Brüssel. Mitgliedsstaaten sollen schärfer gegen Luftverpester und Wasserverschmutzer vorgehen. Mit ihrer neuen Regelung betritt die Europäische Union rechtliches Neuland.
Umweltsünder kommen in vielen Ländern Europas nahezu ungestraft davon – das soll sich ändern: Wer etwa vorsätzlich die Luft verpestet oder Gifte ins Abwasser leitet, wird bald in der gesamten EU strafrechtlich verfolgt. Auch Deutschland müsste seine Gesetze entsprechend anpassen. So könnte der illegale Transport von gefährlichen Abfällen im Land ebenso strafbar werden wie der unerlaubte Besitz von besonders schützenswerten Tier- und Pflanzenarten. Am heutigen Mittwoch wird das EU-Parlament in Straßburg eine entsprechende Richtlinie verabschieden, deren Inhalt bereits mit den EU-Staaten abgestimmt ist und die von vielen Abgeordneten als wegweisend gefeiert wird. Tatsächlich stuft die Regelung nicht nur Umweltsünden als schwere Vergehen ein, sondern gilt auch als Präzedenzfall in der EU: Zum ersten Mal erlässt die Gemeinschaft ein Strafgesetz.
„Die EU betritt damit einen Bereich, der ihr bislang versperrt blieb“, erklärt der EU-Abgeordnete Hartmut Nassauer (CDU), Berichterstatter des Parlaments zum Thema. Das könnte Einfluss auch auf Regelungen in anderen Bereichen haben, etwa im Verbraucherschutz. Denn erstmals erhält die EU das Recht, auch auf das Strafrecht zurückzugreifen, wenn sie ihre Zuständigkeiten oder Interessen durchsetzen muss und andere Mittel nicht greifen. Grundsätzlich war das bislang Sache der Mitgliedsstaaten.
Die neue EU-Richtlinie umfasst Fälle von illegaler Abfallverklappung ebenso wie von radioaktiver Verschmutzung oder von Handel mit Stoffen, die die Ozonschicht zerstören. Auch wer geschützte Tiere tötet, seltene Pflanzen zerstört oder ausgewiesene Schutzgebiete schädigt, macht sich strafbar. Allerdings bleibt es weiterhin den Mitgliedsstaaten überlassen, Art und Höhe der Strafen festzulegen. In der Richtlinie heißt es lediglich, die Sanktionen müssten „wirksam, angemessen und abschreckend“ sein. Ursprünglich hatte die EU-Kommission auch eine Angleichung der Strafen angestrebt. Der EU-Abgeordnete Nassauer feiert den Kompromiss dennoch als wichtigen Schritt zu dem Ziel, den Umwelt-Tourismus einzudämmen. „Umweltverschmutzer werden künftig nicht mehr auf die EU-Staaten ausweichen können, in denen Verstöße zum Beispiel nur als Ordnungswidrigkeit eingestuft werden.“
Laut EU-Kommission müssten besonders Frankreich, Italien, Malta, Zypern und Slowenien ihre Straftaten für Umweltvergehen verschärfen. In Deutschland gelten bereits sehr strenge Gesetze; nur Teile müssten gegebenenfalls der neuen EU-Richtlinie angepasst werden – etwa Vorschriften zur Bestrafung von Luftverpestern oder zum illegalen Transport gefährlicher Abfälle im Land. Die EU-Richtlinie könnte noch dieses Jahr in Kraft treten; die Mitgliedsstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen.