Viele können sich die Hypothekenzinsen nicht mehr leisten.Baubranche war der Wirtschaftsmotor auf der iberischen Halbinsel

Madrid. Spaniens Krise kündigt sich durch einen Schilderwald an: "Se vende - zu verkaufen", prangt an hunderttausenden Häusern und Wohnungen im ganzen Land. Die Verkaufsschilder werden jeden Tag mehr. Weil vielen Besitzern, das Wasser bis zum Halse steht. Sie können ihre Hypotheken, deren Zinsen immer weiter steigen, nicht mehr zahlen. 85 Prozent aller spanischen Familien wohnen auf Pump im Eigenheim.

Zugleich mehren sich die grauen Bauruinen an den Stadträndern und genauso an den Küsten. Halbfertige Rohbauten, von denen Kräne und Gerüste abgezogen werden, weil plötzlich die Käufer fehlen. Weil den Baukonzernen ohne Kunden das Geld ausgeht. Ihre Aktienkurse auf nicht endender Talfahrt sind. Die Immobilienpreise sinken. Und die Zahl der Baupleiten immer größer wird. Mancherorts, wie etwa auf der Baleareninsel Mallorca, hat sich der Wohnungsabsatz innerhalb eines Jahres fast halbiert.

Was die gut 45 Millionen Spanier derzeit erleben, gleicht eher einem Sturzflug mit drohender Bruchlandung. Die Prognosen der Experten werden täglich düsterer. Der spanische Immobilienmarkt bricht ein, als ob er auf Sand gebaut wäre. "Es vergeht kein Tag, ohne dass die Immobilienkrise neue Opfer hinterlässt", schreibt ein Wirtschaftskolumnist. Spaniens größte Tageszeitung "El Pais" urteilt: "Die Fiesta ist vorbei."

Im letzten Jahrzehnt hatte die Baubranche einen unglaublichen Boom erlebt. Bis zu 800 000 Wohnungen pro Jahr errichtet und auch verkauft. Mehr als in Deutschland, Frankreich und Italien zusammen. Die Preise vervielfachten sich. Der Markt war völlig überhitzt. Gebaut wurde sogar, wo man eigentlich gar nicht bauen durfte. In Naturparks, am Fuße des Strandes.

Die Ziegelsteine waren halt ein gutes Geschäft. Für die Bauherren. Die Banken. Die Lokalpolitiker. Und zunächst auch für die Käufer. Denn letztere bekamen von den Geldinstituten atemberaubende Eigenheim-Hypotheken angedient, deren freilich meist variable Zinssätze damals unter der Preissteigerungsrate lagen.

Der Bausektor wuchs zu Spaniens wichtigstem Wirtschaftsmotor heran. Produzierte mehr als zehn Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung. Trieb das Wachstum in die Höhe, welches in den letzten Jahren stets bewundernswert über dem EU-Schnitt lag. Nun könnte die Krise am Bau freilich auch andere Branchen anstecken.

Sogar die zurückhaltende Staatsbank warnt, dass Spaniens Wachstum sich auf etwa zwei Prozent fast halbieren könnte. Die Arbeitslosigkeit von etwa acht auf zehn Prozent klettern dürfte. Diese Prognosen bezeichnen private Analysten noch als "optimistisch". Zudem Spaniens hohe Preissteigerungsrate, die zuletzt bei 4,6 Prozent lag, einen sich abzeichnenden Konsumeinbruch wohl eher verschlimmern wird.

Halbwegs beruhigend scheint nur, dass Spaniens Banken, welche den Bauboom mit großzügigen Krediten finanzierten, dank Rekordgewinnen üppige Reserven haben. Und Kreditausfälle, wenigstens zunächst noch, halbwegs verschmerzen können. Auch Spaniens Staatshaushalt erwirtschaftete die letzten Jahre Milliardenüberschüsse, was der Regierung Zapatero Strukturhilfen für die wankende Branche erleichtern dürfte.