie habe jedoch das Gefühl, in Deutschland herrsche «eine gewisse Sehnsucht nach Durchschnittlichkeit - auch in der politischen Führung». Den Gegenbeweis können Merkel und Steinmeier am 13. September führen: Dann treten sie zum TV-Duell an. (ap)