Paris. In Frankreich haben hundertausende Beschäftigte erneut gegen die Rentenreform der Regierung gestreikt und damit Teile des öffentlichen Lebens lahm gelegt.
Der Ausstand am Donnerstag wirkte sich aber weniger stark als erwartet aus; bei der Staatsbahn SNCF ließ nach Angaben der Leitung nur jeder vierte Beschäftigte die Arbeit ruhen. Jeder zweite Zug konnte deshalb fahren. Der Flugverkehr war nur vereinzelt gestört. Laut der Gewerkschaft CGT beteiligten sich 700.000 Menschen in 153 Städten an Protesten gegen die Erhöhung der Rentenbeitragszeit von 40 auf 41 Jahre. In Paris nahmen der Polizei zufolge 28.000 Menschen an einer Großdemonstration teil, Gewerkschaften sprachen von 70.000.
Franzosen wollen nicht später in Rente
Gewerkschaftsführer Bernard Thibault erklärte, die konservative Regierung von Präsident Nicolas Sarkozy werde ihre geplante Reform «unter dem Druck der Straße» überarbeiten müssen. Die Chefin des Unternehmerverbandes Medef, Laurence Parisot, fragte, ob es «eine Katastrophe» sei, wenn die Franzosen künftig bis 63,5 Jahre arbeiten müssten. Nur so ließen sich die Rentensysteme vor dem Hintergrund der Altersentwicklung ins Gleichgewicht bringen.
Bei den direkt der Regierung unterstellten Beamten legten laut dem Haushaltsministerium gut acht Prozent die Arbeit nieder, etwas mehr als die Hälfte im Vergleich zum letzten Streiktag am 15. Mai. Auf Auslandsverbindungen mit Hochgeschwindigkeitszügen wirkte der Streik sich laut SNCF nicht aus; auch zwei von drei innerfranzösischen TGV fuhren normal. Beim U-Bahn- und Nahverkehr in der Hauptstadt Paris blieben Probleme praktisch aus. Gestreikt wurde auch bei France Télécom, der Post, bei den Energieversorgern EDF und GDF oder beim Arbeitsamt. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk fielen teils Programme aus. Die Pariser Opfer führte den «Barbier von Sevilla» ohne Kostüme und Bühnenbild auf.
Neue Streikvorschriften
Vor einer Woche hatten hunderttausende Lehrer wegen massiver Stellenstreichungen im Schuldienst die Arbeit niedergelegt. Die Eisenbahner mussten nun wegen neuer Streikvorschriften, die seit Anfang des Jahres gelten, zwei Tage im voraus erklären, ob sie sich an den Arbeitsniederlegungen beteiligen. Dadurch konnte die SNCF den Streikfahrplan besser planen. Der so genannnte «service minimum», also eine Mindestversorgung im Öffentlichen Dienst, war eines der Wahlversprechen von Präsident Nicolas Sarkozy. (afp)