Nach vier Stunden interner Debatte stand fest: Dagmar Metzger denkt nicht daran, das eben erst errungene Landtagsmandat zurückzugeben. "Ich erhielt viel Unterstützung aus meinem Wahlkreis"
Wiesbaden. Welche eine Karriere. "Das ist ja wie bei Britney Spears", ruft jemand, als Dagmar Metzger am Morgen im Hessen-Landtag aus dem Aufzug tritt und schnell im Ypsilanti-Zimmer verschwindet.
Zwei Bodyguards vom LKA haben sie unter ihre Fittiche genommen. Eigentlich begleiten die zwei smarten Boys die hessische SPD-Chefin, doch diesmal lassen sie ihren Service dem unheimlichen Shootingstar der Sozis aus Darmstadt angedeihen. Sie machen der hochtoupierten rothaarigen Südhessen-Britney den mit Kameras belagerten Weg frei. Wenigstens so viel Solidarität muss unter Sozialdemokratinnen sein.
Eine Viertelstunde Tête-à-tête. Dann war alles klar. Andrea Ypsilanti, die retardierte Ministerpräsidenten-Kandidatin der SPD, hatte sich einen Korb geholt. "Deutschlands ehrlichste Politikerin", zu der die Bild-Zeitung die Darmstädterin heraufgeschlagzeilt hatte, stellte klar: Sie würde standhaft bleiben. Metzger behält ihr Landtagsmandat. Sie, die im Wahlkampf das Versprechen abgelegt hatte, nicht mit der Linkspartei zusammen zu arbeiten, damals, als das auch noch Ypsilanti-Kurs war.
Metzger verließ den Raum - alleine. Das sprach Bände. Ypsilanti folgte kurz darauf, die paar Schritte rüber zum Sitzungszimmer der SPD-Fraktion, die über die neue Lage beraten wollte. Allerdings stand sie nicht mehr im Mittelpunkt. Metzgers Schwager Michael, ein Journalist, organisierte da schon die Pressestatements für die Zeit nach der Sitzung. Die Darmstädterin - gefragter als Ypsilanti.
Die Partei hatte gewaltig Druck auf Metzger gemacht. Zahlreiche Forderungen nach Rücktritt, auch aus Ypsilantis Mund, sogar welche nach einem Parteiausschluss hatte es gegeben. Doch sie blieb standhaft, obwohl die Landtags-Novizin in der Fraktion keinen einzigen Fürsprecher fand. "Dagmar Metzger hat erklärt, dass sie einer Regierungsbildung mit der Linkspartei nicht zustimmen kann und ihr Mandat behält", sagte eine sichtlich mitgenommene Ypsilanti kurz vor Ende der Sitzung, die mehr als vier statt der avisierten zwei Stunden dauerte. Die 41 anderen Abgeordneten hätten dies "zur Kenntnis genommen". "Begeistert" seien sie nicht gewesen, lässt sie sich entlocken. Und die Stimmung? Die sei "natürlich gedrückt gewesen", sagte die abgestürzte Wahlsiegerin und lädierte rot-grüne Hoffnungsträgerin. Nicht ohne trotzig nachzuschieben: Sie selbst werde nicht von ihrem Posten weichen. "Keinen Grund" gebe es, vom (Not-) Plan B abzuweichen. Welcher bekanntlich besagt, die weiter geschäftsführend im Amt befindliche CDU-Landesregierung mit Gesetzesanträgen zu Bildung, Energie und Sozialem zu "beeinflussen".
Metzger überstand das Sozi-Fegefeuer aufrecht. Sie erklärte hinterher vor der Presse, wo sie sich Rückendeckung geholt hatte: bei Hans-Jochen Vogel zum Beispiel, dem Parteigranden, bei Brigitte Zypries, der Bundesjustizministerin, und bei den "Genossen in meinem Wahlkreis". Bekundet: "Alle, mit denen ich gesprochen habe, haben mir geraten, in der Sache fest zu bleiben." Und das blieb sie.
Die Grünen, Ex-Koalitionspartner in spe, betrachteten das SPD-Spektakel derweil mit zunehmendem Frust und Zorn. So weit war man schon gekommen, die Verhandlungen über ein Regierungsprogramm waren Punkt für Punkt terminiert. Und nun das. "Uns befremdet der Umgang der SPD mit Abgeordneten", sagte der designierte parlamentarische Geschäftsführer der Ökopartei, Matthias Wagner.
Eine Neuauflage von Koalitionsverhandlungen werde es nur geben, wenn alle 42 SPD-Abgeordneten aus Überzeugung hinter dem Projekt stünden - "nicht auf Grund von Einschüchterung und Druck". "Und nur, wenn sie nicht gerade imUrlaub sind, wenn es hart auf hart geht."